Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren, oder: Wer nachts zu schnell ist,………

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So, und dann nochmals das KG. Ebenfalls mit einem nicht ganz taufrischen Beschluss, nämlich dem KG, Beschl. v. 22.08.2017 – 3 Ws (B) 232/17. Der war mir bisher auch durchgegangen. Jetzt ist aber die „KG-Ecke“ sauber 🙂 .

Problematik in der Entscheidung: Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die durch eine Messung durch Nachfahren zur Nachtzeit festgestellt worden ist. Die Anforderungen sind ja bekanntlich hoch, das AG hatr die Hürde hier mal wieder nicht geschafft:

„1. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters, dessen Überzeugungs-bildung das Rechtsbeschwerdegericht nur darauf prüft, ob sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dies ist namentlich der Fall, wenn sie mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder unbezweifelbarem Erfahrungswissen unvereinbar ist, Widersprüche oder sonstige Verstöße gegen die Gesetze der Logik enthält oder Lücken aufweist, sich insbesondere nicht mit nahe liegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt (vgl. BGH NJW 2007, 384). Für die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist anerkannt, dass sie als Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann ausreichen kann, wenn der Tachometer des nachfahrenden Fahrzeugs ungeeicht und nicht justiert war. Insoweit hat die Rechtsprechung Richtlinien für die beweissichere Feststellung einer durch Nachfahren ermittelten Geschwindigkeitsüberschreitung entwickelt. Danach müssen die Messstrecke ausreichend lang und der Abstand des nachfolgenden Fahrzeugs gleichbleibend und möglichst kurz sein; zugleich muss die Geschwindigkeitsüberschreitung wesentlich sein (vgl. Zusammenstellung und Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche Owi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 1369, 1540). Bei in Dunkelheit oder schlechten Sichtverhältnissen durchgeführter Messung sind zusätzlich Angaben über die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten erforderlich (BayObLG DAR 2000, 320; OLG Hamm DAR 2002, 176). Für die hier festgestellten Rahmenbedingungen gilt im Einzelnen: Bei Geschwindigkeiten von 100 km/h und mehr sollen die Urteilsfeststellungen belegen, dass die Messstrecke nicht kürzer als 500 Meter war (vgl. Senat DAR 2015, 99 und Beschluss vom 22. Oktober 2001 – 3 Ws (B) 516/01 – [juris]; OLG Bamberg DAR 2006, 517; OLG Braunschweig DAR 1989, 110). Bei Geschwindigkeiten über 90 km/h soll der Verfolgungsabstand nicht mehr als 100 Meter betragen (vgl.BayObLG DAR 1996, 288; OLG Düsseldorf NZV 1990, 318; Thüringisches OLG aaO).

2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils nicht gerecht. Zwar hat das Amtsgericht die anzuwendenden Grundsätze im Urteil kundig rekapituliert (UA S. 5), und es ist auch nachvollziehbar davon ausgegangen, dass es sich bei den Zahlen nur um „Richtwerte“ handelt, so dass geringe Abweichungen „im Einzelfall oft unvermeidbar und auch unschädlich“ sind (UA S. 5). Trotz des hohen Toleranzabzugs – das Amtsgericht hat vom abgelesenen Tachometerwert (130 km/h) 20 Prozent abgezogen – kann der Senat jedoch nicht nachvollziehen, dass bei dem hier mitgeteilten Verfolgungsabstand von etwa 300 Metern die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit mit 104 km/h zuverlässig ermittelt worden ist. Bei einem so großen Abstand könnte bei der hier zur Nachtzeit erfolgten Messung – je nach Beleuchtungsverhältnissen und Verkehrssituation, die im Urteil unerörtert bleiben – sogar in Frage stehen, dass es sich bei dem während des Messvorgangs avisierten Fahrzeug stets um dasjenige der Betroffenen handelte. Jedenfalls kann der Senat nicht nachvollziehen, dass bei einem Verfolgungsabstand von etwa 300 Metern zuverlässig eingeschätzt werden kann, dass der Abstand über die Messstrecke ungefähr gleich geblieben ist.“

Wie häufig: Wer nachts zu schnell ist, der hat gute Chancen, dass das AG das Urteil nicht „hinbekommt“.

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