Schlagwort-Archive: AG Prenzlau

Manche lernen es nie I, oder: Warum will die Zentrale Bußgeldstelle „angewiesen“ werden?

entnommen wikimedia.org Urheber KarleHorn

entnommen wikimedia.org
Urheber KarleHorn

Der Kollege Katzorke aus Chemnitz hat mir den AG Prenzlau, Beschl. v. 22.08.2016 – 21 OWi 485/16 – übersandt. Er behandelt mal wieder die Frage der (Akten)Einsicht in Messdaten pp. im Bußgeldverfahren. Man sollte ja meinen, dass dazu alles gesagt ist, aber offenbar dann doch nicht bzw. die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg möchte es vom AG hören bzw. von dem „angewiesen“ werden. Man fragt sich, was das soll. Aber, wer nicht hören will, muss eben fühlen – ggf. bei den Kosten/Auslagen des Betroffenen, wenn das auch nicht viel ausmacht:

„1. Dem Betroffenen steht ein Auskunftsanspruch hinsichtlich von Reparaturen, Wartungen, Eingriffen und ähnliches bei einem Messgerät nach der letzten Eichung vor dem Messtag zu, da sich hieraus möglicherweise Ansatzpunkte für etwaige Fehlfunktionen des Gerätes aufgrund von Defekten ergeben können, welche allein durch unversehrte Eichsiegel und Sicherungsmarken am Messtag nicht ausgeschlossen werden könnten (vgl. OLG Naumburg DAR 2016, 215). Insoweit ist die Polizei des Landes Brandenburg, welcher die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg zugeordnet ist, als Verwenderin des Messgerätes auch nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 Mess- und Eichgesetz verpflichtet, Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder-sonstige Eingriffe am Messgerät aufzubewahren.

Des Weiteren hat der Betroffene außerhalb der Hauptverhandlung einen Anspruch auf Einsicht in sämtliche Messdateien des Messgerätes von dem Messtag und der Messörtlichkeit. Zwar sind solche Messdateien, die ausschließlich andere Verkehrsteilnehmer betreffen, keine Bestandteile der Akte bezüglich des gegen den Betroffenen geführten Verfahren und handelt es sich auch nicht um amtlich verwahrte Beweisstücke (OLG Düsseldorf NJW-Spezial 2015, 586). Allerdings ist aus dem Gebot des fairen Verfahrens gegenüber der Bußgeldbehörde auch ein Anspruch auf Einsicht in diese Dateien gegeben, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen oder solche vorgetragen sind, weil jedenfalls nicht schlechthin auszuschließen ist, dass sich aus den anderen Daten Entlastungsmomente in Gestalt von möglichen Fehlfunktionen des Messgerätes ergeben könnten. Zwar hat die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg eine solche Einsichtnahme nicht abgelehnt, aber nur in den Räumen der Behörde selbst angeboten. Demgegenüber sind allerdings vorliegend im konkreten Fall aufgrund der Entfernung des Kanzleisitzes des Verteidigers zu den Räumen der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg und dem dann mit einer dortigen Einsichtnahme durch den Verteidiger verbundenen Aufwand im Hinblick auf die doch gerade im Vergleich mit Strafverfahren geringere Bedeutung von Verkehrsordnungswidrigkeiten die Messdateien an den Verteidiger zu übersenden.“

Man könnte auch sagen: Manche lernen es nie, wenn man es liest.

Messung mit Leivtec XV2 – AG Prenzlau zum Anfangsverdacht

Der Kollege Glienke hat mir das von ihm erstrittene Urteil des AG Prenzlau v. 31.05.2010 – 21 OWi 383 Js-OWi 41493/09 (504/09) überlassen; herzlichen Dank. Das Verfahren endete mit einem Freispruch des Mandanten vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit einer Messung mit Leivtec XV2 festgestellt worden sein sollte. Das AG verneint einen Anfangsverdacht, und zwar u.a. wie folgt:

Nach dem Inhalt des eingesehenen Teils der Videoaufzeichnung steht für das Gericht allerdings nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Messbeamte die Aufzeichnungen auf Grund von konkreten Tatsachen auslöste, dass der Fahrzeugführer möglicherweise eine Geschwindigkeitsüberschreitung begeht. Vielmehr drängte sich auf, dass er zu großen Teilen Aufzeichnungen nur wegen eines bloßen Verdachts ohne erforderliche Anhaltspunkte anfertigte.“

Ein schönes Beispiel dafür, wie man nach der Entscheidung des BVerfG v. 05.07.2010 (vgl. hier und hier) – das Urteil des AG Prenzlau stammt aus der Zeit vorher – sich mit dem Anfangsverdacht auseinandersetzen kann/muss