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Strafzumessung: Leugnen steht Strafmilderung nicht entgegen

Eine Leugnen der Tatbeiträge steht einer Strafmilderung (§ 46 StGB) nicht entgegen, so der BGH, Beschl. v. 14.04.2011 – 2 StR 34/11. Der Umstand, dass der Angeklagte seine eigenen Tatbeiträge leugnet, steht nach Auffassung des BGH einer Milderung der Strafe wegen seiner Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten (in Fall: Hinweis auf die beiden Mitangeklagten eines Raubes) nicht entgegen, sondern ist im Rahmen der bei der Ausübung des Ermessens vorzunehmenden  Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.

Und: Ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust durch Einziehung kann strafmildernd zu berücksichtigen sein.

Strafzumessung: Doppelt genäht hält (nicht immer) besser… oder: immer wieder das Doppelverwertungsverbot

Jedenfalls gilt der Satz „Doppelt genäht hält besser“ nicht für die Strafzumessung, die ja gerade unter dem Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) steht.

Ein Besipiel dafür sind BGH, Beschl. v. 19.04.2011 – 3 StR 80/11 und Beschl. v. 19.04.2011 – 3 StR 82/11. In beiden hatte das LG bei einer Verurteilung wegen schweren und wegen schweren versuchten Bandendiebstahls u.a.

zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er die Taten gemeinschaftlich mit mindestens zwei Mittätern und unter Mitführung von Einbruchswerkzeug begangen habe.

Der BGH moniert das (zu Recht):

„Dies verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB; denn sowohl die Diebstahlsbegehung unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen als auch die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds sind Tatbestandsmerkmale des schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 StGB.“

Und der BGH setzt noch einen drauf:

„Des Weiteren lässt die Zumessungserwägung, es habe sich nicht um Spontantaten gehandelt, besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 3 StR 62/11 mwN).“

In 3 StR 82/11 moniert er dann zusätzlich noch:

„Bedenken im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot bestehen auch insoweit, als die Strafkammer zu Lasten der Angeklagten Me. und H. straferschwerend eine starke Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Eigentum berücksichtigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. No-vember 1998 – 4 StR 406/98).

Die Krux mit dem Doppelverwertungsverbot – immer wieder Strafzumessung

Der BGH hat in seinem Beschl. v. 09.11.2010 – 4 StR 532/10 mal wieder eine tatrichterliche Strafzumessung beanstandet, in der es – schon ein wenig überraschend für ein LG 🙂 – hieß, dass zu Lasten des Angeklagten gewertet wurde, „dass ihm der Ausstieg aus den illegalen Ge-schäften jederzeit möglich war, denn er war weder in finanzieller Not noch selbst drogenabhängig. Ein daraus abzuleitendes Motiv ist nicht ersichtlich. Er wollte mit den Geschäften Gewinne erzielen bzw. eigene Aufwendungen ersparen“ .

Überraschend deshalb, weil das LG an sich selbst auf die Bedenken gegen diese Erwägungen hätte kommen können. Der BGH führt dazu aus:

Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Mit der Gewinnerzielungsabsicht hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, dessen Berücksichtigung gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, denn das Handeltreiben im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht (vgl. BGH – Großer Senat -, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05 -, BGHSt 50, 252, 256; BGH, Beschlüsse vom 23. November 1988 – 3 StR 503/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 15 m.w.N., und vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Auch die strafschärfende Erwägung, dass der Angeklagte von der Möglichkeit, von der Begehung der Taten Abstand zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hat, stellt einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 332/03 m.w.N.). Schließlich begegnet es auch rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe (Suchtmittelabhängigkeit, finanzielle Notlage) zu Lasten des An-geklagten berücksichtigt hat (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 46 Rn. 57d m.w.N.).

Der BGH zum Quasi umgekehrten Doppelverwertungsverbot

Wir alle kennen das sog. Doppelverwertungverbot des § 46 Abs. 2 StGB, das verbietet, Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, (strafschärfend) zu berücksichtigen. Es gibt aber auch den quasi umgekehrten Fall, dass nämlich Umstände, die schon von Gesetzes wegen zu Gunsten des Angeklagten Berücksichtigen finden, nicht im Rahmen der Strafzumessung noch einmal bewertet werden dürfen. Dazu gehört die Länge der U-Haft.

Dazu hat der BGH im Urt. v. 19.05.2010 – 2 StR 102/10 – ausgeführt:

Die Strafkammer hat darüber hinaus fehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er sich bereits länger als sechs Monate in Untersuchungshaft befunden hat. Der Vollzug der Untersuchungshaft an sich darf jedoch nicht mildernd berücksichtigt werden (vgl. Senat BGH NJW 2006, 2645 m.w.N.; BGH 5 StR 456/08, insoweit in NStZ 2009, 202 nicht abgedr.). Dass der Täter in der zur Verhandlung anstehenden Sache Untersuchungshaft erlitten hat, ist bei der Verhängung der Freiheitsstrafe regelmäßig ohne Bedeutung, da die Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird…“

Etwas anderes gilt natürlich, wenn zusätzliche, den Angeklagten besonders beschwerende Umstände im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft festzustellen sind/vorliegen.