Wohnungsdurchsuchung, oder: Wenn mehrere das Hausrecht inne haben

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Heute eröffne ich dann mit einem weiteren Beschluss des OLG Köln. Dazu vorab (noch einmal). In dem gestrigen Posting: Vermögensabschöpfung neu, oder: Rechtsmittelbeschränkung und Rückwirkung hatte ich ja das OLG Köln, Urt. v. 23.01.2018 – 1 RVs 274/17 – vorgestellt und im Ursprungspost zwei – m.E. vorhandene – Zitatfehler angesprochen. Die hatte ich am Dienstagabend beim OLG Köln – 1. Strafsenat – „hinterfragt“, wobei der eine klar auf der Hand lag. Da hatte man sich mit OLG Celle und Und OLG Stuttgart vertan. Der zweite war nicht so leicht aufzulösen. Das OLG Köln hat es dann aber in Turbogeschwindigkeit getan, so dass der Beschluss jetzt „passt“. Besten Dank nach Köln

Und hier dann der weitere Beschluss des OLG Köln. Es ist der OLG Köln, Beschl. v. 26.01.2018 – 1 RVs 3/18. Er behandelt eine Durchsuchungsproblematik in einem BtM-Verfahren. Das AG hatte den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln  verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde ein Teil der Betäubungsmittel bei einer im Anschluss an eine Verkehrskontrolle durchgeführten Durchsuchung der Wohnung sichergestellt, mit der sich der Angeklagte zuvor gegenüber dem Polizeibeamten pp. einverstanden erklärt hatte. Der Verteidiger legt Revision ein. Mit der Verfahrensrüge beanstandet er, das AG habe sich bei seiner Überzeugungsbildung auf Beweise gestützt, die es nicht hätte verwerten dürfen, da sie bei einer unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt, § 105 StPO, erfolgten Durchsuchung gewonnen worden seien. Das AG sei insofern zu Unrecht von einer „freiwilligen Zustimmung“ zur Wohnungsdurchsuchung ausgegangen als nicht alle Grundrechtsträger in die Maßnahme eingewilligt hätten, namentlich allein eine entsprechende Erklärung des Angeklagten, indes nicht der Mieterin der Wohnung vorgelegen habe. Dass die Freundin des Angeklagten Mieterin der verfahrensgegenständlichen Wohnung sei, habe sich für den Zeugen pp. auch eindeutig „aus dem Klingelschild“ ergeben. Die Rüge hatte keinen Erfolg. Das OLG meint: Nicht ausreichend im Sinn des § 344 Abs. 2 StPO begründet:

„Träger des Grundrechts nach Art. 13 Abs. 1 GG ist jeder Inhaber oder Bewohner eines Wohnraums, unabhängig davon, auf welchen Rechtsverhältnissen die Nutzung des Wohnraums beruht. Insoweit steht bei mehreren Bewohnern einer Wohnung das Grundrecht auch jedem Einzelnen zu (BVerfG NJW 2004, 999, 1005). Auch ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass eine Disposition des Einzelnen nur dann in Betracht kommt, wenn er alleiniger Träger des Grundrechts ist; andernfalls ist grundsätzlich ein Konsens mit den anderen Grundrechtsträgern – etwa den weiteren Hausrechtsinhabern – erforderlich. Diese Grundsätze bestehen indes nicht vollständig losgelöst von der Eingriffsintensität und der Frage, inwieweit der Kernbereich des geschützten Rechtsguts überhaupt berührt ist. Insoweit ist nicht ausgeschlossen, dass Familien- oder Wohngemeinschaftsangehörige nach Maßgabe einfachen Rechts eine gegen einen anderen gerichtete, anhand der Schranken des Art. 13 GG zu rechtfertigende Maßnahme gegen sich wirken lassen müssen (von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage, Rn. 21). Die im Spannungsfeld zwischen dem Grundrecht aus Art. 13 GG und einer funktionierenden Strafrechtspflege erforderliche Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers liegt den §§ 102f. StPO zugrunde, welche festschreiben, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff bei verdächtigen, aber auch unverdächtigen Personen in Betracht kommt. Die Frage, wessen freiwillige Unterwerfung in eine Wohnungsdurchsuchung erforderlich ist, damit eine andernfalls nach § 105 StPO erforderliche richterliche bzw. in Eilkompetenz ergangene Anordnung entbehrlich wird, ist insoweit im Kontext mit der nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles einschlägigen Ermächtigungsgrundlage zu beantworten.

Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Durchsuchung einer Wohnung, die neben dem Verdächtigen von einer oder mehreren weiteren Personen bewohnt wird, zu stellen sind – namentlich, ob diese allein nach § 102 StPO oder auch nach § 103 StPO zu beurteilen ist – bedarf es der Differenzierung. Im Ausgangspunkt ist dabei festzuhalten, dass Wohnungen und Räume im Sinne des § 102 StPO alle Räumlichkeiten sind, die der Verdächtige tatsächlich innehat, gleichgültig  ob er Allein-  oder Mitinhaber ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage, § 102 Rdn. 7). § 102 StPO verliert deshalb nicht seine Bedeutung als Eingriffsgrundlage, wenn weitere Personen Mitinhaber der tatsächlichen Herrschaft über Räumlichkeiten sind, die der Verdächtige bewohnt (so  BGH, Beschluss vom 15.10.1985 – 5 StR 338/85 -, juris; zugrunde lag die Konstellation, dass das Zimmer des Verdächtigen in der elterlichen Wohnung durchsucht wurde). Dagegen sind jedenfalls dann, wenn allein einer unbeteiligten Person zuzuordnende Räumlichkeiten (ebenfalls) Gegenstand der Durchsuchung sind, die engeren Anforderungen des § 103 StPO maßgeblich (s. auch LG Heilbronn, Urteil v. 16.12.2004 – 5 Ns 41 Js 26937/02 – juris).  

Ausgehend von diesem Maßstab ist schon im Sinne des § 344 Abs. 2 StPO nicht ausreichend dargetan, dass die vorliegende Maßnahme (auch) nach § 103 StPO zu beurteilen ist und insoweit – in Ermangelung einer richterlichen Anordnung sowie einer vorliegenden Eilkompetenz – der „Einwilligung“ der Zeugin bedurfte. Hierzu hätte die Revisionsbegründung jenseits des Umstandes, wo konkret die Betäubungsmittel aufgefunden wurden, zumindest konkret vortragen müssen, dass die Durchsuchung überhaupt Räume umfasste, die der Zeugin im dargestellten Sinne zuzuordnen sind.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass auch solche Umstände, die einen schweren, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstoß – als Voraussetzung eines aus einem Beweiserhebungsverbot folgenden Beweisverwertungsverbots (s. dazu BVerfG NStZ 2011, 103; BVerfG NJW 2006, 2684) – zu begründen geeignet wären, nicht hinreichend dargetan sind. Soweit die Revisionsbegründung hinsichtlich einer positiven Kenntnis des Zeugen pp. von den Besitzverhältnissen allein auf den Inhalt des Klingelschildes verweist, trägt dies die Annahme einer tatsächlichen Kenntnisnahme des Zeugen nicht. Vielmehr ist – soweit nach den Urteilsgründen die Durchsuchung der Wohnung „anschließend“ an die am Mülheimer Ring durchgeführte Kontrolle des Angeklagten erfolgte – nicht dargetan, dass eine Notwendigkeit, die Klingel zu nutzen und sie in diesem Zusammenhang näher zu beachten, überhaupt bestand. Insoweit sind auch die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Beweisverwertungsverbot nicht hinreichend vorgetragen. 

Soweit die Einziehungsentscheidung des Amtsgerichts rechtlichen Bedenken unterliegt, weil sie die einzuziehenden Gegenstände entgegen den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen (vgl. (BGHSt 8, 295, 211; BGH NJW 1994, 1421;  BGH NStZ 2007, 713) nicht so konkret bezeichnet hat, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsorgange Klarheit über Gegenstand und Umfang besteht, kann der Senat diese in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO der Konkretisierung zuführen, da die Urteilsgründe die erforderlichen Angaben enthalten.“

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