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Mit § 153a StPO das „rettende Ufer erreicht“? Nicht immer/überall….

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Die Frage, die sich in der Praxis häufiger stellt: Hat man mit einer Einstellung nach § 153a StPO das „rettende Ufer“ erreicht? Nun, die Antwort: Ja, aber mit einem – wie ebenso häufig – „Aber“. Denn das gilt nicht für alle Verfahren, die anhängig sind bzw. noch werden. Das ruft der VGH München, Beschl. v. 24.03. 2014 – 11 CE 14.11 – noch einmal in Erinnerung, ergangen in einem Verfahren betreffend die (Wieder)Erteilung der Fahrerlaubnis. Dem Antragsteller war wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen worden. Nach Ablauf der Sperrfrist beantragt er die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. In dem Verfahren wird ihm nun die Einstellung eines anderen Strafverfahrens nach § 153a StPO vorgehalten, in dem dem Antragsteller eine Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad vorgeworfen worden war. Der Antragsteller verweist u.a. darauf, dass nach § 153a StPO eingestellt worden ist. Ohne Erfolg beim VGH, der dazu ausführt:

„Streitig ist hier ohnehin nur, ob der Antragsteller am 10. Januar 2013 das Fahrrad geführt hat.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedeutet die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153 a Abs. 2 StPO nicht, dass davon auszugehen ist, dass die Straftat nicht begangen wurde. Zwar trifft es zu, dass die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK bei der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO nicht widerlegt wird. Auch darf allein aus der Verfahrenseinstellung auf dieser Rechtsgrundlage, die nur mit Zustimmung des Angeklagten möglich ist, nicht auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der angeklagten Straftaten geschlossen werden (vgl. BVerfG, B. v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90NVwZ 1991, 663). Das verbietet jedoch nicht, in Verfahren mit anderer Zielsetzung Feststellungen über Tatsachen, die einen Straftatbestand erfüllen, in dem für die dortige Entscheidung erforderlichen Umfang als Grundlage für die daran anknüpfenden außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen zu verwerten (vgl. BayVGH, B. v. 5.3.2009 – 11 CS 09.228 – Juris).

Die Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO bringt keineswegs zum Ausdruck, dass der Tatverdacht gegen den Betroffenen ausgeräumt wäre. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob von der Strafverfolgung unter Auflagen und Weisungen abgesehen werden kann, weil die Schwere der Schuld nicht entgegensteht (§ 153 a Abs. 1 Satz 1 StPO). Nach der Kommentarliteratur zu § 153 a StPO muss, ist zweifelhaft, ob überhaupt ein Straftatbestand erfüllt ist, die Rechtsfrage geklärt werden; die Anwendung des § 153 a StPO gegenüber einem möglicherweise Unschuldigen ist untersagt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 56. Aufl. 2013, § 153 a Rn. 2 m.w.N.). Es muss nach dem Verfahrensstand mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von einer Verurteilung ausgegangen werden können. Denn nur dann kann dem Angeklagten die Übernahme besonderer Pflichten zugemutet werden (vgl. Pfeiffer, StPO, 3. Aufl. 2001, § 153 a Rn. 2).

Die Verwaltungsbehörde kann sich dabei auf dieselben Beweismittel stützen, wie das Strafgericht und ist an dessen Bewertung nicht gebunden. Hier hat der den Vorgang am 10. Januar 2013 beobachtende Polizeibeamte eine Anzeige wegen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad erstattet, hat zum Beweis dieser die Durchführung eines Blutalkoholtests veranlasst. Auch wurde ein Strafverfahren gegen den Antragsteller eingeleitet; warum das Verfahren schließlich nach § 153 a StPO eingestellt wurde, ergibt sich aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung nicht, ebenso wenig, was der Zeuge zur Sache ausgesagt hat. Daher hat der Antragsgegner beim Zeugen noch einmal nachgefragt und eine klare Aussage bekommen….“

Sicherlich ein Punkt/eine Problematik, auf die man den Mandanten hinweisen sollte.

Das Gute kommt (fast) zum Schluss – (Ausnahme)Kostenentscheidung bei § 153a StPO

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Das Gute kommt (fast) zum Schluss? Ja, das Arbeitsjahr ist bei vielen, wie mir die große Zahl an automatischen Antworten auf Mails zeigt, fast zu Ende. Das Jahr 2012 hat zwar noch eine Woche, aber da scheint dann auch nicht mehr viel los zu sein an den beiden „Arbeitstagen“ am 27. und 28.12.2012- Daher schon heute – natürlich bloggen wir auch an den kommenden Tagen – der Hinweis auf den kosten- und auslagenmäßig interessanten AG Backnang, Beschl. v. 16.10.2012 – 2 Ds 93 Js 111535/11, der nach Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO ergangen ist und die notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt hat, was in der Praxis eher die Ausnahme sein dürfte.

Das AG Backnang begründet seine Entscheidung wie folgt:

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO.

Von der Möglichkeit des § 467 Abs. 4 StPO, wonach im Falle einer Ermessenseinstellung davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Auch bei Einstellungen nach Ermessen gilt als Grundsatz die Regelung des § 467 Abs. 1 StPO. Ferner ist anerkannt, dass die Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen sind, wenn der bei der Einstellung noch vorhandene Verdacht sich auf eine Straftat bezieht, die sehr viel leichter wiegt als der Vorwurf, zu dessen Entkräftung der Angeklagten die Auslagen entstanden sind (Meyer-Goßner, § 467 StPO, Rn. 19). Dies ist vorliegend der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat der Angeklagten zunächst gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt, das Gericht hat die entsprechende Anklage in vollem Umfang zur Hauptverhandlung zugelassen. Aufgrund des auf Antrag des von der Angeklagten hinzugezogenen Verteidigers eingeholten Sachverständigengutachtens stellte sich heraus, dass der diesbezügliche Anklagevorwurf nicht aufrecht erhalten werden kann; die verbliebenen weiteren Anklagevorwürfe waren allesamt von deutlich geringerem Gewicht. Bereits dieser Umstand führt dazu, dass ein Abweichen vom Grundsatz des § 467 Abs.1 StPO nicht sachgerecht erscheint.

Hinzu kommt vorliegend, dass der wesentliche entlastende Umstand, der überhaupt erst zur Einstellung führte, ausschließlich aufgrund des begründeten Antrags des Verteidigers ermittelt wurde. Die Staatsanwaltschaft sah im Ermittlungsverfahren keinen Anlass, die Angaben des Zeugen S. überprüfen zu lassen, und das Gericht ließ die Anklage in vollem Umfang zu, ohne etwa von der Möglichkeit des § 202 StPO Gebrauch zu machen. Werden aber wesentliche entlastende Umstände von den Strafverfolgungsbehörden nicht von Amts wegen ermittelt, sondern bedarf es hierzu entsprechender Verteidigeranträge, so erschiene es unbillig, die Angeklagte mit den hierfür anfallenden Anwaltskosten zu belasten.

Die Argumentation sollte man im Augen/Gedächtnis behalten. 

Änderungen/Ergänzungen des § 153a StPO – (mal wieder) Opferschutz

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Mal wieder etwas aus der Ecke: Was gibt es Neues aus Berlin? Über meinen Jurion-Newsletter bin ich auf die Meldung des Bundestages vom 28.06.2012 gestoßen. Danach hat der Bundestag -bei Enthaltung der Linksfraktion und der Grünen am 28.06.2012 einen Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs. 17/1466) zur Stärkung der Täterverantwortung in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT-Drs. 17/10164) beschlossen.

Die gesetzlichen Neuregelungen zielen (natürlich/mal wieder) auf einen besseren Opferschutz vor allem bei häuslicher Gewalt. Beschuldigte oder Verwarnte können künftig über staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Weisungen Programmen zugewiesen werden, in denen sie sich mit ihren Taten auseinandersetzen und lernen, für ihr Handeln Verantwortung zu übernehmen und sich selbst zu kontrollieren. Den Beschuldigten kann bei vorläufiger Einstellung des Verfahrens die Teilnahme an einem bis zu einjährigen Programm auferlegt werden. Geändert worden sind u.a. § 153a StPO und das StGB.

In § 153a StPO ist eine neue Nr. 6 eingefügt worden – die Einstellung ist in Zukunft auch unter der Auflage möglich,  „6. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder“. In dem Fall kann dann das Verfahren bis zu einem Jahr eingestellt werden (§ 153a Abs. 3 S. 1 StPO neu).

Damit korrespondiert eine Änderung in § 59a StGB. Dort ist jetzt in einer neuen Nr. 5 geregelt, dass als Weisung auch aufgegeben werden kann, „„5. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.“

Pflichtverteidiger bei § 153a StPO?

Der OLG Hamm, Beschl. v. 07.10.2011 – III-3 Ws 321/11 – sagt: Das geht grundsätzlich, und zwar auch noch nach Einstellung des Verfahrens. In der Sache hat es dann die Beschwerde des Angeklagten als unbegründet angesehen:

Die Leitsätze:

„Auch in dem Verfahrensstadium nach Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO kann die Mitwirkung eines Verteidigers – so z.B. zur Wahrung der Rechte des Angeklagten bei der Auflagen- und Weisungserfüllung oder auch zur Vorbereitung der neuen Hauptverhandlung bei drohendem Scheitern der vorläufigen Einstellung – geboten sein, so dass auch in diesem Verfahrensstadium die Bestellung eines Pflichtverteidigers in Betracht kommen kann.

Eine schwierige Sachlage im Sinne des § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO besteht nicht stets bei längerer Dauer der Hauptverhandlung oder bei einer komplexen Beweislage (Meyer-Goßner, a.a.O., § 140 Rdnr. 26a m.w.N.). Eine schwierige Sachlage ist erst dann anzunehmen, wenn die Gefahr besteht, dass der Angeklagte seine Rechte ohne die Mitwirkung eines Verteidigers nicht mehr ausreichend wahrnehmen kann, insbesondere weil er allein den Überblick über die Beweisaufnahme zu verlieren droht.“

Hilfe gesucht bei dem Problem: „§ 153a StPO, verjährte Straftat, Kosten“

Im Forum auf meiner Homepage www.burhoff.de hat in den vergangenen Tagen ein Kollege unter der Überschrift: „153 a StPO, verjährte Straftat, Kosten“ nachgefragt und folgenden Sachverhalt zur Diskussion gestellt:

„Hallo Forum,

folgendes Problem:

Mein Mandant bekommt ein Schrieb der StA mit der Bitte um Zustimmung zu einer Einstellung gemäß § 153 a gegen Zahlung und kann damit schlicht gar nichts anfangen. Tatvorwurf ist Betrug.

Ich fordere also die Akte an und stelle fest, dass sich der Betrug 2005 ereignet haben soll und daraufhin 2011 eine Strafanzeige erstattet wurde.

Es liegt also Verfolgungsverjährung vor, was ich – freundlich wie ich bin – der StA mit der Bitte um Einstellung nach 170 II auch mitteile.

Nun frage ich mich, ob es irgendeinen Weg gibt, der Staatskasse die Kosten überzuhelfen, weil ich es eine Frechheit finde, dem Mandanten eine Geldauflage „anzubieten“ trotzdem offensichtlich Verjährung eingetreten ist. Z.B. nach dem StrEG?? Und ggf. wie das genau geht.

Also: Mir fällt dazu nichts ein. Auslagenerstattung im Ermittlungsverfahren, gibt es nur in Sonderfällen und davon liegt keiner vor. Und StrEG: Welche zu entschädigende Maßnahme liegt denn vor, die zu entschädigen wäre? Was mir eingefallen ist, ist allenfalls ein Anspruch nach § 839 BGB, was ich aber auch nicht durchgeprüft habe.

Daher: Hat jemand noch eine andere, ggf. zündende Idee?