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VW-Abgasskandal, oder: Einbau der Schummelsoftware ist Arglist

entnommen wikimedia.org Urheber User: High Contrast

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Gestern haben mir die Rechtsanwaltskollegen Rockenstein, Lösche & Kollegen aus Regensburg das LG Regensburg, Urt. v. 15.12.2016 – 1 0 638/16 – übersandt. Es handelt sich um Zivilrecht, so dass es an sich in den samstäglichen „Kessel Buntes“ gehört. Da ich aber heute mit dem AG Charlottenburger Abschleppfall eh schon eine zivilrechtliche Entscheidung vorgestellt habe, schiebe ich das LG, Regensburg, Urteil nach.

Es ist im VW-Abgasskandal ergangen und verpflichtet die VW AG zur Rücknahme eines Pkw VW Caddy Trendline „Soccer“ Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der seit der Übergabe gezogenen Nutzungen. Das LG bejaht einen Anspruch des Käufers aus gemäß §§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 BGB und nimmt zu folgenden Fragen Stellung:

  1. Die im Fahrzeug „installierte Software zur Beeinflussung der Schadstoffemission im Testbetrieb stellt einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar…..Die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaute Abschaltsoftware ist keine Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache auch erwarten kann. Die Installation und Verwendung einer sogenannten Abschaltsoftware ist bei Fahrzeugen anderer Hersteller in. einer vergleichbaren Fahrzeugklasse jedenfalls nicht bekanntermaßen üblich (so auch LG Braunschweig, Urteil vom 12.10.2016, Az. 4 0 202/16). Auch erwartet ein Durchschnittskäufer nicht, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden. Denn für den Kläger als Käufer und Erklärungsempfänger war erkennbar, dass die Angaben zum Schadstoffausstoß auf einer objektivierenden Grundlage beruhen und nicht den Abgaswerten im realen Fahrbetrieb entsprechen werden. Die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs basiert vielmehr darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält (LG Münster, Urteil vom 14.03.2016; Az.: 11 0 341/15; LG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2016, Az.: 16 0 790/16). „….
  2. Der Kläger hat der Beklagten auch eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB gesetzt, so dass es auf die Frage, ob eine Nacherfüllung überhaupt möglich und eine Fristsetzung gem. § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich ist, nicht ankommt. ..“
  3. „Das Rücktrittsrecht des Klägers ist auch nicht gemäß §§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da der vorliegende Mangel nicht unerheblich ist…..Gegen die Beklagte spricht nämlich, dass diese den Kläger bei Vertragsschluss arglistig getäuscht hat. Bei Arglist ist eine unerhebliche Pflichtverletzung i.d.R. aber zu. verneinen. Zudem ist nicht sicher, ob die geplanten technischen Maßnahmen den Mangel tatsächlich beseitigen und sich nicht anderweitig negativ auf Schadstoffausstoß, Leistung oder Fahrverhalten auswirken…..Es ist nicht nachzuvollziehen, wie durch einen solch geringen Aufwand der Mangel behoben werden soll und dabei keinerlei Nachteile bei Leistung, Kraftstoffverbrauch oder CO2-Emission entstehen. Wäre eine Mangelbeseitigung so einfach möglich, fragt sich, warum dann der Einsatz rechtswidriger Software anfangs vonnöten gewesen ist…..“

Das LG Regensburg dürfte im Übrigen m.E. ein Alptraum für den VW-Konzern sein. Denn wenn man mal Mr. Google mit „LG Regensburg VW“ befragt, gibt es eine ganze Menge Treffer zur der Problematik und zu verbraucherfreundlichen Entscheidungen des LG Regensburg. Schön finde ich übrigens in der o.a. Argumentation der Hinweis auf den geringen Aufwand zur Beseitigung des Mangels. Denn man fragt sich ja wirklich: Wofür die ganze Schummelei/Betrügerei, wenn man das für ein paar Euro auch hätte anders haben können.

Nach dem Unfall „geschummelt“ – kein Versicherungsschutz

© ferkelraggae - Fotolia.com

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Einen Sachverhalt, wie er im täglichen Leben sicherlich häufiger vorkommt, behandelt das OLG München, Urt. v. 25.04.2014 – 10 U 3357/13. Es geht (mal wieder) um die Frage der (arglistigen) Obliegenheitsverletzung durch Falschauskünfte nach einem Entfernen vom Unfallort und damit um die Haftung der eigenen Kfz-Vollkaskoversicherung. An der Stelle wird ja nicht selten „geschummelt“. So auch hier:

Der Sohn der Klägerin war mit deren Pkw unterwegs. Es kommt am 17.04.2011 zu einem Verkehrsunfall. Der Sohn des Klägers kommt dabei am Unfallort auf einer 6 m breiten Straße von der Fahrbahn ab und fährt gegen einen Erdwall, bei dem er zugleich gegen einen Zaun nebst Begrenzungspfosten gestoßen ist, der durch den Anstoß erheblich beschädigt wurde und auch in entsprechender Höhe deutliche Schadensspuren am Fahrzeug hinterlassen hat. An nächsten Morgen (18.04.2011) sucht er gegen 8 Uhr eine Versicherungsagentur der beklagten Vollkaskoversicherung auf und zeigte den Schadensfall an. Er gibt an, aufgrund einer Kurve bei etwa 50 km/ trotz Bremsens von der Fahrbahn abgekommen zu sein, ohne dass dabei ein Fremdschaden entstanden wäre. Eine weitere Erklärung für das Abkommen könne er nicht angeben, er will aber nach dem Schaden noch gewartet und sich den PKW in Ruhe angesehen haben. Die erlittenen eigenen Verletzungen gibt er ebenso wenig wie den entstandenen Fremdschaden an. Die beklagte Vollkaskoversicherung verweigert die Leistung unter Hinweis auf eine Obliegenheitsverletzung.

Das OLG München gibt der beklagten Versicherung Recht. Es lässt die Klage allerdings nicht daran scheitern, weil der Sohn der Klägerin die erforderlichen Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich gem. § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB ermöglich hat, weil eben nicht jeder Verstoß gegen § 142 Abs. 2 StGB zur Leistungsfreiheit führe (vgl. dazu Nach dem Unfall weggelaufen – kein Versicherungsschutz (mehr)?). Aber es bejaht eine Obliegenheitsverletzung des Sohnes der Klägerin, den es als sog. Repräsentanten ansieht, und geht auch von Arglist aus. Der OLG-Entscheidung lassen sich auf der Grundlage etwa folgende Leitsätze voranstellen:

  1. Eine nachträgliche Mitteilung ist dann noch unverzüglich im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB, wenn sie noch den Zweck erfüllt, zugunsten des Geschädigten die zur Klärung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit notwendigen Feststellungen treffen zu können
  2. Trotz demnach unverzüglicher Mitteilung kann es dennoch zur Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens kommen, wenn dessen Unterrichtung mit einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers verbunden ist.
  3. Eine solche liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer wahrheitswidrig angibt, er sei mit dem Fahrzeug an der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h von der Fahrbahn in die angrenzende Wiese abgekommen wobei der Pkw an einem Erdwall erheblich beschädigt worden sei und dabei sowohl überhöhte Geschwindigkeit, Fremdschaden an einem Wildschutzzaun als auch eigenen Personenschaden unerwähnt lässt.

Was lernen wir daraus: Immer schön bei der Wahrheit bleiben, wenn es um solche Dinge geht 🙂 .