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Vergütungsvereinbarung: U.a. „Zeittaktklausel“ und „Reisezeitklausel“ unwirksam

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Als zweite gebührenrechtliche Entscheidung bringe ich dann das LG Köln, Urt. v. 24.01.2018 – 26 O 453/16. Es geht in dem umfangreichen Urteil – immerhin 29 Seiten – um die Wirksamkeit von AGB einer Rechtsanwaltskanzlei. Ich greife aus der Entscheidung, in der es um eine ganz Reihe von Klauseln geht, mal zwei Punkte heraus, und zwar einmal die „Zeittaktklausel“, die lautete

„Für die unter Nr. 1 genannten Tätigkeiten (= außergerichtliche und gerichtliche) der Auftragnehmer wird vereinbart, dass anstelle der gesetzlichen Gebühren eine Vergütung i.H.v. 190,00 Euro je Stunde durch den Auftraggeber an die Auftragnehmer zu zahlen ist. Hinzu kommt jeweils die gesetzliche MwSt.

Abgerechnet wird in Viertelstundenschritten, ein Viertel des vereinbarten Stundensatzes wird für jede angefangene 15 Minuten berechnet, wobei der Zeitaufwand minutengenau erfasst wird.“

und dann eine „Reisezeitklausel“, die lautete u.a.:

„Reisezeiten werden zur Hälfte als Arbeitszeiten abgerechnet. …“

Beide Klauseln – neben anderen – gefallen dem LG nicht, und zwar:

Zur Zeittaktklausel:

„Die Klausel ist in Absatz 2 wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB sowohl gegenüber Verbrauchern als auch Unternehmern unwirksam. Denn die Klausel verletzt das Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (grundlegend OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2010, 24 U 183/05). Die Parteien haben vorliegend eine Preisabrede von 190,00 € pro Stunde getroffen, welche an sich keiner Inhaltskontrolle unterliegt (§ 307 Abs. 3 BGB), so dass bezüglich der in Absatz 1 getroffenen, von der Klägerin insoweit auch nicht angegriffenen Regelung kein Unterlassungsanspruch besteht. Bei Anwendung der vorgenannten, als Preisnebenabrede anzusehenden und damit auch kontrollfähigen Klausel gemäß Absatz 2 kann es aber entgegen der vereinbarten Preisberechnung pro Stunde dazu kommen, dass auch im Falle einer Tätigkeit von 4 x 1 Minute – sofern diese Tätigkeiten jeweils außerhalb eines 15-Minuten-lntervalles liegen – der komplette Stundensatz fällig wird. Einschränkungen betreffend die Abrechnung sind nicht vorhanden, so dass bei jeder anwaltlichen Tätigkeit, auch wenn diese nur einige Sekunden andauert, für den Mandanten Kosten von je 47,50 € anfallen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die typische Bearbeitung eines Mandates durch einen Rechtsanwalt bei einer derartigen 15-Minuten-lntervall-Abrechnung zu einer erheblichen Mandantenbenachteiligung führt. Regelmäßig erfordert die anwaltliche Tätigkeit neben aufwändiger rechtlicher Prüfung, und zeitintensiver Wahrnehmung von Gerichtsterminen oder Mandantenbesprechungen auch kurze Telefonate, die Anfertigung von Notizen oder Vermerken u.s.w., so dass in einer Vielzahl von Fällen die Vergütung der Beklagten, gerechnet auf die Minute, deutlich über dem Stundensatz von 190,00 € liegt. Im Hinblick auf die Möglichkeiten moderner Zeiterfassung ist eine genauere Zeittaktung auch zumutbar und möglich. Für die Beklagte ergibt sich zudem der Anreiz, Tätigkeiten über den Tag zu verteilen, anstatt diese innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraumes zu erbringen. Angesichts der Höhe des Stundensatzes sowie des Umstandes, dass viele Tätigkeiten eines Rechtsanwaltes nur eine kurze Zeit in Anspruch nehmen, wäre für eine Zulässigkeit einer 15-Minuten-Taktung erforderlich, dass derartige Tätigkeiten (wie ein 30-sekündiger-Anruf oder das Anfertigen eines kurzen Vermerkes binnen 1 oder 2 Minuten) nicht gesondert mit 47,50 € berechnet werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch nicht erheblich, in wie vielen Fällen, gemessen an der Gesamtabrechnung, die Beklagte von der Zeittaktklausel tatsächlich Gebrauch macht. Die Klausel ermöglicht zum einen eine wissentliche Aufblähung des Zeitaufwandes. Zum anderen führt sie entgegen dem Anschein, der Mandant zahle 190,00 € pro Stunde…..“

Und zur „Reisezeitklausel“:

„Es ist dagegen im Hinblick darauf, dass Reisezeiten zur Hälfte als Arbeitszeiten vergütet werden sollen, unter Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht hinreichend klar, ob die Reisezeiten nach Nr. 2 oder Nr. 3 der Mandatsbedingungen zu vergüten sind. Die Höhe der anfallenden Kosten ist daher vollkommen unüberschaubar. Anhaltspunkte dafür, dass eine übersichtlichere, eindeutigere Regelung nicht möglich ist, hat die Kammer nicht. Der 2. Absatz der Klausel ist gegenüber Verbrauchern sowie Unternehmern wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Regelung sieht entgegen § 664 Abs. 1 S. 1, 2 BGB keine Gestattung durch den Mandanten vor, einem Dritten das Mandat zu übertragen. Dies gilt auch in Bezug auf die „Hinzuziehung fachkundiger Dritter“, zumal insofern nach dem Wortlaut keine bloßen Hilfstätigkeiten (wie Schreibtätigkeiten) gemeint sind. Im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zwischen der Beklagten und dem Mandanten ist vor der „Heranziehung“ von anderen Rechtsanwälten oder fachkundigen Dritten, eine Gestattung durch den Mandanten erforderlich. Zu berücksichtigen ist, dass ein Mandatsverhältnis in besonderem Maße von dem Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant geprägt ist. Je nach Art und Umfang des Mandates variiert naturgemäß das Interesse des Mandanten an der Vertraulichkeit. Da die Regelung ersichtlich darauf gerichtet ist, dass Personen außerhalb der Beklagten in das Mandat einbezogen werden, ist im Hinblick auf die vorgenannten Umstände die vorherige Zustimmung des Mandanten erforderlich. Alleine der Umstand, dass – sofern erforderlich Verschwiegenheitserklärungen eingeholt werden, ändert daran nichts, weil der Mandant gleichwohl ein Interesse daran haben kann, persönliche Belange nicht weiteren Personen zur Kenntnis zu geben. Eine abstrakte, allgemeine Zustimmung zu jedweder zukünftigen Einbeziehung Dritter ist insofern unvereinbar mit den gesetzlichen Regelungen zum Auftragsverhältnis.

Die Klausel ist auch überraschend i.S.v. § 305c BGB, insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Übertragung des Mandates auf andere Rechtsanwälte ermöglicht wird. Während der Mandant ggf. noch mit der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Privatgutachters rechnen kann, ist regelmäßig nicht ersichtlich, wieso der die Beklagte beauftragende Mandant damit rechnen muss, dass in der Folge ein anderer Rechtsanwalt (ggf. aus einer anderen Kanzlei) das Mandat bearbeiten soll. Zudem ist es intransparent und überraschend, wenn die der Beklagten zukommende Berechtigung zur Heranziehung Dritter unter der Überschrift „5. Auslagen“ aufgeführt und mithin „versteckt“ wird.“

Das Urteil wird sicherlich nicht rechtskräftig 🙂 .