Kampf gegen (erweiterten) Verfall, oder: Der Rechtsanwalt verdient nicht nur die zusätzliche Verfahrensgebühr

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Bei der zweiten gebührenrechtlichen Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den KG, Beschl. v. 20.12.2017 – 1 Ws 70/17. Ergangen zu einer Problematik der Nr. 4142 VV RVG, allerdings: Nicht zu früh freuen, der Beschluss betrifft noch das alte Recht vor der Änderung der Vermögensabschöpfung am 01.07.2017. Aber: Er hat Bedeutung auch für das neue Recht.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Vor dem LG wurde gegen den Verurteilten V, dem der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet war, und gegen weitere Personen ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG geführt, und zwar zunächst vor der 4. großen Strafkammer, die jeden der damaligen Angeklagten durch Urteil vom 16.10.2015 zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilte und gegen alle den erweiterten Verfall von Wertersatz in Höhe von insgesamt 253.490,00 € anordnete. Nachdem dieses Urteil auf die Revisionen des Verurteilten V sowie weiterer damaliger Angeklagter aufgehoben und das Verfahren an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen worden war, war die 25. große Strafkammer mit dem Verfahren befasst. In der sodann am 3., 20. und 25. 4. 2017 im Umfang der Aufhebung und Zurückverweisung durchgeführten neuen Hauptverhandlung, an der auch der Rechtsanwalt teilnahm, wurde im Hinblick auf eine etwaige „Einziehungs- oder Verfallsentscheidung“ nach § 430 Abs. 1 StPO a.F. verfahren, und zwar betreffend den Verurteilten V, der während des gesamten Verfahrens inhaftiert war, verbunden mit der Überbürdung der Kosten des Revisionsverfahrens, während seine notwendigen Auslagen für das Verfahren vor der 25. große Strafkammer der Landeskasse auferlegt wurden. Der Rechtspfleger hat für das Verfahren vor der 25. großen Strafkammer neben der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4113 VV RVG und drei Terminsgebühren gemäß Nr. 4115 VV RVG festgesetzt. Gegen die Festsetzung dieser Gebühren hat die Bezirksrevisorin Rechtsmittel eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG die gesamte Tätigkeit des RA im Verfahren vor der 25. großen Strafkammer, wo es bezüglich des Verurteilten V allein um die erweiterte Wertersatzverfallsanordnung in Höhe von 239.700,00 € gegangen sei, abdecke. Die Rechtsmittel des Bezirksrevisors hatten keinen Erfolg.

Dazu das KG mit folgendem Leitsatz:

„Für den Vollverteidiger, der den Betroffenen auch gegen Abschöpfungsmaßnahmen verteidigt, entstehen nach revisionsgerichtlicher Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung in der neuen Tatsacheninstanz nicht nur die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG, sondern  auch die (gerichtliche) Verfahrensgebühr und Terminsgebühren, und zwar auch dann, wenn das Urteil nur im Ausspruch über die Abschöpfungsmaßnahme aufgehoben worden ist.“

Das ist richtig und entspricht auch den Kommentierungen in der gebührenrechtlichen Literatur. Sehr schön auch die Passage in dem Beschluss, in dem das KG zutreffend, der insoweit vom OLG Karlsruhe zum Anfall der Verfahrensgebühr und Terminsgebühr für eine vergleichbare Konstellation im Bußgeldverfahren (Nr. 5116 VV RVG) vertretenen anderen Ansicht, eine Absage erteilt:

„Auch die von der Bezirksrevisorin für ihre Auffassung reklamierte Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis, wobei es im Hinblick auf den Beschluss des Kammergerichts vom 22. Mai 2006 – 4 Ws 7/06 – bei der zutreffenden Begründung der angefochtenen Entscheidung verbleibt, wonach dieser Beschluss, der nicht die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG, sondern diejenige gemäß Nr. 4143 VV RVG betraf, keine Aussage zum Verhältnis der Gebührentatbestände aus Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV RVG und Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 VV RVG trifft. Im Übrigen hält der Senat dafür, dass es sich auch bei der Gebühr für die Verteidigertätigkeit im Adhäsionsverfahren um eine im vorstehenden Sinne zusätzliche Gebühr handelt, wenn dem Rechtsanwalt wie hier die Vollverteidigung übertragen war (vgl. dazu nur Hartmann, a.a.O., Nr. 4143 VV RVG Rdn. 1 und 8). Soweit die Bezirksrevisorin auf den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 10. April 2012 – 1 AR 70/11 – verweist, wird lediglich angemerkt, dass die dort vertretene Ansicht zum Verhältnis der entsprechenden Regelungen im Bußgeldverfahren nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG, welche – soweit ersichtlich – vereinzelt geblieben ist, aus den vorstehenden Gründen keine Zustimmung verdient.“

Und:

„Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die dargestellten Grundsätze auch bei der Festsetzung der notwendigen Auslagen eines Verteidigers gemäß §464b StPO zu beachten sind, die Rechtsanwalt F. gleichfalls beantragt hat, aber bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zurückgestellt worden ist.“

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