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Sexualdelikt III: Sexuelle Handlung, oder: Ambivalente Handlungen mit Körperkontakt

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In der dritten Entscheidung mit Sexualbezug, dem BGH, Urt. v. 21.09.2016 – 2 StR 558/15 – (zu den beiden anderen Entscheidungen s. Sexualdelikt I, oder: Sexueller Missbrauch mit Fieberthermoter, Daumen und Zäpfchen und Sexualdelikt II: Allein gewaltsames Entfernen von Kleidung noch keine sexuelle Handlung) geht es um die Frage, inwiefern es sich bei vom LG festgestellten Handlungen des Angeklagaten an den Geschädigten mit Körperkontakt um sexuelle im Sinne von § 184f Nr. 1 StGB a.F. (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) handelte. Im Einzelnen waren folgende Handlungen „im Streit“:

„Im Sommerurlaub 2007 äußerte sich der Angeklagte der Geschädigten gegenüber wiederholt dahin, dass sie den Körper einer Frau habe und sich gar nicht bewusst sei, welche Reize sie aussende. Dabei fasste er ihr ans Gesäß oder an die Brust. Als das Mädchen daraufhin ihren Vater anrief und vergeblich darum bat, abgeholt zu werden, bestand der Angeklagte auf einer „Versöhnung“, wobei die Geschädigte sich auf seinen Schoß setzen musste. Bei einem nachfolgenden Schwimmbadbesuch umarmte der nur mit einer Badehose bekleidete Angeklagte die mit einem Bikini bekleidete Geschädigte, um sich durch den dadurch entstehenden Kontakt sexuell zu erregen. Er umfasste ihre Taille und zog sie so nah an sich, „dass entsprechend seiner Absicht direkter Kontakt zwischen ihren unbekleideten und bekleideten Körperpartien zu seinen nackten Oberschenkeln und seinem nackten Oberkörper und insbesondere an ihrem Unterleib der unmittelbare und deutlich spürbare Kontakt zu seinem Penis entstand“ (Fall 2).

In den Osterferien 2008 fuhr die zur Tatzeit 13 Jahre alte S. , die ebenfalls mit der Tochter des Angeklagten befreundet war, mit der Familie des Angeklagten in den Skiurlaub. Während eines gemeinsamen Schwimmbadbe-suchs griff der Angeklagte in sexuell motivierter Absicht von hinten in die Badehose des Mädchens und berührte ihr nacktes Gesäß. Zur Intensivierung der Berührung hob er sie, ihr nacktes Gesäß umfassend, in die Höhe (Fall 3).

Bei einer weiteren Gelegenheit während des Osterurlaubs trat der Angeklagte in der Nacht an das schlafende Mädchen heran, führte seine Hand unterhalb des Hosenbeins in ihre Schlafanzughose ein und streichelte ihr nacktes Gesäß. Als die Geschädigte erwachte, veränderte sie – während der Angeklagte sie weiterhin am Gesäß streichelte – scheinbar schlafend die Körperposition, so dass der Angeklagte von ihr abließ (Fall 4).“

Dazu der BGH, der die Gelegenheit nutzt, noch einmal zur „sexuellen Handlung“ Stellung zu nehmen:

1. Der dafür erforderliche sexuelle Bezug liegt in allen Fällen vor. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst bei solchen Handlungen der Fall, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049 mwN). Daneben können auch sog. ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein; insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Hierbei ist auch einzustellen, ob der Angeklagte von sexuellen Absichten geleitet war (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister; Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, NStZ-RR 2008, 339, 340; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 3f.; Eisele in: Schönke/ Schröder, 29. Aufl., § 184g Rn. 9 mwN zur Gegenansicht).

Ungeachtet dessen, ob die jeweils ohne einen besonderen situativ bedingten Anlass vorgenommenen Handlungen des Angeklagten in den Fällen 2 („Umarmung“) sowie 3 und 4 der Urteilsgründe (Streicheln des nackten Gesäßes) bereits von ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Sexualbezogenheit erkennen ließen (vgl. zum Legen eines Blasen- und Analkatheters BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10, 12), ergibt sich deren Sexualbezug vorliegend jedenfalls aus der den Angeklagten leitenden Motivation, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049 mwN).

2. Die Handlungen überschritten indes nur in den Fällen 3 und 4 der Ur-teilsgründe auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184f Nr. 1 StGB aF. Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24. Sep-tember 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Lackner/Kühl/Heger, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW-StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.).

Die sexuelle Selbstbestimmung ist am ehesten bei Kontakt an Geschlechtsorganen verletzt. Abhängig von der Einwirkungsintensität im Einzelfall können aber auch Berührungen an anderen Körperregionen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten. Als maßgebliche Umstände für die vorzunehmende Bewertung kommen neben der Intensität und Dauer des Kontakts auch etwaige begleitende Handlungen, wie Berührungen des Körpers, das Verhältnis zwischen Täter und Opfer und die konkrete Tatsituation in Betracht (vgl. Branden-burgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 1 Ss 70/09, NStZ-RR 2010, 45, 46). Zu berücksichtigen ist auch, dass bei einem dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern dienenden Tatbestand, die Anforderungen geringer sein können. Das Erheblichkeitsmerkmal ist entsprechend im Sinne des § 176 StGB auszulegen, der dem Ziel dient, Kinder vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch sexuelle Handlungen zu schützen (BGH, Urteil vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 340; Senat, Beschluss vom 6. Juli 1983 – 2 StR 350/83, StV 1983, 415; BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553). Letztlich sind aber auch bei diesem Tatbestand nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen, die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (BGH, Be-schluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553).

2. a) Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von dem Angeklagten an der Geschädigten S. vorgenommenen Handlungen in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe erheblich im vorstehenden Sinne. Sie bestanden nicht nur in flüchtigen oder „zufälligen“ Berührungen bekleideter Körperregionen. Vielmehr handelte es sich in beiden Fällen um gezielte körperliche Berührungen des Mädchens in Badebekleidung bzw. im Schlafanzug. Zwar stellt das Gesäß weder ein primäres noch sekundäres Geschlechtsmerkmal dar. Wie aber auch das Berühren der nackten weiblichen Brust wird das Streicheln des nackten Gesäßes aber gemeinhin jedenfalls dann nicht als sozialübliche Berührung wahrgenommen, wenn es von einem erwachsenen Mann gegenüber einem 13 Jahre alten Mädchen erfolgt. Das nicht nur kurzzeitige Streicheln des entblößten Gesäßes durch Einführen der Hand in die Kleidung des erst 13-jährigen Mädchens lässt daher unter Berücksichtigung der beschriebenen allgemeinen Tatsituation eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbe-stimmung des Mädchens besorgen und stellt daher auch eine erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184f Nr. 1 StGB dar.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das fortschreitende Alter eines Kindes keineswegs stets zu einer Reduzierung der Erheblichkeit bestimmter Hand-lungen führt. So werden Handlungen wie das Eincremen am ganzen Körper oder das Streicheln an Brust oder Gesäß bei kleinen Kindern oft keine beein-trächtigende Wirkung haben; bei denselben Handlungen an einem pubertieren-den 13-jährigen Kind wird eine Beeinträchtigung regelmäßig naheliegen.

b) Die Feststellungen tragen indes nicht die Annahme der Erheblichkeit der „Umarmung“ im Fall 2 der Urteilgründe. Zwar wurden entblößte Körperteile der Geschädigten an den Angeklagten gedrückt; zudem bestand ein spürbarer Kontakt zum Penis des Angeklagten. Das reicht aber für sich genommen nicht aus, denn zum einen konnten weder zur Dauer und Intensität der Handlung Feststellungen getroffen werden, zum anderen hält sich eine Berührung unbekleideter Körperteile bei einer kurzen Umarmung in situationsadäquater Badebekleidung im Rahmen des Üblichen.“

Na ja. Mit dem Fall 2 habe ich so meine Probleme.