Schlagwort-Archive: Antragsbegründung

Pauschgebühr I: Pauschgebühr im KiPo-Verfahren?, oder: OLG Frankfurt argumentiert „unsauber“

Smiley

Am „Gebührenrechtsfreitag“ stelle ich heute zwei OLG-Entscheidungen zur Pauschgebühr des Pflichtverteidigers (§ 51 RVg) vor. Beide sind „nicht so schön“.

Ich beginne mit der „schlimmeren“ Entscheidung. Die kommt vom OLG Frankfurt am Main (warum überrascht mich das nicht?).  Das hat mit dem OLG Frankfurt, Beschl. v. . 09.01.2023 – 2 ARs 41/22 – meine Freundes aus Augsburg, der Kollegen Dr. Herrmann, abgelehnt. Der ist als Pflichtverteidiger in einem Verfahren beim LG Limburg u.a. wegen bandenmäßiger öffentlicher Zugänglichmachung kinderpornographischer Schriften tätig gewesen, in dem der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten sowie Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist. Mein Kollege, dessen gesetzliche Gebühren rund 13.500 EUR beantragen haben, hat nach Abschluss des Verfahrens eine Pauschgebühr nach § 51 RVG in Höhe der doppelten Wahlverteidigerhöchstgebühren beantragt. Seinen Antrag hat er damit begründet, dass es sich um einen der spektakulärsten Prozesse im Zusammenhang mit Kinderpornographie im Darknet gehandelt habe und der Aktenumfang und der Inhalt der Beweismittel unbeschreiblich gewesen sei. Die Anklage habe 154 Seiten umfasst, es sei an 18 Hauptverhandlungstagen verhandelt worden. Das OLG hat seinen Antrag zurückgewiesen.

Ich erspare mir und dem Leser das in den Pauschgebührentscheidungen inzwischen häufige/übliche Blabla zu den Voraussetzungen der Pauschgebühr. Das sind immer dieselben Worthülsen, mit denen u.a. die Rechtsprechung des BVerfG referiert wird.

Interessant – na ja – wird es dann, wenn das OLG etwas konkreter wird und versucht, dem Verfahren gerecht zu werden. Da heißt es dann:

„Kerngebühr für die Tätigkeit eines Strafverteidigers ist nach dem RVG die Hauptverhandlungsgebühr. Der Gesetzgeber folgt insoweit auch im Gebührenrecht dem im deutschen Strafrecht verankerten Grundsatz der Verhandlung in Anwesenheit des An-geklagten und dem in der Hauptverhandlung zum Tragen kommenden Grundsatz der Öffentlichkeit. Nur was in der öffentlichen Hauptverhandlung verhandelt wird, ist Gegenstand der Urteilsfindung.

Die Prüfung des § 51 RVG verlangt daher zunächst die tatsachenfundierte Darlegung durch den Antragsteller, dass ihm durch die Beiordnung eine zeitliche Beanspruchung abverlangt worden ist, die isoliert betrachtet durch die Festgebühren unzumutbar aus-geglichen wird. Darüber hinaus bedarf es aber auch Ausführungen dazu, inwieweit diese (isoliert betrachtet) unzumutbare Mehrbelastung nicht durch das Verfahren insg. (z.B. durch technische oder organisatorische Maßnahmen oder eine hohe Anzahl von Hauptverhandlungsgebühren) kompensiert worden ist. Erst wenn bei der gebotenen Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Kompensationsmöglichkeiten die Gesamtbelastung des Pflichtverteidigers in dem konkreten Verfahren ein „Sonderopfer“ darstellt, kommt eine über die Festgebühren hinausgehende Pauschgebühr in Betracht. Dabei ist auch vor dem Hintergrund, dass der Verurteilte i. E. der Kostenschuldner ist und die Pauschgebühr eine Gewährung zu Lasten Dritter ist, zu beachten, dass § 51 RVG als spezialgesetzlicher Ausfluss von Art. 12 GG nur verhindern soll, dass ein Organ der Rechtspflege auf Grund seiner gesetzlichen Verpflichtungen unzumutbar in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eingeschränkt wird. § 51 RVG dient gerade nicht dazu, den Pflichtverteidiger umfassend zu alimentieren oder seinen (möglicherweise sonst üblichen) Gewinn sicherzustellen.

Gemessen an diesen Vorgaben ist der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung zurückzuweisen. Außergewöhnliche rechtliche Schwierigkeiten der Sache, die sie als sonderopferfähig darstellten, sind im Vergleich mit anderen erstinstanzlichen Verfahren vor der Jugendschutzkammer weder konkret vorgetragen noch erkennbar.

Zwar lag der Aktenumfang über dem Durchschnitt vergleichbarer Verfahren. Dass der Antragsteller die Verfahrensakte vollständig durchgesehen und mit seinem Mandanten besprochen hat, gehört jedoch zu den selbstverständlichen Pflichten des Verteidigers als Organ der Rechtspflege und reicht für die Annahme der Unzumutbarkeit der im Vergütungsverzeichnis bestimmten Gebühren nicht aus. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die erforderliche Sichtung des Bildmaterials im vorliegenden Fall. Der Umfang der Beweisaufnahme schlägt sich in der Anzahl und Dauer der Hauptverhandlungstermine nieder und ist deshalb grundsätzlich kein Bemessungskriterium für eine Pauschvergütung. Jeder Hauptverhandlungstag wird gesondert vergütet, wobei auch die Stundenzahl berücksichtigt wird. Die aufgrund des Kanzleisitzes des Pflichtverteidigers in Augsburg veranlassten Geschäftsreisen werden nach der gesetzlichen Regelung durch Zahlung von Fahrtkosten und Tage- und Abwesenheitsgelder ausgeglichen.

Dass der Antragsteller darüber hinaus Tätigkeiten erbracht hat, die die Annahme eines Sonderopfers begründen könnten, ist nicht vorgetragen worden und vorliegend auch nicht ersichtlich. Auch die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers vermag grundsätzlich in einem gewissen Maße die Belastung zu kompensieren.

Im Übrigen wird auf die zutreffende Stellungnahme der Bezirksrevisorin, die dem Antragsteller übersandt worden ist und zu der er sich mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2022 geäußert hat, zur weiteren Begründung Bezug genommen. Eine Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren liegt auch bei einer Gesamtschau des Verfahrens nicht vor.“

Dazu – so dann demnächst auch in AGS:

1. Das ist mal wieder eine der zahlreichen Entscheidungen, mit der ein Pauschgebührantrag eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen worden ist. Leider referiert die Entscheidung letztlich nur Rechtsprechung des BVerfG, nimmt aber zu den konkreten Umständen des Verfahrens kaum Stellung, so dass nicht abschließend beurteilt werden kann, ob nicht der Antrag meine Kollegen – zumindest teilweise – hätte erfolgreich sein müssen. Es wäre sicherlich besser gewesen, das OLG hätte diese Einzelheiten angeführt als die sattsam bekannte Rechtsprechung des BVerfG, an deren Richtigkeit man m.E. zweifeln kann, erneut zu referieren.

2. Hinzuweisen ist darüber hinaus auf Folgendes:

a) Das OLG irrt, wenn es als „Kerngebühr für die Tätigkeit eines Strafverteidigers …. nach dem RVG die Hauptverhandlungsgebühr“ ansieht. Das RVG hat vielmehr durch die neu geschaffenen Gebührentatbestände der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, der Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 VV RVG und der unterschiedlichen Verfahrensgebühren ausdrücklich leistungsorientierte eine Vergütungsregelungen geschaffen, die gerade durch eine verbesserte und differenziertere Vergütung für die Tätigkeiten des Verteidigers, auch des Pflichtverteidigers, im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sorgen sollten (vgl. dazu BT-Dr. 15/11971, S. 2, 146 ff.). Von daher ist die Behauptung, die Hauptverhandlungsterminsgebühr sei die „Kerngebühr“ zumindest gewagt.

Auch der Hinweis darauf, dass es zu „den selbstverständlichen Pflichten des Verteidigers als Organ der Rechtspflege“ (sic!) gehöre, die Verfahrensakte vollständig durchzusehen und mit seinem Mandanten zu besprechen habe, führt nicht weiter. Das ist richtig, aber die Frage, inwieweit sich aus der Einarbeitung in die Akte und der Besprechung des Inhalts mit dem Mandanten ein Ansatzpunkt für eine Pauschgebühr ergibt, hängt doch entscheidend vom Umfang der Akte (und deren Inhalt) ab. Dazu schweigt der Beschluss, aber: Der Umfang der Anklage mit 154 Seiten spricht allerdings für einen schon erheblichen Umfang. Das gilt vor allem auch im Hinblick auf die Sichtung von Bildmaterial in einem „Kipo-Verfahren“.

b) Unzutreffend bzw. überspannt sind m.E. auch die Ausführungen des OLG zum Umfang der Antragsbegründung. Natürlich muss der Verteidiger seinen Pauschgebührantrag begründen. Aber was soll eine „tatsachenfundierte Darlegung durch den Antragsteller, dass ihm durch die Beiordnung eine zeitliche Beanspruchung abverlangt worden ist, die isoliert betrachtet durch die Festgebühren unzumutbar ausgeglichen wird“?. Die Frage kann das OLG doch anhand der ihm – hoffentlich vorliegenden – Akten unschwer selbst beurteilen. Denn es gehört zu den „selbstverständlichen Pflichten“ des entscheidenden OLG-Richters, die Akte durchzusehen und auf Umstände zu prüfen, die ggf. die Gewährung einer Pauschgebühr rechtfertigen. Nur, wenn Tätigkeiten erbracht worden sind, die sich nicht aus der Akte ergeben, muss der Pflichtverteidiger dazu vortragen. Eine dem § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vergleichbare Vorschrift kennt das Gebührenrecht – zum Glück – nicht.

c) Schließlich sind die Ausführungen des OLG: „Die aufgrund des Kanzleisitzes des Pflichtverteidigers in Augsburg veranlassten Geschäftsreisen sind nach der gesetzlichen Regelung durch Zahlung von Fahrtkosten und Tage- und Abwesenheitsgelder ausgeglichen.“ in der Allgemeinheit zumindest fraglich. Denn die Frage wird in der Rechtsprechung durchaus differenziert gesehen (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, 3 51 Rn 136 f.).

3. Fazit: Alles in allem m.E. ein Beschluss, der Fragen offen lässt und teilweise unsauber argumentiert.

Ermittlungserzwingungsantrag, oder: Voraussetzungen und Antragsbegründung

© Klaus Eppele – Fotolia.com

An sich wollte ich heute an Ostermontag nichts Fachliches bringen. Aber bei dem Wetter dann lieber doch, denn es regnet und ist sehr windig – zumindest hier. Also kein „Draußenwetter“. Und das bedeutet, dass ich einen „normalen Tag“ mache.

Ich starte dann in die beginnende 14. KW. mit einem Beschluss des BVerfG zum Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO).

Geltend gemacht worden ist die Nichteinleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und betreffend folgenden Sachverhalt: Der Sohn der Beschwerdeführer randalierte nach vorigem erheblichen Drogenkonsum am Abend des 18.04.2016 in der Innenstadt von Emmerich, wurde gegen 20:40 Uhr von der Polizei gestellt, unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen zu Boden gebracht, in Bauchlage mit Handschellen fixiert und festgenommen. Er kollabierte während der Festnahme und verstarb trotz durchgeführter Reanimationsmaßnahmen am 19.04. 2016 um 04:30 Uhr im Krankenhaus an multiplem Organversagen.

Die Eltern haben dann am 11.07.2016 Strafanzeige wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, der Körperverletzung mit Todesfolge und unterlassener Hilfeleistung gegen die eingesetzten Polizeibeamten erstattet. Ermittlungen sind nicht aufgenommen worden. Dagegen dann die Beschwerde, die bei der GStA auch keinen Erfolg hatte, ebenso das sog. Klageerzwingungsverfahren beim OLG.

Und auch die Verfassungsbeschwerde ist beim BVerfG erfolglos geblieben. Das hat die Verfassungsbeschwerde im BVerfG, Beschl. v. 23.02.2021 – 2 BvR 1304/17 – nicht zur Entscheidung angenommen:

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.

1. Die Verfassungsbeschwerde genügt offensichtlich nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG, denn ihre Begründung lässt eine Verletzung von Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG inhaltlich nachvollziehbar nicht erkennen. Zudem enthält sie vielfach lediglich pauschale Verweisungen auf frühere Schriftsätze und verkennt, dass es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, verfassungsrechtlich Relevantes aus den in Bezug genommenen Schriftsätzen herauszusuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 <263>; 83, 216 <228>).

Darüber hinaus haben die Beschwerdeführer für die verfassungsrechtliche Beurteilung unverzichtbare Unterlagen, insbesondere das in Bezug genommene Handyvideo, dessen Inhalt nach Auffassung der Beschwerdeführer in ein gerichtsmedizinisches Gutachten hätte einfließen müssen, aber auch die in dem Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft erwähnten nicht näher spezifizierten Zeugenaussagen beziehungsweise die Zeugenaussage der Rettungsassistenten und die Anhörung der eingesetzten Polizeibeamten, innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG weder vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>; 88, 40 <45>; 93, 266 <288>; BVerfGK 5, 170 <171>).

2. Im Übrigen steht der Annahmefähigkeit der Verfassungsbeschwerde auch entgegen, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung der Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat.

a) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 – 2 BvR 225/16 -, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 – VerfGH 128/03 -, Rn. 20 f.; OLG Düsseldorf, StV 1983, S. 498; OLG Celle, NStZ 1997, S. 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 Ws 521/14 -, Rn. 15). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 – 1 Ws 242/03 -, Rn. 8), insbesondere, wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden nur für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das – anderenfalls notwendige – vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 15).

Ein Ermittlungserzwingungsantrag unterliegt als Sonderform des Klageerzwingungsantrages (vgl. Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2018, § 172 Rn. 19) jedenfalls insoweit grundsätzlich demselben Maßstab. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung daher bereits aus diesem Grunde unzulässig.

b) Darüber hinaus kommt statt der Klageerzwingung eine bloße Ermittlungserzwingung nur in engen Ausnahmefällen in Betracht (vgl. Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2018, § 175 Rn. 16 ff. m.w.N.).

aa) Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht aus rechtlichen Gründen verneint und deshalb den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht nicht aufgeklärt hat. In solchen Fällen kann das Oberlandesgericht ein auf Klageerzwingung gerichtetes Verfahren mit der Anordnung abschließen, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufzunehmen habe (vgl. OLG Koblenz, NStZ 1995, S. 50 <51>; Beschluss vom 4. November 2016 – 2 Ws 396/16 -, Rn. 6 m.w.N.; OLG Zweibrücken, GA 1981, S. 94 <95>; KG, NStZ 1990, S. 355; Graalmann-Scheerer, a.a.O., Rn. 16 m.w.N.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, weil die Staatsanwaltschaft letztlich nicht aus Rechtsgründen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen hat. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Kleve ihre Entscheidung formal – und in der Sache unzutreffend – darauf gestützt, dass gegen die an der Festnahme beteiligten Polizeibeamten schon kein Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO bestehe, gleichwohl aber zuvor Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht angestellt. Das zeigt insbesondere die Einholung eines forensisch toxikologischen Gutachtens und Nachfragen beim Obduzenten zu der (Mit-)Ursächlichkeit der Fixierung in Bauchlage et cetera, sodass es sich in der Sache um eine Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO handelt.

Dem entsprechen auch die Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf in ihrem Bescheid vom 11. Januar 2017. Sie führt dort aus, dass ungeachtet der bereits in dem toxikologischen Gutachten nachgewiesenen Kokain-Konzentrationen im Blut des Opfers, die im formal-toxischen Bereich lagen und geeignet waren, zu dem eingetretenen Kreislaufzusammenbruch zu führen, Kausalverlauf und Todeserfolg für die eingesetzten Beamten auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen und der Inaugenscheinnahme des Handyvideos nicht vorhersehbar waren. In Anbetracht der Gefahr die von dem Opfer ausging, seien die getroffenen Fahndungsmaßnahmen und die Festnahme auch unter Anwendung von Zwangsmitteln aufgrund der massiven Gegenwehr erforderlich und geboten gewesen, sodass von der Inaugenscheinnahme des Handyvideos durch die Obduzenten kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten sei.

bb) Soweit die Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund die Verletzung des aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Anspruchs auf effektive Strafverfolgung rügen, fehlt es sowohl an einer hinreichend substantiierten Auseinandersetzung mit den hierfür geltenden verfassungsgerichtlichen Maßstäben, als auch an einem den Verstoß belegenden Sachvortrag.

Grundlage des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung ist vor allem die staatliche Schutzpflicht für höchstpersönliche Rechtsgüter. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichten den Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren, wo dieser nicht selbst für ihre Integrität sorgen kann (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 2018 – 2 BvR 1550/17 -, Rn. 38). Ein Anspruch auf bestimmte einklagbare Maßnahmen ergibt sich aus diesem aber grundsätzlich nicht, weil die Rechtsordnung in der Regel keinen grundrechtlich radizierten Anspruch auf eine Strafverfolgung Dritter kennt (vgl. BVerfGE 51, 176 <187>; 88, 203 <262 f.>; BVerfGK 17, 1 <5>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 9. April 2002 – 2 BvR 710/01 -, Rn. 5; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2020 – 2 BvR 859/17 -, Rn. 20; stRspr).

Die Staatsanwaltschaft hat umfangreiche Ermittlungen dazu durchgeführt, inwieweit der Nachweis geführt werden kann, dass das Verhalten der an der Festnahme des Sohnes der Beschwerdeführer beteiligten Polizeibeamten (zumindest auch) todesursächlich war. Es ist nicht ersichtlich, dass die begehrten Ermittlungen oder Schlussfolgerungen geeignet wären, einen hinreichenden Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO – also die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung der Beschuldigten in einer Hauptverhandlung – zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 2018 – 2 BvR 1550/17 -, Rn. 21)…..“

BGH zur Pauschgebühr, oder: Antragsbegründung

© mpanch – Fotolia.com

Und eine Entscheidung gibt es dann heute auch, und zwar den BGH, Beschl. v. 14.7.2020 – 1 StR 277/17 – zu den Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr für den Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren.

Der BGH sagt: Dafür gibt es nichts (mehr):

„Der bereits vom Landgericht als Pflichtverteidiger der Angeklagten R. beigeordnete Antragsteller wurde mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 27. Juli2017 neben einem weiteren Pflichtverteidiger als Verteidiger der Angeklagten für die Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof bestellt. Am 7.November 2017 fand im ersten Rechtsgang eine Hauptverhandlung mit einer Dauer von einer Stunde und zehn Minuten vor dem Bundesgerichtshof statt, an der unter anderem neben dem weiteren Pflichtverteidiger auch der Antragsteller als Verteidiger der Angeklagten R. teilnahm. Im zweiten Rechtsgang wurden die von beiden Angeklagten eingelegten Revisionen im Beschlusswege verworfen.

Im nachfolgenden Vergütungsfestsetzungsverfahren hat das Landgericht auf Antrag des Antragstellers durch Beschluss vom 4. Juni 2018 dessen gesetzliche Gebühren und Auslagen für das erste Revisionsverfahren einschließlich einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4131, 4130 RVG-VV in Höhe von 603 € und einer Terminsgebühr gemäß Nr. 4133, 4132 RVG-VV in Höhe von 328 € auf insgesamt 1.849,41€ festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 8. April 2020 hat der Antragsteller die Bewilligung einer Pauschvergütung gemäß § 51 RVG für beide Revisionsverfahren (ein-schließlich der Hauptverhandlung) beantragt und zur Begründung ausgeführt, das Revisionsverfahren sei –insbesondere im ersten Rechtsgang–mit einem außergewöhnlich großen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden gewesen. Es sei um eine komplexe und schwierige Rechtsfrage und auch schwierige tatsächliche Fragen gegangen; zudem habe es sich um eine sehr schwierige Mandantschaft gehandelt, die einen hohen Erläuterungsbedarf gehabt habe. Durch Beschluss vom 30. April 2019 hat das Oberlandesgericht München eine Pauschvergütung für das gesamte Verfahren (erster und zweiter Rechtsgang) ausschließlich des Verfahrensabschnitts der Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof in Höhe von 10.000 € festgesetzt. Die Bundeskasse hat zu dem danach noch unbeschiedenen, die Haupt-verhandlung vor dem Bundesgerichtshof betreffenden Vergütungsantrag dahin Stellung genommen, dass für einen gerade mit der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren in Zusammenhang stehenden besonderen Aufwand des Antrag-stellers, der eine Pauschgebühr rechtfertigen könnte, nichts ersichtlich sei. Sie hat beantragt, den Antrag abzulehnen.

II.

1. Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs für die Entscheidung über die Bewilligung der vom Antragsteller geltend gemachten Pauschgebühr ist, weil der Bundesgerichtshof den Antragsteller für die Hauptverhandlung bestellt hat, gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 RVG eröffnet, soweit die Gebühr für die Hauptverhandlung im Revisionsverfahren des ersten Rechtsgangs (1 StR 277/17) geltend gemacht wird.

2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr für den Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren sind vorliegend nicht erfüllt.

a) Nach § 51 Abs.1 Satz 1 RVG ist dem in einer Strafsache gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das Verfahren oder einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine über die gesetzlichen Gebühren hinaus-gehende Pauschgebühr zu bewilligen, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Dies ist nur der Fall, wenn sich die anwaltliche Mühewaltung von sonstigen –auch über-durchschnittlichen–Verfahren so deutlich abhebt, dass dem Anwalt die gesetzlichen Gebühren als Vergütung seiner Tätigkeit auch in Anbetracht des gelten-den Prinzips der Mischkalkulation nicht zumutbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 –1 StR 492/15 Rn.5 mwN; BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober2008 –2 BvR 1173/08 Rn. 9 mwN; zum Prinzip der Mischkalkulation vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2007 –1 BvR 910/05 und 1 BvR 1389/05 Rn. 72 mwN). Die Bewilligung einer Pauschgebühr ist nach dem gesetzlichen Vergütungssystem auf Ausnahmefälle beschränkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2020 –1 StR 492/15 Rn. 5 mwN; vom 19. Januar 2017 –2S StR 549/15 Rn. 1 und vom 1.Juni 2015 –4 StR 267/11 Rn. 5). Entscheidend ist für die Bewilligung einer Pauschgebühr, ob die konkrete Strafsache umfangreich oder rechtlich schwierig war und sie deshalb eine zeit-aufwendige, gegenüber anderen Verfahren deutlich erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich gemacht hat. Zu berücksichtigen ist insoweit nur der Zeit-aufwand, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2020 –1 StR 492/15 Rn. 5 mwN und vom 1. Juni 2015 –4 StR 267/11 Rn. 5mwN);etwa angefallene Fahrt- und Reisezeiten sind ohne Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 –1S tR 492/15 Rn. 5 mwN).

b) Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr für den Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren liegen hier nicht vor. Der Antragsteller hat sich schon nicht dazu erklärt, wie hoch der ihm gerade im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren entstandene Aufwand im Einzelnen tatsächlich war. Er hat damit auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm ein Aufwand entstanden ist, der den üblicherweise für eine Hauptverhandlung im Revisionsverfahren anfallenden Aufwand in einem Maße übersteigt, dass dieser auch unter Berücksichtigung des dem Gesetz zugrundeliegenden Gedankens der gebührenrechtlichen Mischkalkulation nicht mehr mit den gesetzlichen Gebühren angemessen abgegolten ist. Dass es sich vorliegend um ein Revisionsverfahren gehandelt hat, in dem sich eine schwierige Rechtsfrage gestellt hat, und es sich zudem um eine schwierige Mandantin mit hohem Erläuterungsbedarf gehandelt haben mag, reicht zur Begründung der Voraussetzungen des § 51 Abs.1 Satz1 RVG nicht ohne Weiteres aus, zumal vorliegend unklar bleibt, welchen Aufwand dies dem Antragsteller gerade im Zusammenhang mit der Revisionshauptverhandlung tatsächlich verursacht hat. Zu berücksichtigen ist im Übrigen, dass die Hauptverhandlung im vorliegenden Fall mit einer Dauer von kaum mehr als einer Stunde nicht erheblich länger als eine durchschnittliche Hauptverhandlung gedauert hat, dass die rechtliche Aufarbeitung des Falles und der sich dabei stellenden revisionsrechtlichen Fragen auch und gerade durch die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren abgegolten ist, wobei insoweit bereits eine Pauschgebühr bewilligt wurde, und dass der Vorbereitungsaufwand für die Hauptverhandlung zwischen dem Antragsteller und dem weiteren für die Angeklagte bestellten Verteidiger aufgeteilt werden konnte.2

Die Entscheidung zeigt die Bedeutung einer vernünftigen Antragsbegründung. Wegen der Änderungen in den §§ 142, 350 StPO werden wir im Übrigen demnächst m.E. in „neuen Verfahren“ nichts mehr vom BGH zur Pauschvergütung lesen.

Einstellung I: Klageerzwingungsverfahren, oder: Nichts Neues aus Karlsruhe

© eyetronic – Fotolia.com

Heute ist in einigen Bundesländern Feiertag – Fronleichnam. Hier oben wird durchgearbeitet. Daher arbeite ich hier auch durch und es kommen ganz normal drei Postings. Thematik heute: Einstellung und alles, was damit zusammenhängt.

Und ich eröffne mit dem BVerfG, Beschl. v. 31.01.2020 – 2 BvR 2592/18 -, der mal wieder zu den Anforderungen an einen (zulässigen) Klageerzwingungsantrag Stellung nimmt. Die Entscheidung hat folgenden Sachverhalt:

„Du musst mehr tun“, oder: Dienstrechtliche Ermahnung eines Richters als versuchte Nötigung durch die Präsidentin?

© canstockphoto5259235

So, der letzte Arbeitstag der Vorkarnevalswoche ist eingeläutet. Aber bevor es dann ggf. hoch her geht, muss noch ein wenig getan werden. Und dazu stelle ich den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.01.2017 – 2 Ws 336/16. Mit ihm wird ein weiteres Verfahren abgeschlossen, mit dem sich der RiOLG Thomas Schulte-Kellinghaus gegen eine Ermahnung „seiner“ Präsidentin gewendet hatte, die ihn 2012 dazu aufgefordert hatte, seine Erledigungszahlen zu verbessern. Da hatte es dienstrechtliche Verfahren gegeben und eben auch ein Strafverfahren gegen die Präsidentin. Das hatte der ermahnte Richter „eingeleitet“. Er warf seiner Dienstherrin versuchte Nötigung vor (sehr schön dargestellt alles hier bei LTO).

Die StA hatte die Einleitung eines Strafverfahrens abgelehnt. Dagegen dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 StPO) des ermahnten Kollegen, den das OLG in dem o.a. Beschluss beschieden hat. Und – wie m.E. nicht anders zu erwarten: Der Antrag scheitert an der ([zu] hohen) Zulässigkeitshürde für diese Anträge. Dazu der Leitsatz des OLG – Rest gebe ich zum Selbststudium:

„Sieht ein Richter in einem – grundsätzlich zulässigen – Vorhalt und einer Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRiG eine versuchte Nötigung durch den Dienstvorgesetzten, umfasst die Darlegungsobliegenheit des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO auch die Mitteilung der in einem Widerspruchsbescheid enthaltenen Erwägungen des Dienstvorgesetzten sowie dessen Vorbringen in einem anschließenden gerichtlichen dienstrechtlichen Verfahren.“

Und das war es dann. Die dienstrechtlichen Verfahren sind allerdings noch nicht rechtskräftig.