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Pflichtverteidiger für den inhaftierten Mandanten

Inzwischen kann man es als h.M. bezeichnen, dass auch in den Fällen der Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach der neuen Vorschrift des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO das Verfahren des § 142 Abs. 1 StPO beachtet werden und dem Beschuldigten t und i.d.R. genügend Zeit gegeben werden muss, eine Auswahlentscheidung zu treffen.

So jetzt auch das OLG Koblenz, Beschl. v. 02.02.2011 – 2 Ws 50/11. Dabei sind auch psychische Belastungen des Beschuldigten aufgrund der Inhaftierung zu berücksichtigen. Wird das Auswahlverfahren nicht eingehalten, wird der beigeordnete Verteidiger ggf. auf Antrag des Beschuldigten entpflichtet und ihm der von ihm später gewählte Verteidiger beigeordnet.

Das OLG Köln und die Ortsnähe des (Pflicht)Verteidigers – m.E. nicht zur Nachahmung empfohlen…

In einem Beschl. v. 21.09.2010 – 2 Ws 594/10 hat das OLG Köln zu den (neuen) Auswahlkriterien für die Bestellung des Pflichtverteidigers nach § 142 Abs. 1 StPO n.F. Stellung genommen.

Das OLG meint, dass durch die Streichung von § 142 Satz. 1 StPO a.F. („Der zu bestellende Verteidiger wird durch den Vorsitzenden des Gerichts möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt.“) in § 142 Abs. 1 StPO i.d.F. des Gesetzes vom 29.07.2009 nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass dem Gesichtspunkt der Ortsnähe des Verteidigers keine Bedeutung mehr zukomme, sondern es habe eine Überbetonung dieses einzelnen Kriteriums durch die Benennung im Gesetz vermieden werden sollen, da weitere ebenso gewichtige Umstände wie ein besonderes Vertrauensverhältnis zu dem Beschuldigten bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind (vgl. BT-Drucksache 16/12098 S. 20, 21).

Na ja, wenn ich die BT-Drucksache richtig verstehe, sollte die Ortsnähe gerade keine große Bedeutung mehr haben. Aber ich bin ja auch nicht (mehr) beim OLG.

Hat das Kosteninteresse jetzt noch etwas mit der Beiordnung des Pflichtverteidigers zu tun? Ja, aber…

Durch das 2. OpferRRG ist § 142 Abs. 1 StPO geändert worden. Der beizuordnende Pflichtverteidiger muss jetzt nicht mehr „ortsansässig“ sein. Ein kleiner (hoffentlich :-)) Wermutstropfen hat aber die Freude über diese Neuregelung beeiträchtigt. Nach der Gesetzesbegründung ist nämlich das „Kosteninteresse“ immer auch noch ein Punkt, der bei der Auswahl des Pflichtverteidigers von Bedeutung sein kann. Ich hatte befürchtet, dass über diese Formulierung durch die „Hintertür“ das Kosteninteresse und die damit zusammenhängende Frage der „Ortsansässigkeit“ letztlich doch wieder eine Bedeutung bekommen, die sie nach der Intention des Gesetzgebers nicht mehr haben sollten.

Diese Sorge wird jetzt ein wenig gemildert durch die Entscheidung des OLG Oldenburg v. 21.04.2010 – 1 Ws 194/10 in der sich das OLG mit der Frage der kostenneutralen Auswechslung und des Verzichts des „neuen Pflichtverteidigers“ auf Gebühren auseinandersetzt. Die Richtigkeit der Ausführungen dazu und die Frage, ob man sich dem anschließen kann, lasse ich mal dahinstehen. Interessant ist, dass das OLG in dem Zusammenhang aber auch zu den Kriterien des § 142 Abs. 1 StPO n.F. Stellung nimmt und ausführt:

Seit der Neufassung von § 142 Abs. 1 StPO durch das 2. Opferrechtsreformgesetz ist zudem die frühere gesetzliche Anordnung der vorrangigen Bestellung eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwaltes als solche entfallen. Den im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat – gerade auch unter Kostengesichtspunkten – geäußerten Bedenken (vgl. BTDrucksache 16/12812, S. 10) hat der Gesetzgeber keine Rechnung getragen.
Die Entfernung des Anwaltssitzes vom Gerichtsort bleibt aber gleichwohl einer der Gesichtspunkte, die bei der im Rahmen der Auswahlentscheidung des Vorsitzenden gebotenen Abwägung zu berücksichtigen sind, vgl. BTDrucksache 16/12098 S. 20, 21.“

Stimmt, und weiter:

Eine solche Entfernung kann mithin auch nach der jetzigen Rechtslage im Einzelfall den Verfahrensablauf in einer Weise beeinträchtigen, dass dies der Bestellung des auswärtigen Rechtsanwaltes entgegensteht. Dergleichen wird hier vom Strafkammervorsitzenden aber nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. „

Da kann man nur sagen: Uff, Glück gehabt, dass da das Wort Einzelfall auftaucht und das OLG m.E. damit zu erkennen gibt, dass für den Senat das Kosteninteresse wohl nicht im Vordergund steht. Was nach der Gesetzesbegründung auch richtig ist.

Fahrtkosten auch für den auswärtigen Wahlverteidiger – so zutreffend das AG Witten

Ich hatte bereits in StRR 2010, 117 darauf hingewiesen, dass nach der Änderung des § 142 Abs. 1 StPO zum 01.10.2009 durch das 2. Opferrechtsreformgesetz dem auswärtigen Wahlverteidiger bei der Erstattung seiner Fahrtkosten nicht mehr entgegengehalten werden kann/darf, wenn er nicht „ortsansässig“ war. Denn das ist auch für die Bestellung des Pflichtverteidigers kein Kriterium mehr (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1196 m.w.N.).

Die andere Argumentation würde, worauf jetzt das AG Witten in seinem zutreffenden Beschluss v. 21.04.2010 – 9 Ds-63 Js 63/09-44/09 – hingewiesen hat, den Wahlverteidiger schlechter stellen. Bis sich die zutreffende Ansicht des AG Witten durchgesetzt hat, sollte in den Kostenfestsetzungsanträgen auf diese Argumentation und die „richtige“ Entscheidung des AG Witten hingewiesen werden.