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Widerruf eines mehrstufigen Anwaltsvertrages, oder: (Keine) Anwendbarkeit des FernabsatzG

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Und als zweite Entscheidung dann das AG Mannheim, Urt. v. 23.06.2023 – 17 C 1517/23 – zum Widerruf eines Anwaltsvertrages mit Vergütungsvereinbarung.

Der Kläger, ein Rechtsanwalt/Verteidiger, verlangt von der Beklagten die Zahlung von restlichem Anwaltshonorar für die strafrechtliche Verteidigung der Tochter der Beklagten. Die Beklagte macht mit der Widerklage die Rückzahlung eines Vorschusses geltend.

Am 5. oder 6.09.2022 wurde der Kläger von der Beklagten telefonisch mit der Verteidigung ihrer minderjährigen Tochter in einem Ermittlungsverfahren der beauftragt. Hierzu wurde unter anderem ein Stundenhonorar in Höhe von 300,00 EUR zzgl. 19 % MwSt. vereinbart. Ferner wurde vereinbart, dass der Beklagten nach Akteneinsicht ein Pauschalhonorar angeboten wird und sie einen Vorschuss von 892,50 EUR brutto zu zahlen hat. Dieser wurde auch ausgeglichen.

Nachdem Akteneinsicht gewährt und der Arbeitsaufwand abgeschätzt werden konnte, wurde mit der Beklagten am 16.12.2022 in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers eine Pauschalhonorarvereinbarung für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren über 1.700,00 EUR zzgl. 19 % MwSt. und Auslagen getroffen. Rechengrundlage für die Höhe des Pauschalhonorars war das zuvor vereinbarte Stundenhonorar. Unter Berücksichtigung des Aktenumfangs (255 Seiten), der administrativen Tätigkeiten, der notwendigen Abstimmung mit Kollegen (mehrere Beschuldigte), der ausführlichen Besprechung mit der Beklagten und deren Tochter sowie des Aufwands für die Erstellung der Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft wurde ein Gesamtaufwand zwischen 5 und 7 Stunden geschätzt.

Mit Schreiben vom 17.12.2022 wurde der Beklagten die Abrechnung übersandt. Nach Abzug des bereits geleisteten Vorschusses verblieb ein Rechnungsbetrag in Höhe von 1.168,58 EUR. Dieser Restbetrag war bis spätestens zum 30.12.2022 auszugleichen, da bis zum 6.1.2023 die Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft hätte abgegeben werden müssen. Nachdem die Zahlungsfrist ohne Zahlungsausgleich verstrich, wurde das Mandat vom Kläger mit Schreiben vom 6.1.2023 niedergelegt.

Der Kläger hat sich im Verfahren zur Begründung seiner (Rest)Forderung auf die in seinen Kanzleiräumlichkeiten geschlossene Vergütungsvereinbarung vom 16.12.2022 gestützt. Es liege – so der Kläger – ein gestreckter bzw. mehrstufiger Vertragsschluss vor, der nicht ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden sei. Die eigentliche Beratung in der Sache sei erst an diesem Tag im Rahmen des persönlichen Gesprächs erfolgt. Schließlich liege bei ihm kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vor.

Die Beklagte hatte sich demgegenüber darauf berufen, dass sie, nachdem der Rechtsberatungsvertrag unter ausschließlicher Nutzung von Fernkommunikationsmitteln mit der Beklagten als Verbraucherin geschlossen worden sei, ein Fernabsatzwiderrufsrecht habe. Sie hätte zudem auch belehrt werden müssen, was hier noch nicht der Fall sei, so dass die Widerrufsfrist frühestens nach einem Jahr und 14 Tagen ablaufe. Dementsprechend widerrufe sie sämtliche, auf Abschluss eines Rechtsberatungsvertrages gerichtete Willenserklärungen. Danach habe der Kläger auch den bezahlten Vorschuss zurück zu gewähren. Ein späterer persönlicher Kontakt, eine spätere nochmalige Beauftragung und ähnliches heile den ursprünglichen Verstoß nicht. Der Kläger sei tätig geworden, habe Vorschuss gefordert und Akteneinsicht genommen. Es habe sich gerade nicht um eine bloße Voranfrage oder Terminsanfrage gehandelt. Hätte sie vor dem ersten persönlichen Treffen vom Vertrag Abstand genommen, hätte der Kläger sicherlich auf einem Vertragsschluss bestanden und den entstandenen Arbeitsaufwand abgerechnet.

Das AG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das AG führt aus:

„Die zulässige Klage ist begründet, während die zulässige Widerklage unbegründet ist.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.168,58 € aus §§ 611 Abs. 1, 675 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Anwaltsvertrag.

Der zwischen den Parteien zustande gekommene Anwaltsvertrag stellt einen mehrstufigen Vertrag dar, bei dem nicht ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet wurden. Damit konnte die Beklagte den Vertrag nicht nach den Regeln über Fernabsatzverträge widerrufen.

Zwar ist der als Mandatsvertrag bezeichnete Anwaltsvertrag vom 05.09.2022 zwischen den Parteien zunächst unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln gemäß § 311 c BGB zustande gekommen. Das Erstgespräch fand telefonisch statt und die Vollmacht vom 06.09.2022 sowie der unterzeichnete Mandatsvertrag vom 05.09.2022 wurden per E-Mail versandt.

Allerdings wurde die „ergänzende Vergütungsvereinbarung“ vom 13.12.2022 bei persönlicher Anwesenheit beider Parteien in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers unterzeichnet. Diese Vergütungsvereinbarung ist nach Auffassung des Gerichts kein eigenständiger Vertrag, sondern als Teil des Anwaltsvertrags vom 05.09.2022 zu qualifizieren. Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung als „ergänzende Vergütungsvereinbarung“ sowie aus dem Einleitungssatz, wonach sie „in Ergänzung des Mandatsvertrags mitsamt Vergütungsvereinbarung vom 05.09.2022″ vereinbart wurde. Der Kläger hat im Rahmen der Klageschrift zudem nachvollziehbar vorgetragen, dass die Rechengrundlage für die Höhe des Pauschalhonorars in der ergänzenden Vergütungsvereinbarung das zuvor vereinbarte Stundenhonorar gewesen sei. Außerdem wird bereits im Mandatsvertrag vereinbart, dass nach erfolgter Akteneinsicht dem Auftraggeber – also der Beklagten – ein Pauschalhonorar angeboten werden wird. Gegen die Annahme eines eigenständigen Vertrags spricht auch, dass die „ergänzende Vergütungsvereinbarung“ nicht alle essentialia negotii enthält. So fehlt insbesondere der Auftragsgegenstand, welcher lediglich im Mandatsvertrag bezeichnet wird.

Somit ist der Anwaltsvertrag in seiner Gesamtheit, das heißt unter Berücksichtigung der dazugehörigen Pauschalvergütungsvereinbarung, nicht unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden. Denn die hinsichtlich des Pauschalhonorars seitens der Beklagten abgegeben Willenserklärungen ist in Form einer Unterschrift im Rahmen eines persönlichen Kontakts in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers erfolgt.

Schließlich spricht auch das Gesamtbild des streitgegenständlichen Anwaltsvertrags nicht für die Annahme eines einheitlichen Fernabsatzvertrags. Denn die Konkretisierung der vertraglichen Leistung ist im Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 16.12.2022 erfolgt. Dementsprechend ist die Konkretisierung der Leistung und ggf. die gesamte Leistungserbringung gerade nicht fern-kommunikativ erfolgt — wie etwa im Rahmen einer Rechtsberatung über eine „Anwalts-Hotline“ (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312c Rn. 17).

Der Vortrag der Beklagten überzeugt nicht. Sie meint, der spätere Abschluss einer Vergütungs-vereinbarung ändere nichts daran, dass die ursprüngliche Beauftragung unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt sei und sie insoweit nicht belehrt worden sei. In diesem Fall wären die ursprüngliche Beauftragung in Form des Anwaltsvertrags und die spätere Vergütungs-vereinbarung zwei voneinander zu unterscheidende eigenständige Verträge. Danach könnte zwar der Anwaltsvertrag als Fernabsatzvertrag widerrufen werden, die später geschlossene Vergütungsvereinbarung bliebe jedoch als eigenständiger Vertrag bestehen und diente dem Kläger weiter als Rechtsgrundlage für seine Forderung. Dementsprechend bleibt die Beklagte die Beantwortung der Frage, was bei Zugrundelegung ihrer Auffassung mit der Vergütungsvereinbarung passiert, die unstreitig nicht unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurde, schuldig.

Im Ergebnis ist die „ergänzende Vergütungsvereinbarung“ entweder ein Teil des Anwaltsvertrags, der dann nicht ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurde und dann nicht widerrufen werden kann, oder sie ist eine eigenständige Vereinbarung, die bei Widerruf des Anwaltsvertrags wirksam bleibt und den Kläger berechtigt, das vereinbarte Pauschalhonorar zu fordern. Das Gericht bevorzugt aus den bereits genannten Gründen die erste Auffassung. Letztlich führen jedoch beide zum gleichen Ergebnis, dass der Kläger einen Anspruch auf das vereinbarte Pauschalhonorar abzüglich des bereits geleisteten Vorschusses besitzt.“

AG II: Betäubungsmittel aus dem Darknet, oder: Auch der TOR-Browser reicht nicht für einen hinreichenden Tatverdacht

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Bei der zweiten AG-Entscheidung handelt es sich um den AG Mannheim, Beschl. v. 25.04.2018 – 1 Ls 805 Js 21014/15. Problematik: Mal wieder die Frage des hinreichenden Tatverdachts bei Bestellungen von Betäubungsmitteln im Darknet. Dazu gibt es ja bei mir inzwischen eine ganze Sammlung.

Auch das AG Mannheim hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, und zwar mit folgender Begründung:

„Die Eröffnung war abzulehnen, da ein hinreichender Tatverdacht nicht besteht.

Ein hinreichender Tatverdacht ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass es in einer Hauptverhandlung zu einer Verurteilung des Angeschuldigten kommen wird.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Täterschaft des Angeschuldigten wird nicht nachgewiesen werden können.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des ZFA Berlin-Brandenburg konnte der gesondert Verfolgte pp. als Inhaber des silk-road-Accounts pp. ermittelt werden, Er überließ den Ermittlern eine Aufstellung von angeblichen Betäubungsmittelerwerbern.

In dieser Aufstellung ist folgender Datensatz enthalten:

pp.

Straße

0,5 Gramm Koks

verschickt am 13.05.

per Standardbrief

Einen persönlichen Kontakt zwischen dem gesondert verfolgten pp. und dem Erwerber pp.  gab es nicht. Damit kann nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei dem Besteller der 0,5 Gramm Kokain tatsächlich um den Angeschuldigten pp. handelte. Im Betäubungsmittelbereich ist es durchaus üblich Fremdpersonalien, mit oder ohne Wissen des Betroffenen, zu verwenden.

Die angebliche Lieferung von 0,5 Gramm Kokain wurde per Standardbrief verschickt. Damit ist nicht nachvollziehbar, wer die Sendung in Empfang genommen hat und ob diese überhaupt abgeschickt wurde.

Wie sich aus einem Lichtbild des Anwesens pp.Straße auf google-streetview ergibt, handelt es sich hierbei um einen Gebäudekomplex mit mehreren Wohneinheiten. Die Briefkastenanlage befindet sich im Eingangsbereich vor der Abschlusstür und ist insoweit frei zugänglich. Es handelt sich insgesamt um mindestens 30 Briefkästen.

Vor diesem Hintergrund wird nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können, dass der Angeschuldigte als Benutzer MP 0,5 Gramm Kokain von dem gesondert verfolgten pp. bezogen hat. Mithin fehlt es an einem hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich der Tat Ziffer 8.

Aus dem Ausgeführten ergibt sich jedoch, dass auch hinsichtlich der Taten 1 bis 7 eine Verurteilung des Angeschuldigten nicht zu erwarten ist. Der Nachweis, dass er die Person war, die als Nutzer pp. die Betäubungsmittel erworben und erhalten hat, wird nicht geführt werden können.

Die elektronischen Endgeräte des Angeschuldigten wurden seitens der Polizei ausgewertet. Auf keinem der Geräte befanden sich relevante Dateien (Schuldnerlisten oder ähnliches). Soweit auf dem noch sichergestellten PC des Angeschuldigten ein TOR-Browser installiert ist, vermag dies ebenfalls einen Tatverdacht nicht zu begründen.

Zwar ist der TOR-Browser erforderlich, um sich in das sogenannte Darknet einzuwählen.

Allerdings ist es mittlerweile so, dass dieser Browser sogar über seriöse Webseiten (z.B. Chip.de) zum download angeboten wird, damit der interessierte Nutzer sich einen Einblick in das Darknet verschaffen kann. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass beabsichtigt ist, rechtswidrige Taten zu begehen, ist nicht statthaft.

Mithin wird in einer Hauptverhandlung der Nachweis nicht geführt werden können, dass der Angeschuldigte als pp. bei den Verkäufern pp. und pp. Betäubungsmittel bestellt und erhalten hat.“

Dank an den Kollegen T.Abel aus Mannheim für die Übersendung der Entscheidung.

Terminsverlegung, oder: Da hat noch mal einer die Kurve gekriegt bzw: Der macht das nie wieder so…

entnommen openclipart.org

Und auch die zweite Sache, die ich heute hier vorstellen möchte, hat ihren Ausgang in einer Diskussion unter Verteidigern. Es geht ebenfalls um eine Terminsverlegung, und zwar in einem Bußgeldverfahren wegen einer Abstandsunterschreitung. Der Betroffene ist Arzt und hat an zu dem terminierten Zeitpunkt OP-Termine, die Verteidigerin hat einen Arzttermin mit ihrer minderjähringen Tochter. Der Verlegungsantrag wird abgelehnt. Dagegen die Beschwerde und ein Befangenheitsantrag, über den dann jetzt das AG Mannheim im AG Mannheim, Beschl. v. 06.03.2018 – 32 OWi 500 Js 30963/17 – entschieden hat. Der Befangenheitsantrag wird abgelehnt, aber:

„Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nähme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgebend ist dabei der Standpunkt eines vernünftigen Betroffenen und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (so ausdrücklich OLG Frankfurt vom 03.01.2012 – 2 WS 166/11 – m.w.N., zitiert nach juris). Geht es, wie vorliegend, um die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung, ist dabei zunächst davon auszugehen, dass die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet, weil diese nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist es jedoch dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (Brandenburgisches OLG vom 13.11.2014 – 10 WF 113/14 zitiert nach juris).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, könnte bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung und Gesamtbetrachtung des Sachverhalts zunächst ein solcher Ausnahmefall in Betracht gekommen sein, da der abgelehnte Richter bei – der tatsächlich gegebenen Unlesbarkeit des per Fax übermittelten Auszugs aus dem Terminkalender des Betroffenen – die Verteidigung hierauf hätte hinweisen und eine lesbare Kopie anfordern können. Weiter hätte der abgelehnte Richter die Verteidigerin um nähere Konkretisierung des vorgetragenen Arztbesuchs der minderjährigen Tochter der Verteidigerin bitten können.

Allerdings hat der abgelehnte Richter nach Kenntnisnahme der mit Schriftsatz vom 05.02.2018 eingelegten Beschwerde mit Beschluss vom 06.02.2018 den Termin vom 07.02.2018 mit der Begründung „Verhinderung eines Beteiligten“ aufgehoben. Dieser Umstand zeigt, dass der abgelehnte Richter sich im Ergebnis der Argumentation der Verteidigung angeschlossen hat und es ihm mit der ursprünglichen Entscheidung, die beantragte Terminsverlegung abzulehnen, nicht darum ging, das Grundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren zu missachten. Der Beschluss, mit dem der Termin vom 07.02.2018 aufgehoben wurde, belegt vielmehr, dass der abgelehnte Richter gegenüber dem Betroffenen keine innere Haltung eingenommen hat, die bei verständiger Würdigung des Gesamtsachverhalts Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit von Richter Ppp. begründen. Falls tatsächlich aufgrund der ursprünglich abgelehnten Terminsverlegung bei dem Betroffenen Anhaltspunkte vorlagen, die dem Betroffenen unter dem Gesichtspunkt des § 24 StPO Anlass zur Sorge hätte bieten müssen, sind diese jedenfalls durch die am 06.02.2018 erfolgte Terminsverlegung ausgeräumt.“

Wenn ich es richtig lese/deute: Der Befangnheitsantrag wäre wahrscheinlich erfolgreich egwesen, wenn der Richter den Hauptverhandlungstermin nicht doch aufgehoben hätte. Also inosfern „die Kurve (noch) gekriegt“. Und die Worte des Kollegen sind dann doch recht deutlich. Von daher: „Der macht das nie wieder…“. Hoffentlich.

„AG Mannheim und das Ende des standardisierten Messverfahrens?“

entnommen wikimedia.org Urheber KarleHorn

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Gerade ist der VUT-Newsletter 14/2016 „über die Ticker“ gelaufen. Der hat die o.a. Überschrift. In dem Newsletter geht es noch einmal um den AG Mannheim, Beschl. v. 29.11.2016 – 21 OWi 509 Js 35740/15 –, den ich hier ja auch schon vorgestellt hatte (vgl. Mal wieder Poliscan Speed, oder: Verstoß gegen Bauartzulassung = keine Verurteilung/Einstellung).

Dazu verweise ich dann jetzt auch auf den VUT-Newsletter mit weiterführenden Hinweisen. In dem Newsletter heißt es:

„Das AG Mannheim hat vor kurzem in einem Beschluss (Beschl. v. 29.11.2016 Az.: 21 OWi 509 Js 35740/15) den Messgeräten der PoliScan-Familie die Eignung als standardisiertes Messverfahren abgesprochen. Grundlage des Beschlusses war vor allem auch der Umstand, dass sich das Gericht nicht zu einer eigenen Beweisführung im Stande sah, da entscheidende Sachverhalte – auch nach Befragung von Hersteller und PTB – nicht aufgeklärt werden konnten.

In unserer aktuellen Stellungnahme zum Beschluss des AG Mannheim setzen wir uns nicht nur mit der zutreffenden Argumentation des Gerichts, den korrekten technischen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen und den widersprüchlichen Aussagen der PTB in diesem Verfahren auseinander, sondern auch und vor allem mit der Frage:

Ist dies das Ende des standardisierten Messverfahrens?

Unsere Stellungnahme mit der überraschenden Antwort und den Beschluss des AG Mannheim finden Sie, wie immer, in der Infothek auf unserer Website als kostenlosen Download.“

Vielleicht kann man ja als Verteidiger mit der Stellungnahme der VUT etwas anfangen 🙂 .

Mal wieder Poliscan Speed, oder: Verstoß gegen Bauartzulassung = keine Verurteilung/Einstellung

Poliscan Speed - RadarMal wieder Poliscan Speed. Dieses mal aber nicht ein OLG, das die Messmethode „gesund betet“, sondern – nur 🙂 – ein AG, das die Messung mit Poliscan Speed eben nicht einer Verurteilung zugrunde legen will. Begründung u.a.: Ich kann das Messverfahren nicht überprüfen. Dazu führt das AG Mannheim im AG Mannheim, Beschl. v. 29.11.2016 – 21 OWi 509 Js 35740/15  – erstritten vom Kollegen O. Knapp, Oberursel aus:

„Eine weitere mögliche Fehlerquelle erfordert ebenfalls die Beurteilung mehrerer Messungen über die Einzelmessung hinaus.

Nach Auffassung vieler Oberlandesgerichte gibt die Prüfung und Zulassung durch die PTB die Sicherheit, dass eine zuverlässige Messung erfolgt. Es gibt jedoch Umstände, die den Sachverständigen Dipl. Phys. K. zu keiner Antwort auf die Frage veranlasste, ob angesichts dieser noch zu erörternden Umstände er die Korrektheit der Messweribildung bejahen könnte.

Die Messwertbildung findet dergestalt statt, dass die vom LIDAR – Messwertaufnehmer auf-genommenen Rohdaten im Messrechner zunächst als einzelne Objektpunkte zu Objekten, also Fahrzeugmodellen gebündelt werden. Sie werden innerhalb des Messbereichs ver¬folgt, um die Fahrzeuggeschwindigkeit zu ermitteln. Für jedes Fahrzeug ergibt sich dabei als Geschwindigkeitsmesswert eine mittlere Geschwindigkeit im Messbereich.

Dabei sind die Objektpunkte gemessene Werte, die Entfernungswerte der daraus gebildeten Objekte berechnete Werte.

Der implantierte Messalgorithmus, über den die Messwertbildung erfolgt, betrachtet dabei den Messbereich, den die Bauartzulassung mit 20 bis 50 Meter angibt. Im Vorfeld und Nachfeld werden jedoch ebenso Rohdaten erfasst, die Eingang in die Messwertbildung finden, indem sie, vom Messalgorithmus nicht dahingehend geprüft sind, ob sie im Messbereich erfasst wurden und erst dort zu Objekten gebündelt wurden. Das bedeutet, das Gerät prüft im zugelassenen Messbereich nicht, ob originäre Messwerte ( Weg – und Zeitangaben } oder bereits veränderte, geglättete, angepasste oder korrigierte Daten zur Messwertbildung beitragen. Wie bereits ausgeführt, konnte der Vertreter der PTB die Frage, ob diese Art der Messwertbildung korrekt ist und zuverlässige Ergebnisse erbringt, mit anderen Worten, wie sich diese Tatsache tatsächlich auswirkt oder auswirken kann, nicht beantworten.

Sie widerspricht jedenfalls der Bauartzulassung, wenn dort ausgeführt wird, dass außerhalb des Messbereichs detektierte Objektpunkte bei der Messwertbildung nicht berücksichtigt werden.

Um die Größenordnung der Abweichungen, die vorkommen, zu nennen: die PTB gab diese im Juni 2016 mit 0,5 bis 1 Meter an, der Sachverständige Dipl., Ing. B. fand in der hier gegenständlichen Messreihe bei 5,2 Prozent der Messungen Abweichung über 50 Metern und bei 53 Prozent der Messungen Unterschreitung der 20 Meter. Die bis bekannte höchste Abweichung betrug 2,68 Meter.

Dies bedeutet im Ergebnis, das Messgerät entspricht nicht der Bauartzulassung in wesentlichen Teilen, nämlich der Messwertermittlung. Oder umgekehrt, das Gerät misst anders als in der Bauartzulassung beschrieben.

Daraus ergibt sich auch, dass bei jeder einzelnen Messung zu prüfen ist, ob die zur konkreten Messwertbildung beitragenden Rohdaten die Bedingungen der Bauartzulassung einhalten oder nicht.

Diese Umstände wecken Zweifel, insbesondere, da es weder dem sachverständigen Zeugen Dr. F. von der Firma Vitronic noch dem Sachverständigen Dipl Phys. K. gelang darzutun, ob und wenn ja, inwieweit die Abweichungen Einfluss auf den ermittelten Messwert haben.

Bedenklich erscheint die Aussage der PTB: „ Die in der Falldatei enthaltenen Rohdaten stellen Hilfsgrößen dar. Eine Auswertung dieser Hilfsgrößen kann für eine externe, nachträgliche Plausibilisierung des geeichten Geschwindigkeitsmesswerts herangezogen werden. Diese nachträgliche Plausibilisierung darf aber nicht überbewertet werden, denn die Hilfsgrößen bzw. eine Auswertung der Hilfswerte und die damit verbundenen Fehlereinflüsse wurden einerseits nicht im Rahmen der Bauartzulassung geprüft und bewertet        

Selbst bei gültigen Messungen ist es denkbar, dass der mittels Rohdaten bestimmte Geschwindigkeitsmesswert mehr als die Verkehrsfehlergrenzen vom geeichten Geschwindigkeitswert abweicht.

Wie ausgeführt, tragen diese Rohdaten zur Messwertbildung bei ( entgegen der Bauartzulassung).

Abschnitt 11 zu EO 18 – 11 limitiert die Verkehrsfehlergrenzen.§ 37 Abs. 2 MessEG führt § 13 Abs. 1 EO fort, Danach endet die Eichfrist unbeschadet der Ursache und Häufigkeit der Nichteinhaltung der Verkehrsfehlergrenzen.

Solange die PTB die im Raum stehenden Fragen nicht hinreichend beantwortet, ist dem Gericht eine Entscheidung nicht möglich.“

Schauen wir mal, wie es weitergeht.