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Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum, oder: Behauptung der unbewussten Einnahme

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Es ist Samstag und damit „Kessel-Buntes-Tag“. In dem köchelt heute eine Entscheidung aus dem Verkehrsverwaltungsrecht und eine aus dem Zivilrecht.

Ich beginne mit der verwaltungsrechtlichen Entscheidung, dem BayVGH, Beschl. v. 28.02. 2024 – 11 CS 23.1387 – zur Entziehung der Fahrerlaubnis und der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeugewegen Konsums harter Drogen, hier war es Amphetamin, und – noch einmal zur Behauptung der unbewussten Einnahme der Droge.

Folgender – gekürzter – Sachverhalt: Der Antragsteller wendet sich u.a. gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Durch polizeiliche Mitteilung vom 29.12.2022 war der Fahrerlaubnisbehörde bekannt geworden, dass der Antragsteller am 05.12.2022 um 11:40 Uhr einen E-Scooter unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln geführt hatte. Die Polizeibeamten stellten bei ihm drogentypische Auffälligkeiten, wie stark geweitete Pupillen, fest. Der Antragsteller verweigerte die angebotenen freiwilligen Drogentests und machte keine Angaben. Die chemisch-toxikologische Untersuchung der um 12:22 Uhr entnommenen Blutprobe ergab eine Amphetaminkonzentration von 28 ng/ml sowie eine Konzentration von THC-Carbonsäure von 0,8 ng/ml.

Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mitteilen, das Ergebnis der Blutanalyse sei nur dadurch erklärlich, dass er auf einem Geburtstag am 03.12.2022, bei welchem er gegen 18:00 Uhr mit seiner Ehefrau eingetroffen sei, unbewusst die Substanz zu sich genommen habe. Er leide an ständigen Schmerzen wegen Hüftbeschwerden und nehme Medikamente und Schmerzmittel ein. Auch an diesem Tag habe er unter Schmerzen gelitten, weshalb er sich gegen 21:00 Uhr sehr müde gefühlt und begonnen habe, sich zu verabschieden. Er habe bis dahin zwei Bier konsumiert. Im weiteren Verlauf habe sich seine Müdigkeit verbessert und er habe sich wieder fitter gefühlt, nachdem er aus einem zur Verfügung gestellten Maßkrug getrunken habe, in welchem sich die Mischung einer „Laternenmaß“ befunden habe. Er sei dann noch auf der Feier geblieben. Durch die zwei Tage später durchgeführte Blutanalyse sehe er sich in seiner Vermutung bestätigt, dass in dem Getränk eine Substanz gewesen sein müsse. Dies etwaig aufgrund der Tatsache, dass eine andere Person im Laufe der Zeit, innerhalb derer die „Laternenmaß“ zur Verfügung gestanden habe, in diese zum Eigenkonsum etwas hineingemischt und dann unbeabsichtigt der Antragsteller ohne Kenntnis hiervon getrunken habe. Der Antragsteller sei beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen.

Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis entzogen. Zudem untersagte sie das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (z.B. Mofa, Fahrrad, Elektrokleinstfahrzeuge) und ordnete den Sofortvollzug dieser Verfügungen an. Darum wird gestritten. Der Antragsteller hatte keinen Erfolg:

Zur „Einlassung“ unbewusster Konsum heißt es:

„Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt dabei grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich darauf beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der insoweit der Nachprüfung zugänglich ist. Auch hat der Senat derartige Behauptungen nur dann für beachtlich gehalten, wenn überzeugend aufgezeigt werden konnte, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers Kontakt mit Personen vorausgegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk bzw. Nahrungsmittel zugänglich zu machen; ferner, dass dieser selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und deren Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat (vgl. (stRspr, BayVGH, B. v. 7.3.2023 – 11 CS 22.2608 – juris Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch SächsOVG, B. v. 19.1.2024 – 6 B 70/23 – juris Rn. 13; OVG LSA, B. v. 26.10.2022 – 3 M 88/22 – Blutalkohol 60, 168 = juris Rn. 6; OVG Saarland, B. v. 2.9.2021 – 1 B 196/21 – juris Rn. 47; OVG NW, B. v. 18.9.2020 – 16 B 655/20 – juris Rn. 4 ff.; VGH BW, U. v. 27.7.2016 – 10 S 1880/15ZfSch 2017,60 Rn. OVG Bremen, B. v. 12.2.2016 – 1 LA 261/15 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B. v. 9.2.2015 – 1 M 67.14 – VerkMitt 2015, Nr. 38 = juris Rn. 4).

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Antragsteller mit seiner Einlassung nicht der ihn treffenden Darlegungslast für die in seine Sphäre fallenden Gegebenheiten genügt hat. Dabei kann dahinstehen, ob schon unwahrscheinlich und damit wenig glaubhaft ist, dass er nach dem Konsum etwa einer halben, mit Amphetamin versetzten Laternenmaß am 3. Dezember 2022 noch rund 39 Stunden nach der Aufnahme des Stoffs eine Amphetaminkonzentration von 28 ng/ml im Blut hatte, die über dem von der Grenzwertkommission zur Feststellung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a StVG empfohlenen Grenzwert von 25 ng/ml lag, ab dem das Merkmal der Wirkung ohne weiteres angenommen werden kann (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 24a StVG Rn. 21a, 21b), aber als Drogenunerfahrener von dem Konsum nur so viel bemerkt haben will, dass seine Müdigkeit verflogen war bzw. er sich fitter fühlte und auf der Feier bleiben konnte. Auch wenn es eine „wissenschaftliche Darlegung“ für den Einzelfall nicht geben kann, weil dies eine aktuelle individuelle rechtsmedizinische Begutachtung erfordern würde, gibt es durchaus wissenschaftliche Studien zur Nachweisbarkeit von Amphetaminen und deren Wirkungen, auch solche, in denen das Betäubungsmittel Versuchspersonen verabreicht worden ist (vgl. die Nachweise bei Skopp/Daldrup, Blutalkohol 49, S. 187 ff.). Deren Verlässlichkeit bestreitet der Antragsteller nur pauschal und unsubstantiiert. Der Nachweis von Amphetaminen im Blut ist nach verschiedenen Angaben nicht länger als 24 bis 48 Stunden möglich, wobei die Mehrzahl der Quellen von Nachweiszeiten von 12, 24 oder bis zu 30 Stunden ausgehen (Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 3 StVG Rn. 26; Skopp/Daldrup, a.a.O. S. 192; BZgA, https://www.drugcom.de/haeufig-gestellte-fragen/allgemeine-fragen/wie-lange-koennen-drogen-im-koerper-nach-gewiesen-werden/; https:// www.aerztliches-gutachten.info/nachweis-zeiten-von-drogen-im-blut/; https://www. praxis-suchtmedizin.ch/index.php/de/designerdrogen/allgemeine-infos/nachweisbarkeit; Sigrid/Germann/Eisenhart, Rechtsmedizin, 2010, https://www.kssg.ch/system/files/media_document/201708/ Skript_ReMed_Teil2_ 2010.pdf, S. 29). Da die Maximalkonzentrationen proportional zur verabreichten Dosis sind (Skopp/Daldrup, a.a.O., S. 191), müsste der Antragsteller auf der Feier eine recht erhebliche Menge an Amphetamin zu sich genommen haben, um eine Blutkonzentration zu erreichen, die nach 39 Stunden noch nicht unter den analytischen Grenzwert gefallen ist. Die bei oraler Einnahme nach 30 bis 45 Minuten eintretenden Wirkungen werden (nach einer mittleren Dosis oral von 10 – 20 mg bei Nichtgewöhnten) als ein starker Rausch bzw. eine starke Euphorie oder starke Stimulation des zentralen Nervensystems beschrieben, die sich u.a. in Euphorie, Antriebssteigerung, Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz sowie Beschleunigung von Puls und Atmung ausdrücken (vgl. Skopp/Daldrup, a.a.O., S. 190; Madea/Mußhoff/Tag, Kurzlehrbuch Rechtsmedizin, 2012, S. 272; Beitrag „Amphetamin“ auf der von der BZgA betriebenen Seite www.drugcom.de; BayVGH, B. v. 7.3.2023 – 11 CS 22.2608 – juris Rn. 26 m.w.N.). Es entwickelt sich rasch eine Toleranz, die zur permanenten Steigerung der Dosis zwingt, um die gewünschte Wirkung zu entfalten (Skopp/Daldrup, a.a.O., S. 190; Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen [DHS], Synthetische Drogen, Basisinformationen, S. 5). Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ein nicht an die Substanz gewöhnter, drogenunerfahrener Konsument bei einer derartigen Blutkonzentration starke (Intoxikations-)Symptome hätte verspüren müssen, beruht daher durchaus auf wissenschaftlichen Ergebnissen.

Sie ist hier allerdings wie die übrigen Plausibilitätserwägungen des Gerichts, wie auch die Vermutung des Antragstellers, dass sich auch Stoffe in dem Getränk befunden haben könnten, die erst in seinem Körper zu Amphetamin verstoffwechselt worden sein könnten, ebenso wie der nicht sehr überzeugende Beweggrund für die heimliche Verabreichung des Amphetamins nicht entscheidungserheblich, weil der Antragsteller den ihm bekannten Sachverhalt nicht detailliert offenbart und insbesondere keine nachprüfbaren Umstände genannt hat, obwohl er angeblich die Person ermittelt hat, die ihm ein mit Amphetamin versetztes Getränk angeboten hat. Auch die Personen, die dieses Getränk mit ihm geteilt haben, und potentielle weitere Zeugen unter den etwa 20 Gästen auf der Feier hat er nicht benannt. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, inwieweit sich die von der Antragsgegnerin verlangte (verwaltungsrechtliche) Zusage überhaupt im Rahmen von deren Zuständigkeit und des geltenden Rechts gehalten hätte und damit hätte bindend abgegeben werden können (vgl. z.B. BVerwG, U. v. 17.10.1975 – IV C 66.72BVerwGE 49, 244 = juris Rn. 35 f.; U. v. 14.11.1975 – IV C 84.73BVerwGE 49, 359 = juris Rn. 23 zum öff.-rechtl. Vertrag; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 38 Rn. 44 ff., 62 ff., 85 ff.; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 38 Rn. 26, 42). Jedenfalls genügt die bloße Bekundung der Bereitschaft, den maßgeblichen Zeugen, d.h. die Person, die das Getränk mit Amphetamin versetzt und ihm – ohne dies zu offenbaren – zum Trinken gegeben hat, unter bestimmten, von der Behörde zu erfüllenden Bedingungen zu benennen, nicht den Anforderungen der Darlegungslast; zumal wenn dies mit der – mit Blick auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und den aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben problematischen – Forderung nach einer Selbstverpflichtung der Fahrerlaubnisbehörde verbunden ist, gegenüber dem Zeugen auf die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und die Ausübung ihrer Befugnisse sowie letztlich auf die kritische Nachprüfung des vom Antragsteller vorgetragenen Sachverhalts zu verzichten.“

StGB I: BayObLG reichen die Urteilgründe nicht, oder: Verkehrsgefährdung, Unfallflucht, Trunkenheitsfahrt

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Und dann heute StGB-Entscheidungen, und zwar aus der Instanz. Es kommen zwei OLG-Entscheidungen und ein AG-Urteil.

Ich starte mit dem BayObLG, Beschl. v. 27.11.2023 – 203 StRR 381/23. Der nimmt noch einmal zur Straßenverkehrsgefährdung, dem unerlaubten Entfernen und der Trunkenheitsfahrt Stellung. Das BayObLG rügt zu knappe Feststellungen des AG.

Ich beschränke mich hier auf die Leitsätze zu der Entscheidung, da die Entscheidung letztlich nur die vorliegende Rechtsprechung bestätigt, und verweise im Übrigen auf den verlinkten Volltext:

    1. Eine Verurteilung wegen einer Straßenverkehrsgefährdung – auch in der Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeitskombination des § 315c Abs. 3 Nr. 2; Abs. 1 Nr. 1a StGB – setzt im Falle einer Gefährdung von Sachwerten Feststellungen dazu voraus, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert handelt und, falls ja, ob der gefährdeten Sache auch ein bedeutender Schaden gedroht hat.
    2. Der Vorsatz des Täters nach § 142 StGB muss sich darauf beziehen, dass ein Unfall stattgefunden hat und dass der Schaden nicht ganz unerheblich war.
    3. Setzt der alkoholisierte Täter nach einem Streifvorgang seine Fahrt ohne Unterbrechung fort, bedarf eine Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr tatsachenfundierter Feststellungen zum Bemerken des Streifvorgangs und zum Vorstellungsbild bezüglich des Umfangs des Schadens und der Fahrtüchtigkeit.

Wegen der Ausführungen des BayObLG zur Verfahrensrüge komme ich dann demnächst noch einmal auf die Entscheidung zurück.

News: Neuer THC-Grenzwert im Straßenverkehr, oder: Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum?

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Im Nachgang zu den heute veröffentlichten Neuregelungen betreffend Cannabis (vgl. News: Es ist vollbracht – Cannabisgesetz veröffentlicht!, oder: Inkrafttreten am 01.04.20249)  dann noch einen weiteren Hinweis, und zwar in Zusammenhang mit § 44 KCanG. Der sieht vor, dass eine vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31.03.2024 – also heute – den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol im Blut vorschlagen sollte, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist.

Und man glaubt es bei dem Ministerium kaum/nicht: Es hat geklappt. Denn das Minsterium teilt gerade auf seiner Homepage mit – vgl. die PM 18/2024:

„Unabhängige Expertengruppe legt Ergebnis zu THC-Grenzwert im Straßenverkehr vor

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat ein Cannabisgesetz auf den Weg gebracht, das am 23. Februar 2024 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Es sieht in § 44 Konsumcannabisgesetz (KCanG) vor, dass eine vom BMDV eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31. März 2024 den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC, Wirkstoff von Cannabis) im Blut vorschlägt, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist.

Laut der Gesetzesbegründung zu § 44 KCanG soll die Festschreibung des Grenzwertes anschließend durch den Gesetzgeber erfolgen.

Das Ergebnis der vom BMDV hierzu im Dezember 2023 eingerichteten unabhängigen, interdisziplinären Arbeitsgruppe mit Experten aus den Bereichen Medizin, Recht und Verkehr sowie dem Bereich der Polizei liegt vor.

Die wissenschaftlichen Experten geben danach folgende Empfehlungen ab:

  • Im Rahmen des § 24a StVG wird ein gesetzlicher Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vorgeschlagen. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt.
  • Um der besonderen Gefährdung durch Mischkonsum von Cannabis und Alkohol gerecht zu werden, wird empfohlen, für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot am Steuer entsprechend der Regelung des § 24c StVG vorzusehen.
  • Es seien Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening – zum Nachweis des aktuellen Konsums erforderlich. Es wird empfohlen, die Details zur Umsetzung dieses Ansatzes auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland zu klären.

Bei dem vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. THC im Blutserum ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Daher soll mit dem Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC erreicht werden, dass – anders als bei dem analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC – nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabiskonsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte und eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs möglich ist.

Zur Einführung des von der Expertenarbeitsgruppe empfohlenen Grenzwertes ist laut der Gesetzesbegründung zu § 44 KCanG eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) (§ 24a) durch den Gesetzgeber erforderlich.

…..“

OWi II: Gespeicherte Bilddateien/Filme als Abbildung?, oder: Ordnungsgemäße Bezugnahme?

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Und im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen, die sich mit Lichtbildern und der Frage, wie die im Urteil darzustellen sind, auseinandersetzten. Allerdings gibt es dazu nur die Leitsätze, das die Fragen nun doch schon ziemlich „abgearbeitet“ sind. Es überrascht dann gerade deswegen dann aber doch, dass von den AG an der Stelle aber immer wieder/noch Fehler gemacht werden.

Hier sind dann also:

Die Urteilsgründe müssen im Fall der Identifizierung des Betroffenen anhand eine Lichtbildes vom Verkehrsverstß so gefaßt sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.

1. Auf elektronischen Medien gespeicherte Bilddateien und Filme sind keine sich bei den Akten befindliche „Abbildungen“ im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO.
2. Wird in den Urteilsgründen lediglich erwähnt, dass sich „aus den Bild- und Tonaufzeichnungen“ ergibt, dass ein bestimmter Verkehrsvorgang vorliegt, reicht das für eine wirksame Verweisung gem. §§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, 46 OWiG nicht aus.

Wie gesagt: Nichts Besonderes. Das hatte sich dann wohl auch das OLG Oldenburg gedacht, als es die Beschlussgründe im Grunde auf ein Zitat aus der BGHSt-Entscheidung beschränkt hat. Na ja.

 

OWi I: Verstoß gegen Wartepflicht am Bahnübergang, oder: Erforderliche Urteilsfeststellungen

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Und heute dann ein paar OWi-Entscheidungen. Nichts Besonderes, denn an der „Front“ its es derzeit ziemlich ruhig.

Ich stelle hier zunächst den OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.03.2024 – 2 ORbs 32/24  – zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht vor.

Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht verurteilt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim OLG Erfolg:

„Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Betroffene den beschrankten (Änderung durch mich: Im Beschluss heißt es „beschränkten“ 🙂 ) Bahnübergang überquert habe, obwohl Rotlicht gegeben worden sei und die Schranken sich bereits senkten. Es ist insoweit den Angaben der vernommenen Polizeibeamten gefolgt. Beide Zeugen — die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Überganges befanden – haben nach den Ausführungen des Amtsgerichtes bekundet, dass das Fahrzeug des Betroffenen „über den Bahnübergang gefahren“ sei, als die Schranken sich bereits zu senken begannen. Ob mit diesen Angaben gemeint ist, dass der Betroffene erst begonnen hat den Bahnübergang – unklar, ob damit die eigentlichen Schienen oder der Bereich zwischen den Schranken gemeint ist- zu überqueren oder ob er sich noch im Bereich des Bahnübergangs befunden hat, als die Schranken sich senkten, ist nicht näher dargelegt.

Aus den Feststellungen ist zu entnehmen, dass ein Senken der Schranken nur bei Aufleuchten des Rotlichts erfolgt. Ob und wie lange allerdings das Rotlicht vorher aufleuchtet, wie lange die offenbar vorgeschaltete Gelbphase angedauert hat und welche zulässige Höchstgeschwindigkeit vor dem Bahnübergang bestand, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, da „in Cloppenburg“ nicht zwingend auf Innerörtlichkeit hindeutet. Ohnehin stellt das Amtsgericht, wohl weil die Zeugen die Lichtzeichenanlage in Fahrtrichtung des Betroffenen nicht einsehen konnten, auf das Absenken der Schranken (und damit auch das Rotlicht) ab. Ob dem Betroffenen aber ein Anhalten vor dem Andreaskreuz bei einer mittleren Bremsung (vergleiche OLG Schleswig DAR 85, 291; BayObLG DAR 81,153) möglich gewesen wäre, als die Pflicht vor dem Andreaskreuz zu warten einsetzte -also entweder bei gelben (soweit auch für den Betroffenen feststellbar) oder roten Lichtzeichen und/oder dem Senken der Schranken- lässt sich dem Urteil mangels näherer Angaben unter anderem dazu, wo sich das Fahrzeug des Betroffenen befand, als die Wartepflicht einsetzte, nicht entnehmen (zu einem Verstoß bei einem durch Lichtzeichen und Schranken gesichertem Übergang vgl. Thüringer OLG, VRS 120, 36). Sollten die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes nicht gesehen haben, wäre zudem festzustellen, dass nicht „nur“ ein Verstoß gegen § 19 Abs. 3 StVO vorgelegen hat.

Nur wenn die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes beobachtet hätten, der Verstoß innerörtlich gewesen wäre und auch das Aufleuchten des vorgeschalteten gelben Lichtzeichens in Fahrtrichtung des Betroffenen feststellbar wäre, bedürfte es näherer Darlegungen nicht, da dann ohne Weiteres davon auszugehen wäre, dass der Betroffene rechtzeitig hätte anhalten können.

Da weitere Feststellungen möglich erscheinen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Auf die von der Generalstaatsanwaltschaft für durchgreifend erachtete Rüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches kommt es nicht mehr an. Der Senat weist zusätzlich darauf hin, dass nicht ersichtlich ist, weshalb dem Betroffenen vom Amtsgericht die sogenannte 4 – Monatsfrist nicht zugebilligt worden ist, obwohl er über keine Voreintragung verfügt.“

Wie gesagt: Ich habe mit erlaubt, aus dem Original enthaltenen „beschränkten Bahnübergang“ den „beschrankten“ zu machen 🙂 .