Schlagwort-Archive: Art. 5 MRK

Immer wieder Haftsachen: Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot muss konkret geprüft werden

Der Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (Art. 5 MRK) spielt in der Rechtsprechung des BVerfG eine große Rolle. Immer wieder kommt es zu Beanstandungen von Entscheidungen der OLG.

Dem Beschl. des BVerfG v. 13.09.2010 – 2 BvR 449/10 lag allerdings nun kein U-Haft-Konstellation zugrunde, sondern ein Verfahren, in dem es um die Reststrafenaussetzung zur Bewährung (§ 57 StGB) ging. Der Verurteilte hatte gerügt, dass das Verfahren zu lange gedauert habe. Das OLG hat sich damit – so das BVerfG – nicht ausreichend auseinandergesetzt. Denn die Begründung einer fachgerichtlichen Entscheidung darüber, ob ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen vorliegt, müsse erkennen lassen, dass das Gericht geprüft hat, ob und gegebenenfalls welche Verfahrensverzögerungen eingetreten und welche Ursachen hierfür maßgeblich sind. Nur wenn diese Grundlagen konkret benannt werden, sei eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Inhaftierten gewährleistet.

Das BVerfG hat aufgehoben und zurückverwiesen. Mal sehen, was das OLG Düsseldorf jetzt daraus macht.

JM lässt sich 2 Jahre mit der Entscheidung Zeit – Aussetzung der Sicherungsverwahrung dann ggf. auch ohne ausreichende Vollzugslockerungen

Der 4. Strafsenat des OLG Hamm hatte sich vor kurzem in seinem Beschl. v. 12.05.2010 – 4 Ws 114/10 mit der Aussetzung einer Sicherungsverwahrung zu befassen. Das LG hatte die Ausssetzung beschlossen. Dagegen die Beschwerde der StA, die damit begründet worden ist, dass der Verurteilte noch nicht ausreichend durch Vollzugslockerungen erprobt sei. Das OLG dazu: Der Umstand fehlender Erprobung könne bei der Entscheidung über die Aussetzung einer Strafe zwar grundsätzlich nicht unberücksichtigt bleiben. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn die Versagung von Vollzugslockerungen ersichtlich rechtswidrig war. Davon ist das OLG m.E. zu Recht ausgegangen. Dem JM NRW war es nämlich über zwei Jahre nicht gelungen, eine Entscheidung über die Lockerungen zu treffen.

Im zweiten Teil der Entscheidung befasst sich das OLG dann mit den Auswirkungen der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 und schließt daraus: Nach Rechtskraft der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (Az.: 19359/04) am 11.05.2010 verstosse die Vollstreckung von Sicherungsverwahrung über den 10-Jahres-Zeitpunkt hinaus sowohl gegen Art. 5 EMRK als auch gegen Art. 7 EMRK.