Absprache/Verständigung: Belehrungspflicht, oder: Früh ist zu belehren

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Und die dritte Entscheidung aus dem „Verständigungskomplex“ kommt vom 5. Strafsenat. Zugrunde liegt ein Verfahren beim LG Bremen. Das LG hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe  verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gerügt wird vom Angeklagten eine Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO, also der Belehrungspflicht.Das wird mit folgendem Verfahrensablauf begründet:

„In der zunächst gegen fünf Angeklagte geführten Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende am 30. Juni 2014 mit, dass an dem zuvor mit den Verfahrensbeteiligten erörterten, letztlich modifizierten Verständigungsvorschlag festgehalten werde und nunmehr „entsprechend § 257c StPO im Sinne des modifizierten Vorschlags vorgegangen werden solle“. Alle Beteiligten erklärten sich damit einverstanden. Eine Belehrung gemäß § 275c Abs. 5 StPO fand nicht statt. Am nächsten Hauptverhandlungstag gab der Angeklagte ein Geständnis ab, „ohne dass er auch an diesem Tag belehrt worden wäre“ (RB S. 15). Auf Bitten des Angeklagten wurde das gegen ihn gerichtete Verfahren zur Beschleunigung abgetrennt und nur gegen ihn weiter verhandelt, während die Verhandlung gegen die übrigen Angeklagten unterbrochen und an einem anderen Tag fortgesetzt wurde. Das Urteil gegen den Angeklagten wurde noch am selben Tag verkündet.“

Die Revision hat dann beim BGH Erfolg. Der hat mit dem BGH, Beschl. v. 06.03.2018 – 5 StR 585/17 – das LG-Urteil aufgehoben:

„2. Die Rüge ist zulässig erhoben.

Der Angeklagte hat einen Sachverhalt vorgetragen, der es dem Revisionsgericht ohne weiteres ermöglicht, allein aufgrund seines Vortrags zu überprüfen, ob der gerügte Rechtsfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, NStZ-RR 2013, 222). Dem Vortrag des Beschwerdeführers (RB S. 13) ist zu entnehmen, dass jedenfalls vor Zustandekommen der Verständigung nach § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO und damit vor dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2015 – 5 StR 82/15, NStZ-RR 2015, 225 mwN) keine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO vorgenommen wurde. Die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind damit erfüllt.

Soweit der Generalbundesanwalt unter dem Gesichtspunkt des ausnahmsweise erforderlichen Vortrags sogenannter Negativtatsachen Angaben dazu vermisst, dass dem Angeklagten der Inhalt der vom Gesetz vorgeschriebenen Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO auch nicht aus möglicherweise vor Abtrennung der Verfahren erfolgten Belehrungen der Mitangeklagten bekannt gewesen sei, vermag der Senat eine entsprechende Unvollständigkeit nicht zu erkennen. Tatsächlich erfolgten die Belehrungen der (früheren) Mitangeklagten erst nach Abtrennung des gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfahrens.

3. Die Rüge ist auch begründet. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen (BGH, Beschluss vom 25. März 2015, aaO; BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG [Kammer], NStZ 2014, 721).

Das Urteil beruht auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausschließen. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Neben anderen Beweismitteln hat die Strafkammer vor allem hierauf die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung im Zeitpunkt seines Geständnisses bekannt waren, bestehen nicht (vgl. oben 2.).“

Fazit des Tages: Ganz schön schwer mit den Verständigungen…. und ich kann verstehen, wenn manche Vorsitzende sagen: Mit mir nicht ……

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