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News: Neuer THC-Grenzwert im Straßenverkehr, oder: Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum?

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Im Nachgang zu den heute veröffentlichten Neuregelungen betreffend Cannabis (vgl. News: Es ist vollbracht – Cannabisgesetz veröffentlicht!, oder: Inkrafttreten am 01.04.20249)  dann noch einen weiteren Hinweis, und zwar in Zusammenhang mit § 44 KCanG. Der sieht vor, dass eine vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31.03.2024 – also heute – den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol im Blut vorschlagen sollte, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist.

Und man glaubt es bei dem Ministerium kaum/nicht: Es hat geklappt. Denn das Minsterium teilt gerade auf seiner Homepage mit – vgl. die PM 18/2024:

„Unabhängige Expertengruppe legt Ergebnis zu THC-Grenzwert im Straßenverkehr vor

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat ein Cannabisgesetz auf den Weg gebracht, das am 23. Februar 2024 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Es sieht in § 44 Konsumcannabisgesetz (KCanG) vor, dass eine vom BMDV eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31. März 2024 den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC, Wirkstoff von Cannabis) im Blut vorschlägt, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist.

Laut der Gesetzesbegründung zu § 44 KCanG soll die Festschreibung des Grenzwertes anschließend durch den Gesetzgeber erfolgen.

Das Ergebnis der vom BMDV hierzu im Dezember 2023 eingerichteten unabhängigen, interdisziplinären Arbeitsgruppe mit Experten aus den Bereichen Medizin, Recht und Verkehr sowie dem Bereich der Polizei liegt vor.

Die wissenschaftlichen Experten geben danach folgende Empfehlungen ab:

  • Im Rahmen des § 24a StVG wird ein gesetzlicher Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vorgeschlagen. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt.
  • Um der besonderen Gefährdung durch Mischkonsum von Cannabis und Alkohol gerecht zu werden, wird empfohlen, für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot am Steuer entsprechend der Regelung des § 24c StVG vorzusehen.
  • Es seien Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening – zum Nachweis des aktuellen Konsums erforderlich. Es wird empfohlen, die Details zur Umsetzung dieses Ansatzes auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland zu klären.

Bei dem vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. THC im Blutserum ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Daher soll mit dem Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC erreicht werden, dass – anders als bei dem analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC – nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabiskonsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte und eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs möglich ist.

Zur Einführung des von der Expertenarbeitsgruppe empfohlenen Grenzwertes ist laut der Gesetzesbegründung zu § 44 KCanG eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) (§ 24a) durch den Gesetzgeber erforderlich.

…..“

OWi II: Gespeicherte Bilddateien/Filme als Abbildung?, oder: Ordnungsgemäße Bezugnahme?

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Und im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen, die sich mit Lichtbildern und der Frage, wie die im Urteil darzustellen sind, auseinandersetzten. Allerdings gibt es dazu nur die Leitsätze, das die Fragen nun doch schon ziemlich „abgearbeitet“ sind. Es überrascht dann gerade deswegen dann aber doch, dass von den AG an der Stelle aber immer wieder/noch Fehler gemacht werden.

Hier sind dann also:

Die Urteilsgründe müssen im Fall der Identifizierung des Betroffenen anhand eine Lichtbildes vom Verkehrsverstß so gefaßt sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.

1. Auf elektronischen Medien gespeicherte Bilddateien und Filme sind keine sich bei den Akten befindliche „Abbildungen“ im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO.
2. Wird in den Urteilsgründen lediglich erwähnt, dass sich „aus den Bild- und Tonaufzeichnungen“ ergibt, dass ein bestimmter Verkehrsvorgang vorliegt, reicht das für eine wirksame Verweisung gem. §§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, 46 OWiG nicht aus.

Wie gesagt: Nichts Besonderes. Das hatte sich dann wohl auch das OLG Oldenburg gedacht, als es die Beschlussgründe im Grunde auf ein Zitat aus der BGHSt-Entscheidung beschränkt hat. Na ja.

 

OWi I: Verstoß gegen Wartepflicht am Bahnübergang, oder: Erforderliche Urteilsfeststellungen

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Und heute dann ein paar OWi-Entscheidungen. Nichts Besonderes, denn an der „Front“ its es derzeit ziemlich ruhig.

Ich stelle hier zunächst den OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.03.2024 – 2 ORbs 32/24  – zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht vor.

Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht verurteilt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim OLG Erfolg:

„Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Betroffene den beschrankten (Änderung durch mich: Im Beschluss heißt es „beschränkten“ 🙂 ) Bahnübergang überquert habe, obwohl Rotlicht gegeben worden sei und die Schranken sich bereits senkten. Es ist insoweit den Angaben der vernommenen Polizeibeamten gefolgt. Beide Zeugen — die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Überganges befanden – haben nach den Ausführungen des Amtsgerichtes bekundet, dass das Fahrzeug des Betroffenen „über den Bahnübergang gefahren“ sei, als die Schranken sich bereits zu senken begannen. Ob mit diesen Angaben gemeint ist, dass der Betroffene erst begonnen hat den Bahnübergang – unklar, ob damit die eigentlichen Schienen oder der Bereich zwischen den Schranken gemeint ist- zu überqueren oder ob er sich noch im Bereich des Bahnübergangs befunden hat, als die Schranken sich senkten, ist nicht näher dargelegt.

Aus den Feststellungen ist zu entnehmen, dass ein Senken der Schranken nur bei Aufleuchten des Rotlichts erfolgt. Ob und wie lange allerdings das Rotlicht vorher aufleuchtet, wie lange die offenbar vorgeschaltete Gelbphase angedauert hat und welche zulässige Höchstgeschwindigkeit vor dem Bahnübergang bestand, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, da „in Cloppenburg“ nicht zwingend auf Innerörtlichkeit hindeutet. Ohnehin stellt das Amtsgericht, wohl weil die Zeugen die Lichtzeichenanlage in Fahrtrichtung des Betroffenen nicht einsehen konnten, auf das Absenken der Schranken (und damit auch das Rotlicht) ab. Ob dem Betroffenen aber ein Anhalten vor dem Andreaskreuz bei einer mittleren Bremsung (vergleiche OLG Schleswig DAR 85, 291; BayObLG DAR 81,153) möglich gewesen wäre, als die Pflicht vor dem Andreaskreuz zu warten einsetzte -also entweder bei gelben (soweit auch für den Betroffenen feststellbar) oder roten Lichtzeichen und/oder dem Senken der Schranken- lässt sich dem Urteil mangels näherer Angaben unter anderem dazu, wo sich das Fahrzeug des Betroffenen befand, als die Wartepflicht einsetzte, nicht entnehmen (zu einem Verstoß bei einem durch Lichtzeichen und Schranken gesichertem Übergang vgl. Thüringer OLG, VRS 120, 36). Sollten die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes nicht gesehen haben, wäre zudem festzustellen, dass nicht „nur“ ein Verstoß gegen § 19 Abs. 3 StVO vorgelegen hat.

Nur wenn die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes beobachtet hätten, der Verstoß innerörtlich gewesen wäre und auch das Aufleuchten des vorgeschalteten gelben Lichtzeichens in Fahrtrichtung des Betroffenen feststellbar wäre, bedürfte es näherer Darlegungen nicht, da dann ohne Weiteres davon auszugehen wäre, dass der Betroffene rechtzeitig hätte anhalten können.

Da weitere Feststellungen möglich erscheinen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Auf die von der Generalstaatsanwaltschaft für durchgreifend erachtete Rüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches kommt es nicht mehr an. Der Senat weist zusätzlich darauf hin, dass nicht ersichtlich ist, weshalb dem Betroffenen vom Amtsgericht die sogenannte 4 – Monatsfrist nicht zugebilligt worden ist, obwohl er über keine Voreintragung verfügt.“

Wie gesagt: Ich habe mit erlaubt, aus dem Original enthaltenen „beschränkten Bahnübergang“ den „beschrankten“ zu machen 🙂 .

Zwei OVG-Entscheidungen zur Fahrtenbuchauflage, oder: Mitwirkungspflicht beim Firmenfahrzeug

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Und im Kessel Buntes dann heute (Verkehrs)Verwaltungsrecht.

Zunächst hier zwei OVG-Entscheidungen zum Fahrtenbuch (§ 31a StVZO). Ich stelle, da die Problematik ja weitgehend bekannt ist, hier nur die Leitsätze der beiden Entscheidungen ein, und zwar:

Aus der Perspektive des späteren Verfahrens zur Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht obliegt einer GmbH als Halterin des Tatfahrzeugs einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann eine hinreichende Mitwirkung an der Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers, wenn sie im Bußgeldverfahren nicht nur als Zeugin, sondern in erster Linie als Betroffene angehört wird.

1. Steht fest, dass die Fahrzeughalterin einen Zeugenfragebogen erhalten und darauf nicht reagiert hat, kommt es auf den Einwand, ein vorangegangenes Anhörungsschreiben nicht erhalten zu haben, nicht entscheidend an.
2. Auf die Einhaltung der sog. Zweiwochenfrist, die weder ein formales Tatbestandsmerkmal des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO noch eine starre Grenze darstellt, kann sich der Halter nicht bei Verkehrsverstößen berufen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind. Denn bei Firmenfahrzeugen fällt es in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat.

 

Verkehr III: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, oder: Konkrete Kenntnis von der Schadenshöhe

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Und dann noch eine Entscheidung, und zwar noch einmal zur (vorläufigen) Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 111a StPO, 69 StGB) in den Fällen des unerlaubten Entfernens. Und zwar mal wieder: Bedeutender Schaden.

Die Staatsanwaltschaft, hatte beantragt, der Beschuldigten in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen § 142 StGB die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen und die Durchsuchung zum Zweck der Beschlagnahme des Führerscheins anzuordnen. Das AG Itzehoe hat das im AG Itzehoe, Beschl. v. 27.02.2024 – 40 Gs 579/24 – abgelehnt:

„Nach den polizeilichen Ermittlungen führte die Beschuldigte am 23.12.2023 gegen 20:55 Uhr in Wilster ein Kraftfahrzeug Seat Ibiza mit dem amtlichen Kennzeichen pp. und verursachte einen Verkehrsunfall. Sie fuhr in einem Kurvenbereich über die Leitlinie und touchierte das Fahrzeug des Zeugen pp.,  an dem die vordere und hintere Tür beschädigt wurden. Zeugen beobachteten diesen Vorgang und hörten dabei einen lauten Knall.

Obwohl die Beschuldigte den Unfall bemerkt hatte und zumindest damit rechnete, dass ein bedeutender Fremdsachschaden verursacht worden sein konnte, entfernte sie sich sogleich von der Unfallstelle, um sich sämtlichen erforderlichen Feststellungen zu entziehen.

Dies ist strafbar als unerlaubtes Entfernen vorn Unfallort gem. § 142 Abs. 1 Ziff. 1 StGB.

Gem. § 111 a StPO kann die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird, § 69 StGB. Gem. § 69 StGB wird die Fahrerlaubnis entzogen, wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Beschuldigte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Gem. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er sich vorn Unfallort unerlaubt entfernt und weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.

Nach Aktenlage soll der Schaden an den Fahrzeugtüren des Zeugen pp. EUR 1.350,00 betragen, ohne dass sich aus der Akte bisher ergibt, wie diese Schadenshöhe ermittelt wurde. Es ist daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen, dass der Schaden über der Erheblichkeitsgrenze liegt.

Darüber hinaus liegen bei einer Gesamtwürdigung der Umstände Anhaltspunkte dafür vor, dass die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB nicht besteht und im vorliegenden Fall nicht von einer charakterlichen Ungeeignetheit auszugehen ist. Die Beschuldigte hat sich zwar zunächst – ggf. aus Panik – vorn Unfallort entfernt. Die Leitstelle wurde aber dann sehr zeitnah über den Unfall informiert (BI. 9 d.A.). Die Beschuldigte begab sich zum Unfallort und räumte dort gegenüber der Polizei den Unfall und ihre Beteiligung ein. Die notwendigen Feststellungen wurden daher zeitnah nach dem Unfall ermöglicht. Eine charakterliche Ungeeignetheit, die die Entziehung der Fahrerlaubnis notwendig macht, liegt daher nicht vor.

Es sind derzeit keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Beschuldigten die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Ungeeignetheit demnächst entzogen werden wird (§ 69 StGB).

Die Entziehung ist deshalb nicht nach § 111a StPO in Verbindung mit § 69 StGB anzuordnen.“