Umgrenzungsfunktion der Anklage, oder: Das war dann nicht angeklagt

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Und als zweite Entscheidung des heutigen Tages verweise ich dann auf eine weitere „Anklageentscheidung“ des BGH, nämlich den BGH, Beschl. v. 31.05.2017 – 5 StR 108/17. Nichts Weltbewegendes, aber als (weiterer) Hinweis/Beleg darauf, dass die Revisionsgerichte mit den „Anklagefragen“ doch recht pingelig sind. Und das ist gut so 🙂 . Denn es handelt sich um Verfahrensvoraussetzungen, auf deren Einhaltung der Angeklagte einen Anspruch hat. Denn er soll ja schon wissen, um was es im Verfahren eigentlich geht. Und das war hier nicht gewährleistet:

„Die gegen den Angeklagten erhobene Anklage leidet an einem funktionellen Mangel. Sie genügt nicht den sich aus der Umgrenzungsfunktion ergebenden Mindestanforderungen an die Identifizierung der ihm vorgeworfenen Tat (§ 200 Abs. 1 StPO). Die Anklageschrift wirft dem Angeklagten D. vor, „eine Tat wie zu I. 1. begangen zu haben“ (Bd. VIII Bl. 60). Unter Ziffer I 1 bis 6 werden dem Mitangeklagten S. G. sechs selbständige Handlungen des unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt (Bd. VIII, Bl. 59 RS). Der Anklagesatz beschränkt sich hinsichtlich des Angeklagten D. auf die allgemeine Behauptung, er habe sich spätestens im Jahr 2014 mit den Mitangeklagten S. , A. , D. und F. G. zusammengeschlossen, um in der Folge gewinnbringend Betäubungsmittel zu vertreiben und den Erlös unter sich aufzuteilen (Bd. VIII Bl. 60 RS), er sei der Verkaufsebene der Bandenstruktur zuzurechnen und habe auch als Abwesenheitsvertreter fungiert (Bd. VIII Bl. 61 RS). An welcher konkreten (Banden-) Tat zu Ziffer I 1 bis 6 (Bd. VIII Bl. 62) der Angeklagte tatsächlich beteiligt gewesen sein soll, erschließt sich jedoch weder aus dem übrigen Anklagesatz noch aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen.

Da dieser Mangel im Eröffnungsbeschluss nicht behoben wurde (Bd. VIII Bl. 120), haftet er auch dem Beschluss selbst an (BGH, GA 80, 109). Die hieraus folgende Unwirksamkeit von Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss muss zur Einstellung des Verfahrens führen (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 200 Rn. 26).

Hinzu kommt, dass die abgeurteilten Taten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln am 7., 11. und 13. Ju-ni2015 (Bd. XI Bl. 52 RS) nicht Prozessgegenstand waren, weil sie weder Gegenstand der durch den Eröffnungsbeschluss zugelassenen Anklage noch einer Nachtragsanklage gegen den Angeklagten D. waren. Der vom Landgericht Berlin erteilte rechtliche Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO (Bd. X Bl. 106) steht der Anklageerhebung nicht gleich (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 260 Rn. 10).“

Und dann gibt es auch gleich noch „einen in der Sache mit“, wenn der BGH ergänzend bemerkt, „dass ein neu verhandelndes Tatgericht eine Annahme gewerbsmäßigen Handelns (§ 29 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 BtMG) sowie die Frage der Regelwirkung nach § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG sorgfältiger zu begründen haben wird, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist.

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