Wenn „Gottvater“/der Richter einmal anruft, oder: Die gescheiterte Terminsabsprache

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Ob ein Tag für mich ein „guter Tag“ ist/war,  hängt immer auch ein wenig davon ab, was an Entscheidungen u.a. so aufläuft. Und das war gestern nicht so gut. Denn: Es hat in der Facebook-Gruppe „Strafverteidiger“ das erstaunte (?) Posting eines Kollegen gegeben, der sich gerade beim AG Chemnitz mit einer Terminsverlegungsgeschichte herumärgert. Und die ist, um es mal vorsichtig auszudrücken „schon bemerkenswert“.

Der Kollege schildert folgenden Sachverhalt:

…. Ich habe ursprünglich mal eine Terminsverlegung recht spät beantragt, mich dafür entschuldigt und die Terminsaufhebung bekommen. Da ich um Absprache des Termins bitte, hat der Richter mich sogar angerufen, ich war zu diesem Zeitpunkt aber in einer Verhandlung, konnte also nicht ans Telefon. Anstatt mir eine Nachricht zu hinterlassen, setzt er einfach einen neuen Termin fest und beschwert sich in dem Terminsschreiben, dass er mich um 09:42 Uhr nicht erreichen konnte.

An dem neuen Termin verteidige ich in einer Totschlagssache vor unserem LG, muss also erneut Verlegung beantragen. Jetzt kommt das anliegende Schreiben…...

Der Kollege fragt, ob es Sinn macht gegen den AG Chemnitz, Beschl. v. 09.03.2018 – in 19 Ds 910 Js 31761/17– Beschwerde einzulegen. Und ich meine, es macht Sinn. Denn der Amtsrichter hat folgendes ausgeführt:

„Der Terminsverlegungsantrag des Angeklagten wird abgelehnt. da ein wichtiger Grund für die Terminverlegung nicht vorliegt.

Der Verteidiger hat vorgetragen. dass er auch am nunmehrigen Termin wegen eines anderen Gerichtstermins verhindert sei Dies nötigt nicht zur erneuten Terminsverlegung. § 228 Abs. StPO stellt ausdrücklich klar, dass die Verhinderung des Wahlverteidigers keinen Anspruch auf Terminsverlegung begründet. Vorliegend kommt hinzu, dass der Termin wegen Verhinderung des Verteidigers bereits verlegt worden ist

Auf Wunsch des Verteidigers hat der unterzeichnete Amtsrichter zudem versucht. mit dessen Kanzlei am Freitag. dem 16.2.2018 um 9.42 Uhr einen neuen Termin abzusprechen. Hierbei handelt es sich gewiss nicht um einen Anruf zur Unzeit. Vielmehr kann erwartet werden. dass – zumal wenn der Anwalt ausdrücklich um telefonische Terminsabsprache bittet,- ein Anruf zu einer solchen Zeit entgegen genommen wird. Hierfür hat der Anwalt durch geeignete Kanzleiorganisation zu sorgen, anstatt den Richter darauf zu verweisen, sein Anliegen auf einen Anrufbeantworter zu sprechen, die Akte erst einmal beiseite zu legen und darauf zu warten, dass der Verteidiger sich zurück meldet. Der Richter ist gegenüber dem Verteidiger nämlich kein Bittsteller, sondern Inhaber der Terminshoheit (§ 213 StPO). Wenn ein Richter also überhaupt den Versuch einer telefonischen Terminsabsprache unternimmt, handelt er – im Interesse des Angeklagten – bereits überobligatorisch.

Sehr zutreffend führte der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg im Beschluss vom 8.10.2012 (2 Ss (B) 101/12) insoweit aus:

„ist das Verteidiger indes fernmündlich während üblicher Bürozehen nicht zu erreichen oder erklärt die fernmündlich erreichte Mitarbeiterin, sie könne keine Termine vereinbaren, weil der Verteidiger sich dies selbst vorbehalten habe, indes zur Zeit nicht im Büro sei, ist die Terminsabsprache aus Gründen, die in der Sphäre des Verteidigers liegen, gescheitert. Dann ist es dem Betroffenen zuzumuten, sich einen  anderen Verteidiger zu suchen, der an dem dann ohne Absprache anberaumten Termin vertretungsbereit ist.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Das Gericht macht sich die Ausführungen zur eigen und verweist den Angeklagten darauf, sich einen anderen oder weiteren Verteidiger zu suchen. „

Muss man es zweimal lesen, dann erschließt sich erst voll, von welchem Selbstverständnis der Amtsrichter offenbar getragen wird: ICH bin RICHTER und ich rufe an und dann hat das auch zu klappen.  Denn ich muss das nicht, sondern ich handele „überobligatorisch“. Und das hast du Verteidiger und du Angeklagter so hinzunehmen (wie war das noch mit dem Verfahrenssubjekt?).

In meinen Augen ungeheuerlich und es zeugt von einem „Gottvater ähnlichen“ richterlichen Selbsterständnis, das ich nicht mehr erwartet hatte. Hat sich der „Kollege Richter“ eigentlich mal überlegt, wie oft Verteidiger und/oder Parteien bei Gericht anrufen (müssen), um ggf. einen Richter zu erreichen? Wer kennt die Auskünfte der armene Geschäftsstellen nicht: Der Richter ist nocht nicht im Haus, ist nicht mehr im Hause, ist in der Sitzung, ist zu Tisch und/oder ist in Urlaub? Kann/Muss man so miteinander umgehen, zumal, wenn es sich bei dem Verteidiger um einen Einzelkämpfer handelt? M.E. sollte sich die Justiz nicht digitalisieren, sondern erst mal an den Stellen ihre Hausaufgaben machen und ihren Mitarbeitern beibringen, dass sie auch ein Dienstleistungsbetrieb ist, mit dem andere zusammen arbeiten müssen. Das wäre mal eine Aufgabe für den Deutschen Richterbund und nicht immer nur das Rufen nach neuen strengeren Gesetzen. Welcher Zacken fällt dem Amtsrichter eigentlich aus der Krone, wenn er den Verteidiger noch einmal anruft. Das braucht im Zweifel weniger Zeit und Ressourcen als den o.a. Beschluss zu schreiben.

Wie man es als Richter machen sollte, das zeigt der vom AG herangezogene OLG Naumburg, Beschl. v. 08.10.2012 – 2 Ss (B) 101/12, aus dem das AG dann aber (leider) nur die „unschöne“ Passage zitiert. Das OLG hat vorab nämlich einige Verhaltensmaßregeln gegeben, die in eine andere Richtung gehen. Insoweit sehr schön. Aber m.E. entwertet der Beschluss sich leider teilweise selbst (ein wenig). Denn, was soll in einem OLG-Beschluss die Passage mit dem „Sankt-Nimmerleinstag“:

„Gleiches gilt, wenn mehrere Terminsvorschläge des Gerichts dahingehend beantwortet werden, dass der Verteidiger verhindert ist, er hat sich dann „mehr auf den Teller getan, als man aufessen kann“ (vergl. dazu Basdorf u. a., Kleines Strafrichterbrevier, Seite 24), das Gericht ist nicht verpflichtet, das Verfahren bis zum Sankt Nimmerleinstag auszusetzen, weil der Verteidiger mehr Mandate übernommen hat, als er bewältigen kann.“

Manchmal fragt man sich, ob eigentlich beim „Absetzen“ von Entscheidungen niemand an deren Außenwirkung denkt.

So, und jetzt werden Sie wieder kommen: Die Kommentare, die mir sagen, wie schwer es doch die „armen Einzelrichter“ haben. Dafür eignet sich diese Sache aber sicher nicht. Denn es ist/war einfach eine blöd gelaufene „Terminsverlegungsgeschichte“, in der mit der Keule drauf gehauen wird. Muss das sein?

4 Gedanken zu „Wenn „Gottvater“/der Richter einmal anruft, oder: Die gescheiterte Terminsabsprache

  1. Elmar der Anwalt

    “Gleiches gilt, wenn mehrere Terminsvorschläge des Gerichts dahingehend beantwortet werden, dass der Verteidiger verhindert ist, er hat sich dann „mehr auf den Teller getan, als man aufessen kann“ (vergl. dazu Basdorf u. a., Kleines Strafrichterbrevier, Seite 24), das Gericht ist nicht verpflichtet, das Verfahren bis zum Sankt Nimmerleinstag auszusetzen, weil der Verteidiger mehr Mandate übernommen hat, als er bewältigen kann.”

    So eine Argumentation kann auch nur von Leuten kommen, die ihr Geld aus der Steckdose kriegen!
    Wer sagt denn, dass der Verteidiger mehr Mandate übernommen hat, als er bewältigen kann? Mit derselben Begründung kann man auch vortragen, dass das Gericht sich hier verzettelt, da es hier mehr erledigen will als technisch funktioniert. Meist sind es nämlich die Gerichte, die in Bezug auf Termine sehr unflexibel sind, da der Richter im Gegensatz zum Anwalt nur 1 oder 2 feste Sitzungstage in der Woche hat.
    Wenn ein Richter aber mit wenigen Wochen Vorlauf unbedingt z.B. Dienstags oder Donnerstags vormittags terminieren will, kann es doch aber nicht das Problem des Anwalts sein, wenn einer seiner Richterkollegen da schneller war, weil er Termine weit im Voraus angegeben hat.
    Wenn man dann um Ausgleich bemüht dem Gericht Termine ab 17:00 Uhr anbietet, wird man meist mit großen Augen verständnislos angesehen.

    Ich will hier nicht in das unter Anwälten gerne getätigte „Richter – bashing“ verfallen, da es unter den einen genau wie unter den anderen motivierte und fähige Leute genau so gibt wie eitele Laffen und Selbstdarsteller und eine Terminsfindung sicherlich insbesondere bei Verfahren mit vielen Beteiligten, Dolmetschern, Gutachtern etc. eine Kunst für sich ist – aber die o.a.Terminsproblematik alleine auf den Anwalt abzuschieben halte ich für völlig daneben!!!

  2. WPR_bei_WBS

    Ich frag mich ja bei solcher Gelegenheit immer wieder, wieso in der freien Wirtschaft es offensichtlich immer wieder möglich ist, Termine anzuberaumen, zu denen alle Beteiligten dann auch koennen. Naja, mag vielleicht etwas damit zu tun haben, dass man dort Ergrbnisorientiert (in der Sache, nicht bzgl. des eigenen Gittkomplexes) denkt, sich für sein (arschiges) Verhalten rechtfertigen und ggf. die Konsequenzen tragen muss.

    Damit wir uns richtig verstehen, ich halte die richterliche Unabhängigkeit für ein hohes Gut – aber in einem Teil der Richterschaft scheint sich tatsächlich noch nicht rumgesprochen zu haben, dass die nicht zum pimpen des eigenen Egos gedacht ist.

    Es wird natürlich nichts bringen und eher nach hinten los gehen – trotzdem finde ich den Gedanken schön, dass der Anwalt mal zu einer üblichen Geschäftszeit (sagen wir, Freitags um 16:30) in der Geschäftsstelle zwecks Terminvereinbarung anruft und bei nicht gelingen sich beim nächsten Antrag darauf bezieht.

  3. Yann

    Der Stil des obigen Beachlusses ist das eine. Das andere ist die Frage, warum sich „Einzelkämpfer“, die wegen Sitzungstätigkeit praktisch nie persönlich telefonisch erreichbar sind, das Vereinbaren von Terminen selbst vorbehalten, anstatt dies auf ihre Bürokraft zu delegieren.

  4. PPSh

    > M.E. sollte sich die Justiz nicht digitalisieren, sondern erst mal an den Stellen ihre Hausaufgaben machen

    Würde man die Justiz digitalisieren, könnte man für so ein Gedöns auch einfach einen Justiz-Doodle machen und müsste gar nicht mehr telefonieren.

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