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2,44 Promille: Annahme einer erheblichen Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit

Blutalkoholfragen spielen in der Praxis im Hinblick auf die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB eine große Rolle. Deshalb hier der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 09.02.2012 – 5 StR 545/11, der dazu noch einmal Stellung nimmt:

Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Eine Blutalkoholkonzentration von maximal 2,44 ‰ legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit nahe, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Tat wie die vor-liegende ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,2 ‰ in Betracht zu ziehen ist (BGH, Urteil vom 22. November 1990 – 4 StR 117/90, BGHSt 37, 231, 235; Urteil vom 12. Januar 1994 – 3 StR 633/93, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 27; Beschluss vom 25. Februar 1998 – 2 StR 16/98, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 34). Auch wenn davon auszugehen ist, dass es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien al-lein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss, ist der festgestellte Wert ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Stärke der alkoholischen Beeinflussung.“

Interessant dann auch noch die Ausführungen des BGH zu den sog. „kontraindikatorische psychodiagnostische Beurteilungskriterien“.

BAK zwischen 2,3 und 2,7 Promille – Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit

Der BGH, Beschl. v. 10.01.2012 – 5 StR 517/11 – hebt eine Verurteilung wegen Totschlags im Rechtsfolgenausspruch auf. Begründung: Verkennung der Voraussetzungen des § 21 StGB durch die Strafkammer. Dazu der BGH:

..Das Landgericht hat eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint, obgleich dieser die Taten in stark alkoholisiertem Zustand begangen hatte (maximale Blutalkoholkonzentration 2,75 ‰, wahrscheinliche Blutalkoholkonzentration von 2,33 ‰, UA S. 30). Zur Begründung führt es im Anschluss an ein mündlich erstattetes Gutachten der Sachverständigen aus, dass „der Grad der Alkoholisierung wenig aussagekräftig sei, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt alkoholgewöhnt gewesen sei. Der Angeklagte habe angege-ben, dass er sich angetrunken, aber nicht schwer betrunken gefühlt habe. Sein Erinnerungsvermögen habe sich nicht wesentlich eingeschränkt gezeigt, er habe betont, gewusst zu haben, was er tat.“ Überdies spreche für eine genaue Planung der Tat, dass „der Angeklagte über einen längeren Zeitraum geplant Personen zur Verteidigung um sich geschart habe und den Angreifern letztlich gezielt im Erdgeschoss zuvorgekommen sei.“ Schließlich spreche sein „gezieltes Rückzugsverhalten“, in dem er sich freiwillig gestellt und auf Notwehr beru-fen hat, gegen „eine relevante Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit“ (UA S. 30 f.).b)

Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Bei einem Täter, der zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration zwischen 2,3 und 2,7 ‰ aufwies, ist die Annahme einer erheblichen Herabsetzung seiner Hemmungsfähigkeit regelmäßig in einem hohen Grad wahrscheinlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 31; Beschluss vom 31. Mai 1988 – 3 StR 203/88, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 13; vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 20 Rn. 21 mwN). Eine erheblich verminderte Hemmungsfähigkeit lässt sich bei einer solchen beträchtlichen Alkoholisierung nur ausschließen, wenn gewichtige Anzeichen für den Erhalt einer Hemmungsfähigkeit sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 68 ff.; Beschluss vom 26. November 1997 – 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107; hierzu ferner Fischer, aaO, Rn. 22 ff.).“

Bei gewalttätiger Vorgeschichte – Sachverständigengutachten erforderlich

Der BGH, Beschl. v. 06.07.2011 – 5 StR 230/11 nimmt zur Pflicht des Tatgerichts zur Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens über den Angeklagten bei einer „gewalttätiger Vorgeschichte“ Stellung.

In Kapitalstrafsachen besteht danach – wenn nicht ein länger geplantes, rational motiviertes Verbrechen vorliegt – häufig Anlass, einen psychiatrischen Sachverständigen beizuziehen. Maßgeblich seien insoweit die Umstände des Einzelfalls. Bei einer gewaltätigen Vorgeschichte der Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem späteren Opfer und somit Verhaltensbesonderheiten des Angeklagten während der rund 20-jährigen Beziehung zum Opfer biete sich die Überprüfung möglicher  psychopathologischer Dispositionen der Persönlichkeit des Angeklagten, die nicht das Ausmaß von Persönlichkeitsstörungen erreichen müssten, durch einen Sachverständigen an. Bei Anhaltspunkten für einen die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindernden Affekt wie Erinnerungslücken könne eine Begutachtung geboten sein.