Vorsatz, oder: Immer dann, wenn der Lkw-Fahrer 52 % zu schnell ist

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Entscheidungen der OLG zum Vorsatz/zur Fahrlässigkeit bei der Geschwindigkeitsüberschreitung sind nicht so häufigt. Das OLG Celle hat aber jetzt vor kurzem mal wieder einen Beschluss veröffentlicht, in dem die Vorsatzfragen eine Rolle gespielt hat. Es ist der OLG Celle, Beschl. v. 23.06.2017 – 2 Ss (Owi) 137/17. Das AG hatte den betroffenen Lkw-Fahrer wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. U.a. dagegen hatte sich die Rechtsbeschwerde gerichtet, die keinen Erfolg hatte. Zum Vorsatz führt das OLG aus:

„bb) Auch die Annahme der vorsätzlichen Tatbegehung, unterliegt unter Berücksichtigung der im angefochtenen Urteil mitgeteilten Umstände keinen Bedenken.

Eine Verurteilung wegen Vorsatz setzt voraus, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbegrenzung wahrgenommen und deren Überschreitung zumindest billigend in Kauf genommen hat.

(1) Vorliegend war die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit im Bereich der dem Tatvorwurf gegen den Betroffenen zugrunde liegenden Geschwindigkeitsmessung auf 50 km/h herabgesetzt. Dies war durch ein aus Sicht des Betroffenen vor der Messstelle einseitig aufgestelltes Vorschriftszeichen angezeigt worden. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene das Verkehrsschild nicht sehen konnte oder nicht gesehen hat, sind nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass (ordnungsgemäß aufgestellte) Vorschriftszeichen, auch solche, durch die eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt, i.d.R. wahrgenommen werden und ein fahrlässiges Übersehen die Ausnahme darstellt. Daher braucht die Möglichkeit, dass der Betroffene das Vorschriftszeichen übersehen hat, nur in Rechnung gestellt zu werden, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben (vgl. BGH, 11. September 1997, 4 StR 638/96; OLG Celle NZV 2014, 232). Entsprechende Anhaltspunkte hat weder der Betroffene vorgetragen noch ergeben sie sich aus den sonstigen in dem angefochtenen Urteil mitgeteilten Umständen. Dem steht nicht entgegen, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit hier nur durch ein einseitig aufgestelltes Vorschriftszeichen herabgesetzt war.

Der vom Oberlandesgericht Brandenburg in seiner von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 19.05.2017 zitierten Entscheidung vom 20.02.2017, Az. (1) 53 SsOWi 56/17 (34/17) angestellten – die Entscheidung nicht tragenden – Erwägung, der Umstand eines lediglich einseitig aufgestellten Vorschriftszeichens spreche gegen die Regelvermutung der Wahrnehmung durch einen Betroffenen, vermag der Senat in ihrer Allgemeinheit nicht zu folgen. Dass die Regelvermutung ohne eine den Vorsatz bestreitende Einlassung des Betroffenen und ohne andere entgegen stehende Anhaltspunkte allein wegen des Umstands einer einmaligen und einseitigen Beschilderung entfallen soll, erschließt sich dem nicht. Dem stehen die von der Generalstaatsanwaltschaft zitierten früheren Entscheidungen des hiesigen Bußgeldsenats nicht entgegen. Der in der Entscheidung vom 26.01.2015 (Az. 322 SsBs 176/14) behandelte Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Denn der dortige Betroffene hatte eingewendet, das maßgebende einseitig aufgestellte Vorschriftszeichen nicht gesehen zu haben, während der Betroffene im vorliegenden Verfahren keine Einlassung zur Frage seiner Wahrnehmungen abgegeben hat. In der weiteren Entscheidung vom 17.10.2011 (Az. 322 SsBs 338/11) hatte das Amtsgericht – anders als im vorliegenden Fall – keinerlei Feststellungen zur vorhandenen Beschilderung getroffen, was den Senat zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht veranlasste. In der Entscheidung vom 17.10.2011 (Az. 322 SsBs 338/11) hat der Senat sich mit der Frage der Voraussetzungen der Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung nicht befasst.

(2) Das Amtsgericht ist zudem rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen hat.

Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich auch der erkennende Senat angeschlossen hat, kann bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen in der Regel von vorsätzlicher Begehungsweise ausgegangen werden, wobei dies bei Überschreitungen ab ca. 40 % angenommen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 28.02.2017, Az. 2 SsOwi 52/17 mwN).

Vorliegend hat der Betroffene die an der Messstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 26 km/h, mithin um 52 % überschritten. Anhaltspunkte dafür, dass er diese massive Überschreitung nicht erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen hat, hat er weder vorgetragen noch sind diese aus den sonstigen Umständen ersichtlich.“

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