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Wir sind eineiige Brüder, oder ….

mein Bruder gleicht mir wie ein Ei dem anderen….so hatte der Betroffene beim AG seinen Beweisantrag auf Vernehmung des Bruders untermauert. Das AG hatte als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG) abgelehnt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte jetzt beim OLG Celle Erfolg (vgl. Beschl. v. 31. 8. 2010 – 311 SsRs 54/10). Das OLG sagt:  Das Tatgericht ist unter Befreiung vom Verbot der Beweisantizipation nur dann befugt, Beweisanträge nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückzuweisen, wenn es seine nach § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG prinzipiell fortbestehende Aufklärungspflicht nicht verletzt. Und die sei verletzt. Denn die Grundlage, die das Amtsgericht seiner Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen zugrunde gelegt habe, sei nicht so verlässlich, dass die Möglichkeit, das Gericht könne in seiner Überzeugung durch eine weitere Beweisauf­nahme erschüttert werden, vernünftigerweise auszuschließen sei. Die Annahme, der Betrof­fene sei Fahrer des Fahrzeugs gewesen, beruhe allein auf dem Lichtbild, das vom Führer des Fahrzeugs gefertigt worden sei und welches nach Auffassung des AG das Antlitz des Betroffenen wiedergebe. Unterstellt, der unter Beweis gestellte Vortrag, dass der Bruder dem Betroffenen „wie ein Ei dem anderen“ ähnelt, wäre zutreffend, hätte das Amtsgericht jedoch keine verlässliche Grundlage dafür, zu entscheiden, ob tatsächlich der Betroffene oder nicht doch sein Bruder Führer des Fahrzeugs gewesen sei. Auch dieser hätte dann vom AG „eindeutig identifiziert“ werden können. Da diese Ähnlichkeit vom Betroffenen in seinem Beweisantrag auch behauptet worden sei, durfte das AG den Beweisantrag nicht ohne Weiteres ablehnen. Insbesondere habe das AG auch nicht zu Lasten des Betroffenen werten dürfen, dass dieser trotz Aufforderung kein aktuelles Lichtbild seines Bruders vorgelegt habe. Es sei auch in Bußgeldsachen nicht Sache des Betroffenen, seine Unschuld zu beweisen. Dass eine täuschende Ähnlichkeit zwischen Brüdern unterschiedlichen Alters eher selten sei, möge zutreffen, schließe aber nicht aus, dass diese Ähnlichkeit gerade beim Betroffenen und sei­nem Bruder gegeben sei.

Also: Nicht ganz so schnell das scharfe Schwert der Ablehnung nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG ziehen.

Schnell ist das scharfe Schwert der Verspätung gezückt…

Immer wieder machen die AG im OWi-Verfahren bei der Ablehnung eines Beweisantrages vom scharfen Schwert der Ablehnung wegen Verspätung (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG) Gebrauch (es ist ja so einfach :-(), ohne dabei zu bedenken, dass das nur dann sticht, wenn die Hauptverhandlung ausgesetzt – nicht nur unterbrochen – werden muss.

Dass es auf die Aussetzung ankommt, hat das OLG Hamm jetzt gerade einer Amtsrichterin noch einmal ins Stammbuch geschrieben (vgl. Beschl. v. 04.05.2010 – 2 RBs 35/10). Allerdings hat deren Fehler (?) dem Betroffenen nicht viel gebracht. Denn der Verteidiger hatte die Rechtsbeschwerde/Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet. Aus ihr muss sich nämlich ergeben, dass es nicht zur Aussetzung gekommen wäre. Dennoch: Das OLG hat aufgehoben, weil das AG auch den Rechtsfolgenausspruch, vor allem das Fahrverbot nicht genügend begründet hatte. Also: Wenigstens insoweit noch einmal. Und die Uhr tickt…