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Auf das Argument muss man erst mal kommen…

AusrufezeichenAls ich den AG Lemgo, Beschl. v. 11.02.2014 – 24 Ds-44 Js 120/13-67/13 – gelesen habe, habe ich an einer Stelle gedacht: Auf das Argument muss man erst mal kommen bzw. Bezirksrevisoren überraschen dann doch immer wieder – wahrscheinlich nicht nur mich. Gestritten wird um die Reisekosten in einer amtsgerichtlichen Sache – Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung. Der Angeklagte, der frei gesprochen worden ist, hatte sich eine Verteidigerin am sog. „dritten Ort“ genommen, die also ihren Sitz weder am Wohnsitz des Angeklagten noch am Sitz des Gerichtsortes Lemgo hatte. Die angemeldeten Reisekosten der Verteidigerin vom Kanzleiort in Bad Salzuflen bis zum Gerichtsort in Lemgo in Höhe von 45,20 € sowie die Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 € hatte der Bezirksrevisor als nicht notwendig und damit nicht erstattungsfähig bestritten.

Damit ging es u.a. um die Frage: Besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Angeklagtem und Verteidigerin. Und in dem Zusammenhang hatte der Bezirksrevisor u.a. wie folgt argumentiert:

„Die Verteidigerin hätte nur durchschnittliche Gebühren angemeldet. Daher habe sie insofern auch dem Strafverfahren nur eine durchschnittliche Bedeutung gegeben. Die angemeldeten Rechtsanwaltsreisekosten seien als Mehrkosten einer auswärtigen Verteidigerin nicht notwendig und nicht erstattungsfähig. Gleiches gelte für die Aktenversendungspauschale, die bei Beauftragung eines Lemgoer Verteidigers nicht entstanden wäre.“

Ja, richtig gelesen: Es werden nur die Mittelgebühren geltend gemacht, deshalb hat das Verfahren nur durchschnittliche Bedeutung und rechtfertigt nicht die Beauftragung des Verteidigers am „dritten Ort“. Das AG hat es – zum Glück – anders gesehen.

„Generell ist m. E. der o. g. Entscheidung des Landgerichts Detmold insofern zuzustimmen, als für eine Beauftragung in einem – gewöhnlichen – Verfahren ohne besondere Bedeutung auch dann keine Zuziehung eines auswärtigen Anwalts notwendig ist, wenn eine Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Verteidiger besteht. Auch ein „allgemein guter Ruf“ des auswärtigen Rechtsanwalts kann nicht notwendigerweise zu einer Erstattung der Auslagen des auswärtigen Rechtsanwalts führen. Andererseits erklärt der Beschluss des Landgerichts Detmold aber, dass „die Gesamtumstände des Falles“ zu würdigen sind.

Diese Würdigung der Gesamtumstände führt hier nach Überzeugung des Sachbearbeiters zu einem anderen Ergebnis. Der Rechtsanwältin ist nach Aktenlage Recht zu geben, dass das Verfahren komplex und schwierig war. Der Vorhalt des Bezirksrevisors, dass die Verteidigerin selbst nur jeweils die Mittelgebühr bei der Kostenrechnung angesetzt habe und das Verfahren deshalb so überdurchschnittlich schwierig und bedeutend nicht sein könne, trifft nicht, da – als ebenfalls zu berücksichtigende Kriterien bei der Feststellung der Angemessenheit der Gebühren – z. B. der Gesamtumfang der Akte nur 90 Seiten hat und die objektive Bedeutung des Tatvorwurfs der gefährlichen Körperverletzung auch nach allgemeiner Rechtsmeinung nur mittelschwer wiegt (allgemein wertmindernde Kriterien; demgegenüber stehen für die Bedeutung des Verfahrens eine Termindauer von 3 1/2 Stunden und die Anhörung von insgesamt 6 Zeugen bei drei Angeklagten als werterhöhende Kriterien). Außerdem kann eine mögliche Bescheidenheit bei der Geltendmachung der Vergütung nicht objektives Kriterium dafür sein, welche Bedeutung und Schwierigkeit das Verfahren für den Betreffenden hatte und wie sehr er auf eine anwaltliche Hilfe angewiesen war, die sein Vertrauen genoss.“

M.E. zutreffend: Denn sonst müsste man ja dazu aufrufen, dass der Verteidiger, um die Bedeutung der Sache zu unterstreichen, immer möglichst über der Mittelgebühr liegen Gebühren anmelden sollte/muss. Ich möchte den Aufschrei nicht hören. Nun, vielleicht hat der Bezirksrevisor es auch gar nicht so gemeint, wie es sich liest  🙂 .

Anmerkung: Der Beitrag läuft noch mal. Bei der ersten Version hatte es einen technischen Fehler gegeben.

Zweimal eingestellt – zweimal Befriedungsgebühr?

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Folgender gebührenrechtlicher Sachverhalt:

Gegen die Angeschuldigte war wegen fahrlässiger Körperverletzung bei einem Verkehrsunfall ein Ermittlungsverfahren anhängig. Dieses wurde am 02.09. 2008 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil kein Strafantrag gestellt war und ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht ersichtlich war. Nachdem sich am 10.09. 2008 der Verletzte als Nebenkläger gemeldet hatte und ein Unfallrekonstruktionsgutachten in Auftrag gegeben worden war, wurden die Ermittlungen am 09. 10. 2008 wieder aufgenommen. Unter dem 22. 9. 09 klagte die StA die Angeschuldigte dann vor dem AG. Dieses lehnte die Eröffnung der Hauptverhandlung ab; die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Der Verteidiger machte im Rahmen der Kostenerstattung gegenüber der Staatskasse zwei Befriedungsgebühren nach Nr. 4141 VV RVG geltend. Der Rechtspfleger hat im Kostenfestsetzungsbeschluss nur eine Befriedungsgebühr angesetzt.

Frage: Richtig?
Antwort im AG Lemgo, Beschl. v. 16.04.2012 – 25 Ds – 41 Js 1894/08 – 542/09: Ja, denn die Gebühr Nr. 4141 VV RVG kann nur einmal entstehen. Nachzulesen hier.

Meine Stellungnahme: Nur bedingt richtig, denn es kommt darauf an.

  1. Sieht man im Strafverfahren das vorbereitende Verfahren und das gerichtliche Verfahren als dieselbe Angelegenheit an, hat das AG das richtige Ergebnis gefunden. Denn dann folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, dass in derselben Angelegenheit der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal fordern kann. Selbst wenn also die Nr. 4141 VV RVG zweimal entstanden ist/wäre, kann sie nur einmal gefordert werden.
  2. Sieht man hingegen das vorbereitende und das gerichtliche Verfahren als verschiedene Angelegenheiten an, dann kann in jeder dieser Angelegenheiten die Nr. 4141 VV RVG entstehen. Sie wären dann im Vorverfahren nach Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG entstanden – die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO wird von der Regelung erfasst – und im gerichtlichen Verfahren nach Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 2 VV RVG. Dass zwischenzeitlich das Verfahren wiederaufgenommen worden ist, hat auf die im vorbereitenden Verfahren entstandene Gebühr nach § 15 Abs. 4 RVG keinen Einfluss.

 

Akteneinsicht: Digitale Tatfotos gehören dazu

Im Moment komme ich gar nicht dazu, die Rechtsprechung des BGH für den Blog auszuwerten, so viele interessante andere Entscheidungen liegen mir vor bzw. werden mir von Kollegen zur Verfügung gestellt.

Darunter dann auch AG Lemgo, Beschl. v. 14.04.2011 – 22 OWi 62/11, der sich schon wieder mit der Frage der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren auseinandersetzt (vgl. dazu auch der Beschl. des AG Meißen v. 03.03.2011 – 13 OWi/23/11). Die Vielzahl der Beschlüsse in dem Bereich zeigt dann m.E. doch, wie restriktiv die Verwaltungsbehörden mit dem Akteneinsichtsrecht des Betroffenen umgehen.

Im Fall des LG Lemgo ging es um die Frage der Einsicht in digitale Tatfotos bzw. die Übersendung von digitalen Kopien von Tatfotos. Die Verwaltungsbehörde hat das abgelehnt, das AG Lemgo sagt: Sind herauszugeben, und begründet das wie folgt:

Der Betroffene hat grundsätzlich einen Anspruch auf Einsichtnahme in sämtliche Beweismittel. Dies ergibt sich aus dem Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO. Dabei muss sich der Betroffene nicht auf die Einsichtnahme in die Istfotos in Papierform beschränken fassen, zumal bei der Geschwindigkeitsmessung durch das Einheitensensormessgerät ESO das originäre Beweismittel das digitale Foto ist. Zumindest in den Fällen, in denen der Verteidiger die Übersendung digitaler Fotos mit der Behauptung verlangt, er wolle ein Gutachten zur Identifizierung einholen, dem Verteidiger die Einsichtnahme in das digitale Tatfoto zu ermöglichen, und zwar durch Übersendung einer Kopie des digitalen Tatfotos. Dabei wird allerdings vom Verteidiger als notwendige Mitwirkungshandlung verlangt werden können, dass er eine Leer-CD zur Verfügung stellt.“

Der letzte Satz ist eine Einschränkung, entspricht aber dem, was die h.M. der Obergerichte dazu schon seit mehr als 20 Jahren vertritt.

Voreilig kastriert – Katerstimmung im Tierheim :-)

Ich stoße gerade auf eine dpa-Meldung vom 18.06.2010  zu einer Entscheidung der AG Lemgo  v. 14.06.2010 – 17 C 28/10. In der Meldung heißt es:

Tierschützer dürfen zugelaufene Kater nicht voreilig kastrieren. Das Amtsgericht Lemgo hat einen Tierschutzverein gerügt, der den entlaufenen Siamkater «Mimo» einer Frau aus Bad Salzuflen schon drei Tage nach der Aufnahme ins Tierheim kastriert hatte. Der Tierschutzverein habe fahrlässig gehandelt, meinte das Gericht. Der Verein muss der empörten Katzeneigentümerin jetzt die Kosten für die tierärztliche Nachbehandelung ersetzen. Die zusätzlich geforderte Entschädigung in Höhe von 1800 Euro lehnte das Gericht aber ab.

«Mimo» war seiner Eigentümerin am 21. März 2009 entlaufen, als diese ihn in Bad Salzulfen mit Halsband und Leine spazieren führte. Am nächsten Tag wurde der Kater ins Tierheim gebracht und dort am 25. März 2010 kastriert. Die Eigentümerin verlangte Schadensersatz. «Mimo» sei reinrassig und habe als Zuchtkater einen Wert von 1200 Euro gehabt. Zudem habe es Interessenten für drei Katzenjunge im Wert von jeweils 200 Euro gegeben.“

Nett :-). Und wie ist es mit Sachbeschädigung? 🙂 🙂