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StGB I: Angeklagter gibt an: „Ich bin von der Polizei.“, oder: Ist der Eindruck staatlichen Handelns erweckt?

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Heute stelle ich dann drei StGB-Entscheidungen vor.

An der Spitze der BGH, Beschl. v. 29.03.2022 – 2 StR 426/21- zum Vorliegen eine Amtsanmaßung. Das LG hat de Angklagten u.a. wegen Amtsanmaßung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die Erfolg hatte.

„1. Die Verurteilung des Angeklagten in Fall 2 der Urteilsgründe wegen Amtsanmaßung in Tateinheit mit versuchter Nötigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach den Feststellungen wollte der alkoholisierte und unter dem Einfluss von Amphetamin stehende Angeklagte durch die Vorspiegelung, Polizist zu sein, Geld für den Erwerb von Drogen erlangen. Er trat an den vor einem Wohnhaus wartenden Zeugen F. heran, erklärte ihm bewusst wahrheitswidrig, von der Polizei zu sein und forderte ihn auf, ihm seinen Ausweis auszuhändigen. Der Zeuge ging davon aus, dass der Angeklagte, der einen „hibbeligen Eindruck“ machte, unter Drogen stehe. Er erwiderte, er glaube nicht, dass der Angeklagte von der Polizei sei. Der Angeklagte forderte ihn daraufhin auf, in ein in der Nähe geparktes Fahrzeug einzusteigen. Als der Zeuge auch dieser Aufforderung nicht nachkam, zog der Angeklagte sein T-Shirt hoch und zeigte dem Zeugen eine im Hosenbund steckende Spielzeugwaffe, die er wenige Zentimenter aus dem Hosenbund herauszog. Die Waffe wirkte auf den Zeugen echt, so dass er schockiert war und sich durch den Angeklagten bedroht fühlte. Kurz darauf fing der Angeklagte jedoch an zu lachen und fragte: „Sieht echt aus, oder?“ Ihm war bewusst geworden, dass er den Zeugen nicht würde täuschen und zu einer Ausweiskontrolle bewegen können. Er fragte den Zeugen sodann, ob dieser Drogen bei sich habe und ob er Pep oder Ecstasy kaufen wolle.

b) Gemäß § 132 StGB macht sich strafbar, wer als Inhaber eines öffentlichen Amtes auftritt und eine Handlung vornimmt, die den Anschein hoheitlichen Handelns erweckt ( § 132 Var. 1 StGB ) oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf ( § 132 Var. 2 StGB ).

Zwar ist es für die Tatbestandverwirklichung ohne Belang, ob im Einzelfall der Betroffene die fehlende Befugnis des Täters erkennt oder auf die vermeintlich amtliche Maßnahme reagiert (OLG Frankfurt, NJW 1964, 61, 63 [OLG Frankfurt am Main 06.03.1963 – 2 Ss 1192/62] ; OLG Stuttgart, NStZ 2007, 527, 528; Krauß in: LK-StGB, 13. Aufl., § 132 Rn. 4). Im Hinblick auf den Zweck der Strafvorschrift, die das Vertrauen der Allgemeinheit in die Autorität staatlichen Handelns schützen soll, hat eine Handlung jedoch mangels Gefährlichkeit keine Tatbestandserheblichkeit, wenn sie nach dem Verständnis eines unbefangenen Beobachters offenkundig so weit von normaler staatlicher Tätigkeit abweicht, dass der Eindruck staatlichen Handelns nicht erweckt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1993 – 4 StR 416/93 , BGHSt 40, 8, 12 f. ; Beschluss vom 15. März 2011 – 4 StR 40/11 , BGHSt 56, 196, 202 ; Krauß, aaO; Hohmann in: MüKo-StGB, 4. Aufl., § 132 Rn. 3 jeweils mwN). Angesichts der konkreten Umstände, insbesondere der erkennbaren Drogenbeeinflussung und des von allen Zeugen als „sehr auffällig“ beschriebenen Verhaltens des Angeklagten, hätte das Landgericht näher prüfen müssen, ob ein solcher Ausnahmefall vorlag.“

StGB I: Amtsanmaßung, oder: Geht das auch als Mittäter?

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In die 29. KW., starte ich mit zwei StGB-Entscheidungen zu StGB-Tatbeständen, mit denen mal als Verteidiger nicht unbedingt im Alltagsgeschäft zu tun hat.

Die Wocher eröffnet der BGH, Beschl. v. 14.04.2020 – 5 StR 37/20. Es geht um Amtsanmaßung nach § 132 Alt. 1 StGB.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in Tateinheit mit Amtsanmaßung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die der BGH nach § 349 Abs. 2 StPO verwirft. Er nimmt aber zur Frage der tateinheitlich begangenen Amtsanmaßung gem.§ 132 StGB Stellung:

„1. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte schloss sich spätestens Anfang Juni 2018 einer Tätergruppe an, deren Ziel es war, als „falsche Polizeibeamte“ Betrugstaten zum Nachteil älterer Menschen zu begehen. Dabei riefen Bandenmitglieder aus der Türkei bei den späteren Opfern unter Verwendung des sogenannten „Call-ID Spoofing“ an, welches es einem Anrufer ermöglicht, bei dem Angerufenen etwa die Telefonnummer „030 – 110“ anzeigen zu lassen und so den Eindruck zu erwecken, der Anruf komme von der Polizei. Der Anrufer gab sich – entsprechend dem mit dem Angeklagten gefassten Tatplan – als Polizeibeamter aus, warnte vor einem unmittelbar bevorstehenden Einbruch in die Wohnung der angerufenen Person und bot in bedrängender Weise an, zur Sicherheit Wertgegenstände und Bargeld der Polizei auszuhändigen. Diese sollten die Opfer an genau bezeichnete Orte außerhalb ihrer Wohnung legen oder aus dem Fenster werfen. Bereits in der Nähe befindliche Polizeibeamte würden die Wertsachen dann „sicherstellen“. Der Angeklagte war in allen hier verfahrensgegenständlichen Fällen als Abholer tätig und nahm die deponierten Wertsachen an sich; unmittelbaren Kontakt zu den Geschädigten hatte er nicht. Für seine Tätigkeit erhielt er absprachegemäß jeweils ein Drittel der Beute; im letzten Fall wurde er vor der Aufteilung der Beute festgenommen.

2. Diese Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen (gemeinschaftlicher) Amtsanmaßung nach § 132 Alt. 1 StGB i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB.

a) Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter als Inhaber eines öffentlichen Amtes auftritt und eine Handlung vornimmt, die den Anschein hoheitlichen Handelns erweckt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 4 StR 40/11, NJW 2011, 1979, 1980; Urteil vom 9. Dezember 1993 – 4 StR 416/93, BGHSt 40, 8, 11).

Im vorliegenden Fall haben sich die aus der Türkei agierenden Anrufer den Geschädigten gegenüber jeweils telefonisch als Polizeibeamte ausgegeben und sie zur Herausgabe von Wertsachen zwecks Sicherstellung durch Polizeibeamte aufgefordert. Dies stellt eine Amtsanmaßung durch die Anrufer dar (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2019 – 5 StR 51/19).

b) Auch wenn sich der Angeklagte nicht selbst gegenüber den Geschädigten als Polizeibeamter ausgegeben hat, ist ihm das Handeln der anrufenden Bandenmitglieder nach den Grundsätzen der Mittäterschaft zuzurechnen.

aa) Bei einer Tat nach § 132 Alt. 1 StGB ist eine Begehung in Mittäterschaft möglich; es handelt sich nicht um ein „eigenhändiges Delikt“ (zuletzt offengelassen von BGH, aaO Rn. 7 mwN).

(1) Ein eigenhändiges Delikt liegt vor, wenn der Täter nur durch sein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1954 – 2 StR 298/53, BGHSt 6, 226, 227 mwN). Die Rechtsprechung stellt für die Annahme solcher Delikte entscheidend darauf ab, dass das maßgebliche Unrecht weniger in der Gefährdung eines Rechtsguts als in eigenem verwerflichen Tun liegt (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 193). Für die Abgrenzung sind auch die Fassung des gesetzlichen Tatbestandes, der Zusammenhang der einschlägigen Gesetzesbestimmungen sowie deren Entstehungsgeschichte von Bedeutung (BGH, Urteil vom 7. September 1995 – 1 StR 236/95, BGHSt 41, 242, 243). Insbesondere differenzierte Regelungen über unterschiedliche Begehungsformen in verschiedenen Tatbeständen können für die Annahme eines eigenhändigen Delikts sprechen, wenn ansonsten das abgestimmte Regelungsregime des Gesetzgebers unterlaufen würde (BGH, aaO, S. 245).

(2) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei § 132 Alt. 1 StGB nicht um ein eigenhändiges Delikt:

Zweck des § 132 StGB ist der Schutz des Staates und seiner Behörden. Diesen droht Gefahr, wenn Unbefugte anderen gegenüber die öffentlichrechtlichen Funktionen eines von ihnen angeblich bekleideten Amtes in Anspruch nehmen und auf diese Weise der Schein amtlichen Handelns für Tätigkeiten erweckt wird, die in Wahrheit nicht unter der Kontrolle der staatlichen Organe zustande gekommen sind (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1993 – 4 StR 416/93, BGHSt 40, 8, 12 f. mwN; vgl. auch BGH, Urteile vom 16. Oktober 1952 – 5 StR 330/52, BGHSt 3, 241, 244, und vom 19. August 1958 – 5 StR 338/58, BGHSt 12, 30, 31). Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt in Form eines schlichten Tätigkeitsdelikts (vgl. LK-StGB/Krauß, 12. Aufl., § 132 Rn. 4; MüKo-StGB/Hohmann, 3. Aufl., § 132 Rn. 3, jeweils mwN).

Der Tatbestand beschreibt damit weniger ein höchstpersönliches sozialschädliches Verhalten, als vielmehr Handlungen, mit denen die abstrakte Gefährdung des Bürgervertrauens in die legitime Staatsmacht einhergeht (vgl. NK-StGB/Ostendorf, 7. Aufl., § 132 Rn. 9). Das maßgebliche Unrecht des § 132 StGB liegt in der Gefährdung des geschützten Rechtsguts, nicht in einem eigenhändigen verwerflichen Tun (vgl. Krauß, aaO Rn. 42; Hohmann, aaO Rn. 26; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 132 Rn. 17; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 132 Rn. 9; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 132 Rn. 12; SSW-StGB/Jeßberger, 4. Aufl., § 132 Rn. 14; Matt/Renzikowski/Dietmeier, StGB, 2. Aufl., § 132 Rn. 11; Geppert, Jura 1986, 590, 593; siehe auch zur Eigenhändigkeit LG Paderborn, NJW 1989, 178, 179). Systematische oder historische Gründe stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

Das Reichsgericht hat bei § 132 Alt. 1 StGB Mittäterschaft zunächst auch dann für möglich gehalten, wenn einer der Mitwirkenden mit Täterwillen nur an vorbereitenden Handlungen (Beschaffen von Uniformen und Rechnungsformularen) beteiligt war (vgl. RGSt 37, 55, 58). Soweit es später – allerdings ohne Begründung – davon ausgegangen ist, Täter von § 132 Alt. 1 StGB könne nur sein, wer sich selbst ein Amt anmaße (vgl. RGSt 55, 265, 266 f.; 59, 79, 81 f.; ebenso OGHSt 1, 305; SK-StGB/Stein/Rudolphi, 9. Aufl., § 132 Rn. 8), vermag der Senat dem aus den genannten Gründen nicht zu folgen.

bb) Die Anrufe der türkischen Bandenmitglieder sind dem Angeklagten, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, nach den Grundsätzen der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) zuzurechnen.

Maßgebliche Kriterien für Mittäterschaft sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. November 2018 – 5 StR 604/18, NStZ-RR 2019, 73).

Dem Angeklagten kam nach dem gemeinsamen Tatplan eine wichtige Rolle beim Vortäuschen amtlicher Ingewahrsamnahme von Wertgegenständen zu. Sein Tun war in das gemeinsame Handeln aller anderen Tatbeteiligten so eingepasst, dass alle Tatbeiträge zusammen der „Legende“ polizeilicher Sicherstellung dienten, die Ausdruck der Amtsanmaßung war. Ohne das von ihm bewirkte Abholen der Wertgegenstände war das Vortäuschen polizeilichen Handelns sinnlos. Erst das dem gemeinsamen Tatplan entsprechende Auftreten der Anrufer als Polizeibeamte sorgte – über die für § 263 StGB notwendige Täuschung hinaus – für den ganz erheblichen Druck, dem sich die Geschädigten ausgesetzt sahen und schließlich beugten. Aufgrund einer Beuteerwartung von einem Drittel hatte der Angeklagte zudem ein ganz erhebliches Interesse an der Tatbegehung.“

Her mit der PIN – ich bin Polizist…

© kennykiernan - Fotolia.com

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Auf den Satz der Überschrift: „Her mit der PIN – ich bin Polizist…“ lässt sich in etwa der Sachverhalt des BGH, Beschl. v. 09.08.2016 – 3 StR 109/16 – zusammen fassen. Es geht um die Verurteilung wegen Amtsanmaßung. Der Angeklagte hatte unter der Angabe, er sei Polizist, in Telefongesprächen mit den Opfern zuvor von ihm entwendeter EC- oder Kreditkarten vorgegeben, die Polizei habe die aufgefundenen Zahlungskarten routinemäßig sperren lassen, um so von den Geschädigten die entsprechende PIN in Erfahrung zu bringen. Das LG hatte ihn wegen Verstoßes gegen § 132 Alt. 1 StGB verurteilt. Der BGH sieht es genauso:

Insoweit belegen die Urteilsgründe nach ihrem Gesamtzusammenhang, dass der Angeklagte nicht nur in den drei Fällen, in denen die Strafkammer die Telefonate mit den Geschädigten wörtlich wiedergegeben hat, so aufgetreten ist, wie aus den Verschriftungen ersichtlich, sondern auch in den übrigen Fällen. Er befasste sich daher mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von  § 132 Alternative 1 StGB, indem er – ausdrücklich – auf seine angebliche Funktion als Amtsinhaber hinwies und sich so verhielt, als nehme er Aufgaben und Befugnisse der ihm verliehenen Amtsstellung – der eines Polizisten – wahr. Ent-gegen der Auffassung der Revision war auch schon eine allgemein gehaltene Kennzeichnung als Funktionsträger von Polizeigewalt ausreichend. Im Gegensatz zu § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der die Verwendung einer dem Täter nicht zukommenden förmlichen Amtsbezeichnung erfasst, wird § 132 StGB maßgeb-lich durch die missbräuchliche Ausübung einer sachlich angemaßten Amtsbefugnis bestimmt, ohne dass es dabei auf die förmliche Bezeichnung oder überhaupt auf eine ausdrückliche Hervorhebung von Namen und Art des öffentlichen Amts ankommt; insbesondere bedarf es keines Zugehörigkeitshinweises zu einer bestimmten Dienststelle (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3. April 2002 – 1 Ss 13/01, NStZ-RR 2002, 301, 302; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 132 Rn. 15; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 132 Rn. 4; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 132 Rn. 6; aA OLG Koblenz, Beschluss vom 9. März 1989 – 1 Ss 81/89, NStZ 1989, 268 mit ablehnender Besprechung Krüger, NStZ 1989, 477).

Der Angeklagte hat sich amtlich betätigt. Insoweit genügt es, dass sein Handeln nach außen als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit erscheint, wobei auf den Empfängerhorizont eines unbefangenen Dritten abzustellen ist (OLG Karlsruhe aaO; LK/Krauß aaO, Rn. 22 mwN). Abzugrenzen ist solches Handeln von einem rein privaten Auftreten oder erwerbswirtschaftlich-fiskalischer Tätigkeit; im Übrigen braucht es sich nicht um eine für den jeweiligen angeblichen Hoheitsträger zulässige Amtsausübung zu handeln (LK/Krauß aaO, Rn. 20 mwN). So verhielt es sich hier: Der Angeklagte behauptete in den Gesprächen, die Polizei habe die aufgefundenen Zahlungskarten – routinemäßig – sperren lassen, was sowohl im Rahmen der Fundsachenbearbeitung als auch zur Verhinderung von Straftaten in den Zuständigkeitsbereich der Polizeibehörden fallen kann. Durch das Angebot in Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse diese Sperrung wieder rückgängig zu machen, spiegelte der Angeklagte nicht nur vor, eine „soziale Gefälligkeit“ erbringen zu wollen, sondern vermittelte den Geschädigten, dass er – wenn auch in ihrem Interesse – sich amtlich betätigte.

Dass das Landgericht in diesen Fällen nicht auch eine Strafbarkeit wegen tateinheitlich begangenen versuchten Betrugs geprüft hat, beschwert den Angeklagten nicht.“

Ich bin immer wieder erstaunt, welche Tricks es gibt und dass darauf auch immer wieder schon Geschädigte dann auch noch hereinfallen.

Tatü, tata – hier kommt die Polizei – Verkehrserziehung der besonderen Art.

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Verkehrserziehung der besonderen Art hatte ein Angeklagter in Niedersachsen betrieben und war dafür wegen Amtsanmaßung nach § 132 Var. 2 StGB angeklagt worden. Der „Verkehrserzieher“ war im  im Dezember 2011 mit einem silberfarben lackierten Pkw der Marke Daimler-Benz, an dessen Fahrzeugseite jeweils blaue Streifen angebracht waren, in Hannover auf öffentlichen Straßen gefahren. Bei der Fahrt benutzte er mehrfach ein Blaulicht, das im Fahrzeuginneren an einer Halterung auf dem Armaturenbrett angebracht war, und täuschte so vor, ein Polizeibeamter im Einsatz zu sein, um andere Verkehrsteilnehmer zum Abstand zu mahnen und abzuschrecken. Aufgrund der Lackierung des Fahrzeugs und des Einsatzes des Blaulichts war das Verhalten des Angeklagten nach den Feststellungen des AG objektiv geeignet, den Eindruck der Verwendung eines Dienstfahrzeugs zu erwecken.

Das AG hat ihn wegen Amtsanmaßung verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des „Verkehrserziehers“ hatte keinen Erfolg. Der OLG Celle, Beschl. v. 26.09.2013 – 32 Ss 110/13 – hat sie verworfen. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung wegen Amtsanmaßung gem. § 132 Var. 2 StGB.

1. Die Begehensform der Vornahme einer Handlung, die nur kraft eines öffentlichen Amtes wahrgenommen werden darf, setzt nicht voraus, dass sich der Täter persönlich als Amtsträger ausgibt. Es reicht aus, wenn sich das Verhalten des Täters dem äußeren Anschein nach als hoheitlich darstellt (BGHSt 40, 8; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 132 Rn. 10 m. w. N.). Dafür ist maßgeblich, ob die Handlung aus Sicht eines objektiven Beobachters als hoheitliches Handeln erscheint und deswegen mit einer rechtmäßigen Amtshandlung verwechselt werden kann.

Bei Einsatz eines Blaulichts im Straßenverkehr kommt es für die Beurteilung des Verhaltens als seinem äußeren Anschein nach hoheitlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass ein Verkehrsteilnehmer aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung aus der Verwendung eines Blaulichts grundsätzlich auf eine hoheitliche Tätigkeit schließt. Denn der überwiegende Teil der nach § 52 Abs. 3 StVZO mit blauen Kennleuchten zulässigerweise ausgestatteten Fahrzeuge wird bei Einsatzfahrten i. S. d. § 38 StVO im Rahmen hoheitlichen Handelns eingesetzt (so auch KG Berlin, Urteil vom 9. Januar 2013 – (4) 121 Ss 247/12 (304/12) -, juris). Danach hätte es besonderer Umstände bedurft, die aus Sicht eines objektiven Beobachters ausnahmsweise eine hoheitliche Verwendung des Blaulichts ausschlossen. Hier wurde der Eindruck einer hoheitlichen Dienstfahrt mit einem Polizeifahrzeug jedoch zusätzlich gestützt durch die weiteren Feststellungen des Amtsgerichts zum äußeren Erscheinungsbild des Fahrzeugs, das silbergrau lackiert war und einen blauen Streifen an der Fahrzeugseite aufwies, der zudem bei Tatbegehung – anders als zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung – noch nicht mit einem Werbeschriftzug versehen war.“

Scheint übrigens kein Einzelfall zu sein. Das OLG weist auf den KG, Urt. v. 09.01.2013 – (4) 121 Ss 247/12 (304/12) – hin. Über den hatten wir im Februar 2013 auch bereits berichtet (vgl. Ta-Tü-Ta – hier komme ich: Die Fahrt des Privaten mit Blaulicht….).

Ta-Tü-Ta – hier komme ich: Die Fahrt des Privaten mit Blaulicht….

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Amtsanmaßung, also § 132 StGB, durch Fahrt mit blauem Blinklicht? Die Frage stellte sich in Berlin in einem Verfahren beim AG Tiergarten. Umfangreiche tatsächliche Feststellungen hatte das AG nicht getroffen. Es war davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit einem W-Bus die Bundesautobahn A 111 innerstädtisch befahren und dabei ein im Frontbereich des Fahrzeuges installiertes Blaulicht in Gang gesetzt zu hatte, um sich freie Fahrt zu verschaffen, obwohl ihm klar gewesen sei, dass dies nur in hoheitlicher Funktion erfolgen konnte. Darin hatte die Staatsanwaltschaft eine Amtsanmaßung gesehen. Das AG hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen frei gesprochen, weil aus dem Einsatz von Blaulicht nicht gefolgert werden könne, dass der Angeklagte sich als Hoheitsträger geriert habe, da das Setzen von Blaulicht nicht nur Hoheitsträgern überlassen und das Handeln des Angeklagten damit mehrdeutig gewesen sei.

Das hat dem KG nicht gereicht. Das  KG, Urt. v. 09.01.2013 – (4) 121 Ss 247/12 (304/12) – hat das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben. Es vermisst  eststellungen zu Zeit, Ort und Umständen der Fahrt, zu Art und Aussehen des Fahrzeugs, zu Form und Einsatzweise des blauen Blinklichts und zu den Auswirkungen seines Einsatzes auf etwaige andere Verkehrsteilnehmer fehlen.

„Solche Feststellungen waren auch nicht deshalb ausnahmsweise entbehrlich, weil eine Verurteilung wegen Amtsanmaßung in keinem Fall in Betracht gekommen wäre. Zwar geht der Tatrichter zutreffend davon aus, dass nach § 52 Abs. 3 StVZO auch Kraftfahrzeuge mit Kennleuchten für blaues Blinklicht – als Rundumlicht (Satz 1) bzw. mit Hauptabstrahlrichtung nach vorne (Satz 2) – ausgestattet sein können, deren Halter privatrechtlich organisiert sind, und dass folglich auch Private blaues Blinklicht unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 StVO einsetzen. Dies rechtfertigt jedoch ohne nähere Würdigung der – nicht festgestellten – Umstände des Einzelfalls nicht die generelle Verneinung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Amtsanmaßung.

 Im – hier allein in Betracht kommenden – Fall der Amtsanmaßung nach der 2. Alternative des § 132 StGB ist strafbarkeitsbegründend die Vornahme einer Handlung, die nur der Inhaber eines öffentlichen Amtes vornehmen darf. Es kommt darauf an, ob die vorgenommene Handlung im Rahmen der sie begleitenden Umstände bei einem objektiven Betrachter den Anschein hoheitlichen Handelns hervorruft und deswegen mit einem solchen Handeln verwechselbar ist. Erfasst werden auch Handlungen, die zwar auch von Privatpersonen vorgenommen werden dürfen, aber unter äußeren Umständen erfolgen, die sie als Ausübung hoheitlichen Handelns erscheinen lassen und deshalb den Anschein einer Amtshandlung hervorrufen (vgl. BGHSt 40, 8 (13); Krauß in LK-StGB 12. Aufl., § 132 Rdn. 28 f.). Die Tatsache, dass auch Privatpersonen unter bestimmten Voraussetzungen blaues Blinklicht einsetzen dürfen, ist für sich allein daher nicht geeignet, den Tatbestand einer Amtsanmaßung auszuschließen. Der Tatrichter hätte insoweit berücksichtigen müssen, dass der überwiegende Teil der nach § 52 Abs. 3 StVZO mit Kennleuchten für blaues Blinklicht ausgestatteten, zu Einsatzfahrten nach § 38 Abs. 1 und 2 StVO berechtigten Fahrzeuge im Rahmen hoheitlichen Handelns eingesetzt wird und daher der erste Anschein auch aus Sicht eines objektiven Betrachters für ein solches Handeln spricht. Er hätte weiter Feststellungen dazu treffen müssen, ob das von dem Angeklagten genutzte Fahrzeug seinem äußeren Erscheinungsbild nach den Anschein eines Unfallhilfswagens der Verkehrsbetriebe (x) als des in xx tätigen öffentlichen Verkehrsbetriebs oder des Fahrzeugs einer nach § 5 Rettungsdienstgesetz Berlin im Rahmen von Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransports tätigen Hilfsorganisation oder anderen privaten Einrichtung und damit einer nicht im Rahmen hoheitlichen Handelns erfolgenden Einsatzfahrt zu erwecken geeignet war oder aber nach Form und Farbe gerade Ähnlichkeit mit einem Einsatzfahrzeug z.B. der Polizei oder Feuerwehr aufwies und damit den Eindruck hoheitlichen Handelns noch verstärkte. Wäre der Tatrichter zu dem Ergebnis gekommen, dass das Fahrzeug des Angeklagten insoweit das neutrale Erscheinungsbild eines Privatwagens vermittelt, so hätte er erwägen müssen, dass die Anbringung von Kennleuchten für blaues Blinklicht an einem Privatwagen für einen objektiven Betrachter den Eindruck erwecken kann, es handele sich um ein Zivilfahrzeug der Polizei, das das Blinklicht im Rahmen einer Einsatzfahrt und damit hoheitlichen Handelns verwendet.“