„Reichsbürger“ (?) will sich nicht ausweisen, dann war es das mit Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle

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Offenbar um einen „Reichsbürger“ hat es sich bei dem Betroffenen des vom OLG Bamberg mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 24.03.2017 – 2 SsOW 329/17 – entschiedenen Bußgeldverfahrens gehandelt. Dafür spricht der Sachverhalt der OLG-Entscheidung: „Das AG verurteilte den Betr. am 10.11.2016 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 25 €. Dem Betr., der zu Beginn der Hauptverhandlung erschienen war, sich aber während der Verlesung des Bußgeldbescheides aus dem Sitzungssaal entfernte, wurde das in seiner Abwesenheit ergangene Urteil nebst Rechtsmittelbelehrung am 06.12.2016 zugestellt. Am 12.12.2016 erschien vor der zuständigen Rechtspflegerin des AG eine dieser unbekannte männliche Person und begehrte die Aufnahme einer Rechtsbeschwerde nebst Begründung zu Protokoll der Geschäftsstelle. Der Aufforderung der Rechtspflegerin, sich mittels eines Personalausweises oder Reisepasses zur Feststellung der Identität auszuweisen, kam die Person nicht nach, woraufhin die Rechtspflegerin von der Aufnahme des Protokolls absah. Die Person übergab daraufhin eine undatierte schriftliche Erklärung, aus der sich als Verfasser der Betroffene ergab und in der dieser sich gegen das im Verfahren ergangene Urteil wandte. Im Wesentlichen wurde geltend gemacht, es handele sich um ein willkürliches Scheinurteil, da den mit der Sache befassten Bediensteten die Befugnis fehle, im konkreten Fall tätig zu werden und das Urteil auf der Basis ungültiger Gesetze ergangen sei. Die am Richterpult anwesende Person habe es abgelehnt, sich zu legitimieren. Die Hauptverhandlung sei nie eröffnet und essentielle Fragen rechtswidrig unterbunden worden, so dass rechtliches Gehör verletzt worden sei.

Das AG hat den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, da das Rechtsmittel nicht innerhalb der Monatsfrist formgerecht begründet worden sei. Der Betroffene hat die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt. Sein Antrag blieb ohne Erfolg:

„a) Soweit der Betr. im Beschwerdeverfahren geltend machen will, dass er es gewesen sei, der sich am 12.12.2016 vor dem AG eingefunden habe und die Rechtsbeschwerdebegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle habe erklären wollen, und dass er sich ausreichend zu erkennen gegeben habe, rechtfertigt dies eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht. Zwar hat der Betr. einen Anspruch darauf, dass der nach § 24 I Nr. 1a RPflG zur Aufnahme der Erklärung zuständige Rechtspfleger sein Vorbringen zur Erhebung von Verfahrensrügen sowie seine Ausführungen zur Sachrüge, soweit nicht völlig neben der Sache liegend, aufnimmt (LR/Franke StPO 26. Aufl. § 345 Rn. 38 ff.). Die Aufnahme des Protokolls setzt jedoch persönliche Anwesenheit des Betr. oder seines Vertreters vor dem Urkundsbeamten voraus (BayObLG NJW 1976, 157). Es gehört zum Wesen des Protokolls, dass der Beteiligte sich vor dem Urkundsbeamten erklärt, und dass dieser das von ihm Erklärte beurkundet. Mithin muss der Urkundsbeamte sich Gewissheit verschaffen, mit wem er verhandelt (OLG Hamm NJW 1952, 276) und Klarheit über den Inhalt von dessen Erklärungen erhalten (KK/Paul314 Rn. 7). Denn das Protokoll erbringt als öffentliche Urkunde den vollen Beweis dafür, dass eine bestimmte Erklärung von der im Protokoll bezeichneten Person abgegeben wurde, § 415 ZPO (BGH NJW 1981, 1627 unter Hinweis auf RGSt 48, 78, 81). Die Formerfordernisse des § 345 II StPO i.V.m. § 80 IIII 3 OWiG sollen insoweit verhindern, dass ein Rechtsmittel schon von vornherein an Formfehlern und sonstigen Mängeln leidet. Sie dienen nicht allein den Interessen des Betr., sondern sollen auch das Rechtsbeschwerdegericht entlasten, dem die Prüfung grundloser oder unsachverständiger Anträge erspart werden soll (LR/Franke § 345 Rn. 17 mit Hinweis auf BGH NStZ 1984, 563); die persönliche Anwesenheit des Betr. bzw. seines Vertreters soll die stets erforderliche Beratung und Besprechung von Einzelfragen bei der Aufnahme der Erklärung sicherstellen (KK/Gericke § 345 Rn.10, 20). Wie sich der zuständige Rechtspfleger Gewissheit über die Identität eines ihm nicht bekannten Beteiligten verschafft, liegt in seinem Ermessen und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. In geeigneten Fällen mag die Feststellung der Identität aufgrund eigener Sachkunde ausreichend sein, im Regelfall aber wird dies durch Vorlage eines mit einem Lichtbild versehenen Ausweises geschehen. Sofern sich der Rechtspfleger keine Gewissheit über die Identität des Erklärenden verschaffen kann, weil dieser seine Identität nicht hinreichend belegt, ist er nicht verpflichtet, die Erklärung der Person zu Protokoll zu nehmen.“

Tja, irgendwie „verrückt“ das Vorgehen dieses Betroffenen.

6 Gedanken zu „„Reichsbürger“ (?) will sich nicht ausweisen, dann war es das mit Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle

  1. Thomas' Fischer

    Ziemlich unfair unser Rechtssystem. Der arme Reichsbürger muss sich nach dem Ermessen des Rechtspflegers ausweisen, während er bei der „am Richterpult anwesenden Person“ einfach glauben muss, dass sie Recht sprechen darf.

  2. schneidermeister

    Da gibt es abersowieso kaum mehr Richter, die sind weitgehend abgesetzt oder im Knast 🙁

  3. n.n.

    Er könnte zu einem Kopfdoktor gehen und mit entsprechendem Attest erneut Wiedereinsetzung beantragen. Sofern eine Erkrankung die Vorlage des Ausweises gehindert haben sollte, müsste das doch möglich sein. 😀

  4. Anne Jeziorski

    Gute Idee, Die Türkei wartet auf die Reichsbürger, die sich nicht ausweisen müssen, aber sich selbst ausweisen?:-))

  5. RA Löwenstein

    In der Hauptverhandlung wird der Betroffene/Angeklagte aber auch nicht nach seinem Ausweis gefragt. Genausowenig die Zeugen. Auch als Anwalt wurde ich noch nie gefragt, ob ich derjenige bin, der ich vorgebe zu sein. Deshalb scheint es etwas systemwidrig, wenn für die Aufnahme einer Protokolls durch den Rechtspfleger verlangt wird, daß die Person sich ausweist. Wenn bei Gericht ein Schreiben eingeht, das (vermeintlich) von einem Anwalt unterzeichnet ist, wird doch auch nicht geprüft, ob der Unterzeichner tatsächlich Anwalt ist und somit die Rechtsbeschwerde-/Revisionsbegründung wirksam bei Gericht angebracht wurde. Genausowenig wird die Identität desjenigen geprüft, der gegenüber dem Gericht schriftlich eine Eingabe macht, für die kein Anwaltszwang besteht.

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