Archiv für den Monat: November 2017

Bescheidung eines erst am Terminstag eingereichten Entbindungsantrags, oder: Gehörsverstoß

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Und zum Tagesschluss dann etwas OWi-Verfahrensrecht. Im OLG Bamberg, Beschl. v. 23.05.2017 – 3 Ss OWi 654/17 – geht es mal wieder  um die Nichtbescheidung eines Entbindungsantrags (§ 73 Abs. 2 OWiG). Wird von den Amtsrichtern/Amtsgerichten ja gern übersehen, vergessen. Hier war es die Besonderheite, dass der erst am Terminstag eingereicht worden ist. Das AG hat dann verworfen. Das OLg hebt auf:

„Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen der gemäß § 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG formgerecht gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) aufzuheben (§ 80 I Nr. 2, II Nr. 1 OWiG).

1. Der Anspruch des Betr. auf rechtliches Gehör ist dadurch verletzt worden, dass das AG den rechtzeitig vor dem auf den 24.02.2017 (Freitag), 11.40 Uhr angesetzten Hauptverhandlungstermin angebrachten, nämlich per Telefax am 24.02.2017 um 09.00 Uhr übermittelten und unter dem 23.03.2017 datierten Entbindungsantrag nicht verbeschieden und den Einspruch des Betr. deshalb in Unkenntnis des Antrags auf Entbindung rechtsfehlerhaft ohne Sachprüfung verworfen hat.

a) Nach 73 II OWiG hat das Gericht den Betr. auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht weiter zur Sache äußern, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag steht hierbei nicht im Ermessen des Gerichtes, vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag nachzukommen, sofern die Voraussetzungen des § 73 II OWiG vorliegen.

b) Auch dann, wenn der Entbindungsantrag nach § 73 II OWiG erst am Sitzungstag und nur kurz vor dem anberaumten Termin bei Gericht eingeht, darf der Einspruch des Betr. gegen den Bußgeldbescheid jedenfalls dann nicht ohne eine vorherige Entscheidung über den Antrag verworfen werden, wenn der Antrag – wie hier – mit ‚offenem Visier‘, also nicht bewusst oder in rechtsmissbräuchlicher Absicht „versteckt“ (OLG Hamm, Beschl. v. 19.05.2015 – 5 RBs 59/15 = NStZ-RR 2015, 259 = NZV 2016, 98) oder „verklausuliert“ (OLG Rostock, Beschl. v. 15.04.2015 – 21 Ss OWi 45/15 = NJW 2015, 1770 m. zust. Anm. Leitmeier = NStZ-RR 2015, 289 = NZV 2015, 515; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.04.2017 – 2 RBs 49/17 [„Gehörsrügefalle“; bei juris]) eingereicht und bei einer Übermittlung per Telefax an den Faxanschluss der für die betreffende Abteilung des AG und in der gerichtlichen Korrespondenz angegebenen zuständigen Geschäftsstelle und nicht etwa nur an eine zentrale gerichtliche Faxeingangsstelle übersandt worden ist. Einer weiteren Hervorhebung der Eilbedürftigkeit, z.B. eines ausdrücklichen Hinweises auf den bereits am selben Tag anberaumten Hauptverhandlungstermin im Briefkopf, verbunden mit der ausdrücklichen Bitte um ‚sofortige Vorlage‘ an den Referatsrichter, bedurfte es deshalb nicht mehr.

Darauf, dass der vom Verteidiger des Betr. verfasste Entbindungsantrag hier ausweislich des in den Akten niedergelegten Vermerks dem Vorsitzenden tatsächlich erst am 27.02.2017 (Rosenmontag) vorgelegt wurde, kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass nach Aktenlage der Antrag das AG am 24.02.2017 um 09:01 Uhr tatsächlich erreicht hatte und deshalb bei gehöriger gerichtsinterner Organisation dem Bußgeldrichter rechtzeitig hätte zugeleitet werden können. Denn vor einer Einspruchsverwerfung nach § 74 II OWiG gebietet es die Aufklärungs- bzw. Fürsorgepflicht, dass der Richter sich vor der Verkündung des Verwerfungsurteils bei seiner Geschäftsstelle informiert, ob dort eine Entschuldigungsnachricht des Betr. vorliegt, zumal entsprechende schriftliche oder auch telefonische Mitteilungen bzw. Gesuche erfahrungsgemäß nicht selten noch am Terminstag bei Gericht eingehen (st.Rspr., vgl. u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.10.2007 – 2 Ss OWi 1409/07 = NStZ-RR 2008, 86 = NZV 2008, 259; 27.01.2009 – 2 Ss OWi 1613/08 = NStZ-RR 2009, 149 = ZfS 2009, 290 = NZV 2009, 355 = OLGSt OWiG § 74 Nr. 2 und 29.12.2010 – 2 Ss OWi 1939/10 = NZV 2011, 409, jeweils m.w.N.; vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss v. 25.08.2015 – 2 Ws 163/15 [bei juris] sowie KG, Beschlüsse vom 10.11.2011 – 2 Ss 286/11 [bei juris] und 28.08.2014 – 122 Ss 132/14 = StraFo 2014, 467 = VRS 127 [2014], 181).“

Auch ein alter Hut 🙂 .

Vollstreckung eines niederländischen Knöllchens, oder: Rechtliches Gehör gewährt?

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Bei der zweiten OWi-Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.06.2017 – 1 AR 2/16. Er nimmt zu einer etwas abseits gelegenen Problematik Stellung, nämlich zur Vollstreckung ausländischer Geldsanktion. Gegen den Betroffenen sollte eine in den Niederlanden verhängte Geldsanktion in Höhe von 115 EUR hier in Deutschland vollstreckt werden. Die Bewilligungsbehörde hatte die niederländische Entscheidung für vollstreckbar erklärt. Dagegen der Einspruch des Betroffenen. Den hat das AG verworfen, ohne zu prüfen, ob dem Betroffenen in dem niederländischen Verfahren rechtliches Gehör gewährt worden ist. Die Frage hatte das AG als unerheblich angesehen, da nach niederländischem Recht von einer Kenntnisnahme durch die betroffene Person ausgegangen wird, wenn drei Briefe an deren Adresse versandt worden sind und diese nicht als unzustellbar zurückgelangt sind.

Das OLG Zweibrücken sieht das jedoch anders und hat auf die Rechtsbeschwerde hin aufgehoben. Es sei zu prüfen, ob rechtliches Gehör im Ausgangsverfahren gewährt worden ist. Ist das nicht der Fall, ist die Vollstreckung einer Geldsanktion nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG unzulässig:

Nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG ist die Vollstreckung einer Geldsanktion nicht zulässig, wenn die zugrunde liegende Entscheidung in einem schriftlichen Verfahren ergangen ist und der Betroffene oder ein nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates befugter Vertreter nicht über das Recht zur Anfechtung oder über die Fristen entsprechend den Vorschriften dieses Rechts belehrt worden ist.

Die Vorschrift schränkt den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung bereits ihrem Wortlaut nach in der Weise ein, dass ein Anfechtungsrecht überhaupt erst bestehen muss (Trautmann, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, a. a. O., Rn. 27; Bock, a. a. O., § 87b, Rn. 338; Böttger, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Auflage, 2012, Rn. 2808c; vgl. auch Gesetzesbegründung a. a. O., S. 25). Zudem muss in jedem Falle eine Belehrung erfolgen, auch dann wenn diese nach dem Recht des ersuchenden Staates nicht vorgesehen ist (vgl. auch die Gesetzesbegründung, a. a. O.).

Hinzu kommt, dass der Wortlaut nahelegt, dass dem Betroffenen tatsächlich ermöglicht worden ist, von der Belehrung Kenntnis zu nehmen.

Auch der Gesetzgeber hat die Gewährung rechtlichen Gehörs für erforderlich gehalten und macht dies an dem Begriff des schriftlichen Verfahrens nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG fest (vgl. auch Trautmann, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, a. a. O., Rn. 24f.). Die Gesetzesbegründung unterscheidet indes nicht klar, ob dies vor Erlass der zu vollstreckenden Entscheidung (hierfür Trautmann, NZV 2011, 57 [60]; Trautmann, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, a. a. O., Rn. 24: im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde) oder jedenfalls vor deren Rechtskraft zu erfolgen hat. Danach setzt das schriftliche Verfahren nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG voraus, dass dem Betroffenen „die ihm vorgeworfene Handlung durch die zuständige Behörde eines Mitgliedstaates vorher schriftlich bekannt gegeben worden ist“ (a. a. O., S. 25). Im Weiteren behandelt die Gesetzesbegründung jedoch das Erfordernis der Bekanntgabe der Entscheidung des ersuchenden Staates. Es kann hier indes die Frage offen bleiben, zu welchem Zeitpunkt nach dem Willen des Gesetzgebers rechtliches Gehör zu gewähren ist, denn das Amtsgericht hat es auch für unerheblich gehalten und damit nicht ausgeschlossen, dass dem Betroffenen in dem Zeitraum zwischen Erlass des Ausgangsbescheids vom 23. Mai 2013 und dessen Rechtskraft die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht eingeräumt worden ist.

Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist nach dem Willen des Gesetzgebers auch nicht obsolet, soweit die Vorgaben nach Art. 5 EU-RhÜbk beachtet sind. Der Gesetzgeber verweist in seiner Begründung zwar auf Art. 5 EU-RhÜbk, geht jedoch ausdrücklich lediglich auf das Übersetzungserfordernis nach Art. 5 Abs. 3 EU-RhÜbk ein. Folglich kann aus der Gesetzesbegründung nicht darauf geschlossen werden, dass eine Vorgehensweise in Übereinstimmung mit Art. 5 EU-RhÜbk bereits hinreichend wäre, sondern nur, dass in der Vorschrift notwendige Vorgaben enthalten sind.

Aus dem Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (RB Geld) ergibt sich nichts anderes. …..“

Andere Länder, andere Sitten – was die Zustellung angeht.

Und >>Werbemodus an: Zur Bestellung zum vom OLG zitierten „Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren“, geht es hier. Gibt es inzwischen in der 5. Auflage. <<Werbemodus aus>>.

Täteridentifizierung, oder: Wenn das Lichtbild eine „gewisse Unschärfe“ hat.

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Nach den gestrigen Strafzumessungsentscheidungen des BGH heute dann mal wieder OWi-Verfahren. Strafzumessung durch die OLG kommt dann nächste Woche. Zwei Tage hintereinander Strafzumessung ist zu viel.

Zunächst in der Reihe der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 03.11.2017 – 3 Rb 6 Ss 681/17. Thema: Dauerbrenner Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes. Der Betroffene ist durch das AG wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug verurteilt worden. Dagegen dioe Rechtsbeschwerde, die Erfolg hat:

„Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils führt zu dessen Aufhebung, weil die Beweiswürdigung zu der Feststellung, dass der Betroffene der Fahrer war, nicht den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgestellten Anforderungen in den Fällen der Identitätsfeststellung eines Betroffenen anhand eines bei , einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos (BGHSt 41, 376 = NZV 1996, 157) stand hält.

Ist der Tatrichter danach anhand eines Radarfotos zu der Überzeugung gelangt, der Betroffene und die auf dem Foto abgebildete Person seien identisch, gilt für die Darstellung in den Urteilsgründen folgendes:

Falls das Foto so deutlich ist, dass es zur Identifizierung des Betroffenen uneingeschränkt geeignet ist, genügt eine (deutliche und zweifelsfreie) Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG; eine zusätzliche Beschreibung einzelner Identifizierungsmerkmale ist dann entbehrlich. Ist das Foto – etwa aufgrund schlechter Bildqualität (z.B. erheblicher Unschärfe) oder aufgrund seines Inhalts – zur Identifizierung des Betroffenen nur eingeschränkt geeignet, so hat der Tatrichter zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind umso höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist.

Im vorliegenden Fall sind die Messfotos auf UA S 7a und 7 b, auf die das Amtsgericht verwiesen hat, so dass sie Urteilsbestandteil geworden sind und der Senat deren Eignung zur Identifizierung des Betroffenen aus eigener Anschauung würdigen kann, zur Identifizierung des Fahrers nur eingeschränkt geeignet, weil sie unscharf sind (UA S 5 oben: „gewisse Unschärfe“) und ein nicht unerheblicher Teil des Gesichts (oberer Teil der Stirn mit Haaransatz) wegen der Sonnenblende nicht sichtbar ist. Bei dieser Sachlage hätte das Amtsgericht, die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, benennen und beschreiben müssen.“

Man kann es nicht mehr lesen…..

Und wer wissen möchte, wo ich heute Bin: Fujairah 🙂

Strafzumessung III: Die „vergleichweise geringfügigen Verletzungen“ bei der gefährlichen Körperverletzung

entnommen wikimedia.org
Urheber User Gigaset

Und den Strafzumessungsreigen schließt für heute das BGH, Urt. v.  08.08.2017 – 5 StR 198/17 – ergangen in einem Verfahren mit einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Der StA passte die vom LG verhängte Strafe nicht. Die Revision hatte aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hatte seiner Strafzumessung den Strafrahmen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 2. Halbsatz StGB zugrunde gelegt. Für diese Annahme hat es als überwiegende strafmildernde Umstände insbesondere berücksichtigt, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte, der schon im Ermittlungsverfahren teilgeständig gewesen sei, die Tat aus einer hochgradigen Erregung heraus begangen habe. Der Impuls hierzu sei durch den vorausgegangenen Versuch des Geschädigten ausgelöst worden, tätlich auf ihn loszugehen. Damit habe das weitgehend fehlende Sühnebedürfnis des Geschädigten korrespondiert, der die Tat im Ermittlungsverfahren zunächst geleugnet habe, um dem Angeklagten eine Strafverfolgung zu ersparen. Außerdem habe die Tathandlung trotz ihrer abstrakten Lebensgefährlichkeit zu einer nur „vergleichsweise geringfügigen Verletzung“ des Geschädigten geführt, die keine konkrete Lebensgefahr mit sich gebracht und keine Operation erforderlich gemacht habe und bis auf verbliebene Narbenschmerzen folgenlos ausgeheilt sei.

Der BGH hat keine Bedenken:

„Ausgehend hiervon weist das Urteil keinen Rechtsfehler auf, wie der Generalbundesanwalt schon in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat. Ergänzend hierzu ist lediglich zu bemerken:

Zwar ist die Formulierung des Landgerichts im Rahmen der Strafzumessung, die Tat habe „zu einer nur vergleichsweise geringfügigen Verletzung des Geschädigten geführt“ (UA S. 11), vor dem Hintergrund misslungen, dass die Strafkammer unmittelbar anschließend auf die abstrakte Lebensgefährlichkeit der Verletzungshandlung und die bis auf Narbenbildung folgenlos ausgeheilten Verletzungen verweist (UA S. 11). Diese Erwägung ist aber offensichtlich dahin zu verstehen, dass durch den Messerstich trotz der gravierenden Verletzungen vor allem der Leber keine schweren dauerhaften Folgen beim Opfer verblieben sind. An diesem sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatgerichts und nicht an dessen Formulierungen hat sich die revisionsrichterliche Überprüfung der Strafzumessung zu orientieren (BGH, Urteile vom 14. Dezember 1999 – 1 StR 563/99, und vom 24. August 2016 – 2 StR 504/15 mwN).

Unbedenklich ist – wie § 46 Abs. 1 StGB, der ausdrücklich auf einen Ausgleich mit dem Verletzten verweist, und auch § 46a StGB belegen – ferner, dass die Strafkammer dem fehlenden Sühnebedürfnis des Opfers strafmildernde Bedeutung beigemessen hat.“

Strafzumessung II: Mal wieder Doppelverwertungsverbot – heute: Einsatz einer Scheinwaffe als Druckmittel

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Urheber Bunkerfunker
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Bei der zweiten Strafzumessungsentscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 26.09.2017 – 4 StR 342/17. Problematik: Dauerbrenner „Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB).

„Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl sowie bei der Strafzumessung im engeren Sinne zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser, obwohl er um den Umstand wusste, dass eine Schreckschusspistole als Mittel zur Bedrohung zum Einsatz kommen werde, seine eigenen finanziellen Interessen über die Interessen der Betroffenen gestellt habe. Dies verstößt ge-gen § 46 Abs. 3 StGB, wonach Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden dürfen. Der – aus Sicht des Angeklagten geplante – Einsatz einer Scheinwaffe als Druckmittel gehört aber zum Regelfall der Tatbestandsverwirklichung des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 1999 – 2 StR 342/99, StV 1999, 597). Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass sich dieser Wertungsfehler auf die verhängte Strafe ausgewirkt hat. Die Feststellungen sind davon nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben.“