So erspart man dem Mandanten rund 14.000 EUR, oder: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

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Am „Gebühren-Friday“ weise ich heute zunächst auf den sehr schönen LG Aurich, Beschl. v.  03.11.2017 – 15 KLs 1000 Js 36718/07 (2/10). „Sehr schön“ in doppelter Hinsicht, und zwar: Zunächst ist die „Hartnäckigkeit des Kollegen Möckel aus Aurich zu loben, der die Entscheidung für seinen Mandanten erstritten und mir übersandt hat. Er hat auch nach einer ersten – falschen – Entscheidung der Kammer nicht „aufgegeben“. Und dann ist auch die Wirtschafttsstrafkammer des LG Aurich zu loben. Die hat der Beschwerde des Kollegen abgeholfen und ihre zuvor getroffene Entscheidung korrigiert.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Mandant des Kollegen ist durch Urteil der Kammer vom 06.10.2011 u.a. dazu verurteilt worden, die Kosten des Strafverfahrens zu tragen. Das Urteil ist am 01.02.2012 rechtskräftig geworden. Unter dem 28.08.2013 hat die Staatsanwaltschaft mit einer Kostenrechnung I einen Betrag von 360 EUR (Gebühr gemäß Ziff. 3112 KV GKG) in Ansatz gebracht. Die Kostenrechnung enthielt den Zusatz: „Die Einziehung weiterer Kosten (Zeugenentschädigung, Zustellungsauslagen, Sachverständigenkosten, TU-Kosten, Pflichtverteidigergebühren, Unterstellkosten) in noch nicht feststehender Höhe bleibt vorbehalten gem. 27 Abs. 6 KostVfg.“ Unter dem 30.01.2017 hat die StA mit der Kostenrechnung Il einen Betrag von zunächst insgesamt weiteren 20.563,27 EUR in Ansatz gebracht. Die Kostenrechnung enthielt den vorgenannten Zusatz und außerdem den Zusatz: „Auf den Kostenvorbehalt aus der Kostenrechnung vom 28.8.2013 wird Bezug genommen. Unter dem 17.02.2017 wurde die Kostenrechnung Il um einen versehentlich zu viel angesetzten Betrag von 5.748,90 EUR berichtigt auf den Betrag von noch zu zahlenden 14.814,37 EUR. Der Verurteilte hat gegen die Kostenrechnung II form- und fristgerecht Erinnerung eingelegt und die Einrede der Verjährung erhoben. Das LG hat zunächst die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Der dagegen dann vom Kollegen erhobenen zulässigen Beschwerde hat es dann jedoch abgeholfen und den Kostenansatz aufgehoben. Begründung:

Die Kammer ist in dem angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die von der Staatsanwaltschaft mit der Kostenrechnung IIl in Ansatz gebrachten Auslagenerstattungsansprüche der Staatskasse noch nicht verjährt waren.

Gemäß § 5 Abs. 1 GKG verjähren die Ansprüche der Staatskasse auf Zahlung von Kosten innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten beendet worden ist. Dies war vorliegend mit Ablauf des 31.12.2016 der Fall.

Eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung hat nicht stattgefunden. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft und des Bezirksrevisors stellt der in der Kostenrechnung I vom 28.08.2013 enthaltene Zusatz auch keine Stundung der später in Ansatz gebrachten Auslagen dar, welche einen Neubeginn der Verjährungsfrist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 GKG bewirkt hätte.

Insoweit ist anerkannt, dass nicht nur die ausdrückliche Mitteilung, sondern auch die stillschweigende eindeutige Gewährung einer Stundung die Verjährung der Kostenforderung neu beginnen lässt (Hartmann, KostG, § 5 GKG, Rn. 10). Eine solche stillschweigende Stundung wurde in der Rechtsprechung angenommen im Fall einer (ausdrücklich erklärten) Stundung einer Geldstrafe, die im Hinblick auf die Regelung des § 459b StPO zugleich eine (konkludente) Stundung der – konkret bezifferten – Kostenforderung enthält (LG Lübeck JurBüro 2003, 372). Ebenso wurde eine Stundung der Kostenforderung in einem in der Kostenrechnung enthaltenen Zusatz „Die Anforderung weiterer anteiliger Auslagen in Höhe von 31.971,86 DM bleibt vorbehalten.“ gesehen (OLG Koblenz, NStZ-RR 2005, 254). In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte die Staatsanwaltschaft in ihrem Kostenansatz Auslagen, für die mehrere Verurteilte gemäß § 466 StPO als Gesamtschuldner hafteten, zunächst anteilig nach Kopfteilen angesetzt und im Hinblick auf die auf die übrigen Mitverurteilten entfallenen Kopfteile den vorstehend wiedergegebenen Zusatz aufgenommen.

Eine nach diesen Grundsätzen anzunehmenden Stundung der Kostenforderung ist vorliegend nicht gegeben. Diesbezüglich ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei der Stundung um eine vertragliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner handelt. Diese kommt zumeist durch Parteivereinbarung zustande, kann aber auch durch Gesetz, Richterspruch oder durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt angeordnet werden (BGHZ 197, 21, Rn. 18). Eine ohne vorherigen Antrag seitens der Staatsanwaltschaft einseitig bewilligte Stundung von Verfahrenskosten ist angesichts dessen zwar grundsätzlich möglich, setzt jedoch nach Auffassung der Kammer eine hinreichende Konkretisierung der zu stundenden Forderung voraus. Entsprechend sind die vorstehend zitierten Entscheidungen auch jeweils in Verfahren ergangen, in denen die Kostenforderung der Staatskasse bereits konkret beziffert war und lediglich von der (vollständigen) Einforderung einstweilen abgesehen worden ist.

Insoweit mag auch ein Kostenvorbehalt nach § 24 Abs. 5 KostVfg (= § 27 Abs. 6 a.F.) Stundungswirkung entfalten. Nach dieser Vorschrift ist, wenn sich aus den Akten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass noch weitere Kosten geltend gemacht werden können, die vom Kostenschuldner als Auslagen zu erheben sind (z.B. Vergütungen von Pflichtverteidigern, Verfahrensbeiständen oder Sachverständigen), ein eindeutiger Vorbehalt über die Möglichkeit einer Inanspruchnahme für die weiteren, nach Art oder voraussichtlicher Höhe zu bezeichnenden Kosten in die Kostenrechnung aufzunehmen. Einen solchen eindeutigen Vorbehalt stellt der in der Kostenrechnung vom 28.08.2013 enthaltene formelhafte Zusatz, der zudem wortgleich in der Kostenrechnung vom 30.01.2017 wiederum enthalten ist, jedoch nicht dar.“

Auch die Staatsanwaltschaft war übrigens (zutreffend) davon ausgegangen, dass die Kostenforderung der Staatskasse mit Ablauf des 31.12.2016 verjährt war.

Also einmal im positiven Sinn: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Dem Mandaten/Verurteilten hat der Schwenk gut 14.000 EUR gebracht.

Ich kenne die Konstellation übrigens. Auch eine Verjährungsproblematik, und zwar bei der Pauschvergütung nach § 99 BRAGO a.F. Da hatte der 2. Strafsenat des OLG Hammn, dem ich damals angehörte, im OLG Hamm, Beschl. v. 18.03.1996 – 2 (s) Sbd 4 – 52/96 gesagt: Verjährt. Dagegen dann die Gegenvorstellung des Pflichtverteidigers. Und der Senat hat dann im OLG Hamm, Beschl. v. 28.06.1996 – 2 (s) Sbd 4 – 52/96 gesagt: Nicht verjährt. Anmerkung „meines“ damaligen – von mir sehr geschätzten VorRiOLG Hugemann: Wer kann schon Verjährung. Und wir sind ein Strafsenat und kein Zivilsenat.

2 Gedanken zu „So erspart man dem Mandanten rund 14.000 EUR, oder: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

  1. Zivilist

    Es wäre ja schon nett gewesen, wenn sich die Kammer für ihre offenbar präzedenzlose Rechtsansicht, eine für die Verjährungshemmung ausreichende konkludente Stundung setze die konkrete Bezifferung der Forderung voraus, ein Wörtchen der Begründung abgerungen hätte. Es geht hier immerhin nicht um Bagatellbeträge.

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