Kinderbeaufsichtigung im Beratungszimmer, oder: Besorgnis der Befangenheit?

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Bei der zweiten amtsgerichtlichen Entscheidung, die eine Ablehnungsfrage zum Gegenstand hat, handelt es sich um den AG Bielefeld, Beschl. v. 05.12.2017 – 39 Ds-6 Js 42/17-824/17. In ihm geht es letztlich auch um Terminschwierigkeiten. Das AG und der Verteidiger haben nach einem Termin, der wegen Verhinderung eines Zeugen ausgefallen ist, „die Enden nicht wieder zusammen bekommen“. Der Angeklagte hat dann das Mandant zu seinem ursprünglichen Verteidiger beendet. Ein weiterer Verteidiger hat dann einen Ablehnungsantrag gestellt und den wie folgt begründet: „Während des Termins vom 29.08.2017 habe sich ein Schulkind zur Beaufsichtigung der Richterin im Beratungszimmer bei geöffneter Tür befunden. Die Verteidigung nimmt insoweit auf die Entscheidung des BGH in dem Verfahren 2 StR 228/17 Bezug. Zudem werde die Verteidigung durch die Terminsverfügungen der Richterin ausgeschlossen. …). Der Antrag hat beim AG keinen Erfolg. Zur Kinderbeaufsichtigung heißt es:

„Auch der Umstand, dass sich während des Termins vom 29.08.2017 ein Schulkind – der 9-jährige Sohn der Richterin – im Beratungszimmer aufhielt und die Richterin die Tür zum Sitzungssaal geöffnet hielt, führt nicht zu ihrer Befangenheit Allerdings trifft es zu, dass dann, wenn der Richter der Sitzung nicht die volle Aufmerksamkeit widmet, sondern sich parallel privaten Aufgaben zuwendet, eine Befangenheit angenommen werden kann. Dies hat der BGH etwa für die private Handy-Nutzung während der Sitzung bejaht (vgl. BGH 2 StR 228/14). Dieser Fall unterscheidet sich aber von dem vorliegenden. Denn die Richterin war Im vom BGH entschiedenen Fall die Beisitzerin; sie nutzte das Handy während der laufenden Sitzung, Der hier vorliegende Fall ist eher damit zu vergleichen, dass das Handy auf Rufbereitschaft gestellt wird und gelegentlich aufs Handy geschaut wird. Denn wenn ein 9-jähriges Kind allein im Beratungszimmer spielt, weil an dem Tag die Kinderbetreuung nicht gewährleistet werden konnte, lenkt das als solches die Aufmerksamkeit der Richterin nicht ab. Dies wäre erst dann der Fall – ähnlich der Nutzung des Handys – wenn konkreter Betreuungsbedarf besteht. Dies war aber offensichtlich nicht der Fall. Die bloße beiläufige Überwachung des Sitzungszimmers führt aber nicht zu einer Reduzierung der Aufmerksamkeit in der Hauptverhandlung. Der weitere Antrag vom 27.11.2017 enthält keine weiteren Argumente und war deshalb ohne erneute dienstliche Stellungnahme zurückzuweisen. Einzig der Umstand, dass die dienstliche Äußerung inhaltsleer gewesen sei, wird zusätzlich vorgetragen. Die dienstliche Stellungnahme ist zwar kurz, aber keinesfalls inhaltsleer.“

Na, ich habe erhebliche Zweifel, ob das aus der zitierten BGH-Entscheidung folgt. Denn m.E. stellt der BGH in seiner Entscheiung – für mich zutreffend – darauf ab, dass die dort abgelehnte Richterin offenbar bereit gewesen sei, ihre private Kommunikation über ihre dienstliche Pflicht zur Aufmerksamkeit in der Hauptverhandlung zu stellen. Was unterscheidet den Fall von dem hier vom AG Bielefeld entschiedenen, in dem während der Hauptverhandlung das Kind im Beratungszimmer beaufsichtigt wird.

Eine ganz andere Frage ist, ob der Antrag nach so langer Zeit überhaupt noch zulässig oder ob der vorgetragene Grund nicht verspätet (vorgetragen) war.

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