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Akteneinsichtspotpourri – von Karlsruhe über Kassel nach Lübben, oder: Geht doch!

 © hati - Fotolia.com

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In meinem Blogordner haben sich einige Entscheidungen zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren angesammelt, die ich in der letzten Zeit von Kollegen übersandt bekommen habe. Damit sie nicht „zu alt“ werden, bringe ich sie heute mal in einem Überblick – einem Akteneinsichtspotpourri. Es sind Entscheidungen quer durch die Republik, und zwar der:

1. Im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Verteidiger das Recht auf Einsicht in die gesamte Messreihe einschließlich der entsprechenden Datensätze. Das gilt auch dann, wenn sich diese nicht in der Akte, sondern bei der Bußgeldbehörde befinden. Datenschutzrechtliche Bedenken stehen der Einsicht in die gesamte Messreihe nicht entgegen.

2. Die Einsicht in die vollständige Messreihe kann dem Verteidiger durch Übersendung einer Kopie der Datensätze auf einem von ihm zur Verfügung zu stellenden Datenträger gewährt werden. Ggf. ist ihm der dazugehörige öffentlichen Schlüssel/Token zur Verfügung zu stellen.

  • AG Karlsruhe, Beschl. v. 29.12.2015 – 14 OWi 465/15 – der auf den OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.05.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 – verweist und im Übrigena ausführt: „Auf eine mögliche Beiziehung des Messfilms erst im gerichtlichen Verfahren muss sich der Verteidiger nicht verweisen lassen, sondern kann – gegebenenfalls unter Beauftragung eines Sachverständigen – durch die Betrachtung aller Aufnahmen ermitteln (lassen), ob die Möglichkeit konkreter Messfehler besteht und diese sodann in einem Beweisantrag substantiieren.“
  • AG Lübben, Beschl. v.19.01.2016 – 40 OWi 6/16 E, der dem Verteidiger des Betroffenen ebenfalls hat ein weites Recht auf Akteneinsicht einräumt, das sich auf alle Akten, Aktenteile und weiteren Unterlagen oder Datenträger bezieht, auf die der Vorwurf gegen den Betroffenen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird. Auch das AG Lübben hat keine datenschutzrechtlichen Bedenken, „denn technisch sollte es ohne Weiteres möglich sein, hier Vorkehrungen zu treffen, z.B. indem die Kennzeichen und Gesichter der weiteren Betroffenen abgedeckt werden, was bei Beifahrern bisher auch so gehandhabt wird.

Kein Ausreißer 🙂 dabei. Geht also.

Fehlende Frontlinie führt nicht zum Freispruch – sondern nur zum SV-Gutachten

Wir hatten neulich über eine Entscheidung des AG Lübben berichtet, das eine Geschwindigkeitsmessung mit eso ES 3.0 als unverwertbar angesehen hatte, weil die sog. „Fotolinie“ fehlte (vgl. hier).

Inzwischen hat die Problematik das OLG Brandenburg beschäftigt. Dieses hat in seinem Beschl. v. 03.06.2010 – 2 Ss (OWi) 110 B/10 – eine gleich lautende Entscheidung des AG Lübben zu der Problematik aufgehoben und ausgeführt, dass das Tatgericht bei Zweifeln an der Richtigkeit eines Geschwindigkeitsmessergebnisses für Sachaufklärung sorgen und nicht unmittelbar freisprechen darf. Der Freispruch druch das AG wegen Fehlens der sog. Fotolinie beim Aufbau einer Messstation sei aufzuheben, wenn das Tatgericht die Unverwertbarkeit des Messergebnisses an diesem konkreten Umstand festmacht und diese Erkenntnisse aus einer selbständigen Analyse des Aufbaus der Messstation gewonnen haben will. Zwar könen sich das Gericht grundsätzlich auf seine eigene Sachkunde zur Klärung von Beweisfragen beziehen, es müsse das Ergebnis seiner Erwägungen aber immer auf Grundlage einer für die Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung tragfähigen Begründung bilden. Drängt sich lediglich der Verdacht einer Fehldokumentation auf, müsse das Gericht dies zum Anlass nehmen, eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich der Relevanz der mutmaßlichen Fehlerquelle und seiner Auswirkung auf das Messergebnis mittels eines Sachverständigengutachtens in die Wege zu leiten.

Fazit: In den Fällen soll also wohl die Einholung ein SV-Gutachtens erforderlich sein. Ggf. muss der Verteidiger das beantragen und wegen der m.E. nicht beachteten Vorgaben der Bedienungsanleitung immer auch die Frage des Toleranzwertes problematisieren.

Geschwindigkeitsmessung mit ES 3.0 – Fehlen der Fotolinie – Unverwertbarkeit der Messung

Das AG Lübben hatte vor kurzem die Verwertbarkeit einer mit dem Geschwindigkeitsmessgerät ES 3.0 durchgeführten Geschwindigkeitsmessung zu beurteilen. Das AG hat in seinem Beschl. v. 16.03.2010 – 40 OWi 1321 Js 2018/10 (58/10) – Unverwertbarkeit angenommen, wenn die vom Hersteller in der Bedienungsanleitung geforderte Fotolinie nicht vorhanden sei. Dann sei nicht klar erkennbar, ob es sich bei dem gemessenen Fahrzeug tatsächlich um das Betroffenenfahrzeug handelt und ob die gemessene Geschwindigkeit im Einklang mit der Fotodokumentation vom Betroffenenfahrzeug steht. Die Messung sei dann unverwertbar. Auch sonst war das AG mit der Messung nicht zufrieden. Es sei nämlich nicht erkennbar gewesen, ob bei der vorliegenden Dokumentation überhaupt der Bereich abgebildet worden sei, durch den an irgendeiner Stelle die Fotolinie verlaufe. Insgesamt also: Messung als zu leicht empfunden. Der Betroffene wird sich freuen.

AG Lübben, Beschl. v. 16.03.2010 – 40 OWi 1321 Js 2018/10 (58/10)

Und noch einmal zur (Un)Verwertbarkeit von Poliscan, jetzt das AG Lübben

Derzeit ist das Messverfahren PoliscanSpeed in der Diskussion. Nach dem AG Dillenburg und dem AG Mannheim hat nun auch das AG Lübben in seinem Beschl. v. 22.01.10 – 40 OWi 1511 Js 33710/09 – 348/09 zur Unverwertbarkeit Stellung genommen und sie bejaht. Obergerichtliche Entscheidungen liegen bislang noch nicht vor, werden aber sicherlich nicht mehr lange auf sich warten lassen (zu den Fehlerquellen des Verfahrens s.a. Winninghoff/Weyde/Hahn, Wietschorke DAR 2010, 106).

Beweisverwertungsverbot bei Providamessung – so entscheidet AG Lübben

Mal wieder eine Entscheidung zum Beweisverwertungsverbot. Das AG Lübben hat in seinem Beschluss v. 01.12.2009 – 40 OWi 1611 Js 29636/08 (313/08) die mit Provida gefundenen Ergebnisse für unverwertbar gehalten und ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Es tut sich also eine Menge in dem Bereich.