Absehen vom Fahrverbot, oder: dünner werdende Besiedlung und Vermutung „außerorts“ reicht nicht

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Heute will ich dann mal wieder ein paar verkehrsrechtliche Entscheidungen vorstellen. Ich eröffene mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.05.2016 – 2 (B) 53 Ss-OWi 116/16 (57/16), also „uralt. Das OLG hat ihn aber erst vo kurzem übersandt. Es geht um das Absehen vom Fahrverbot. Das AG hatte abgesehen. Der Betroffene hatte abgesehen. Begründung: „Der Betroffene habe sich „aufgrund unzureichender Aufmerksamkeit über die geltende Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle geirrt“. Nach seiner glaubhaften Einlassung sei er „in dieser Gegend als Ortsunkundiger unterwegs“ gewesen und habe „vermutet“, dass er sich „längst außerorts“ befunden habe. Die Geschwindigkeitsübertretung sei mit Rücksicht auf die in den Beschlussgründen näher beschriebene Örtlichkeit der Messstelle, die einen ländlichen Eindruck vermittelte und gerade bei ortsfremden Fahrzeugführern eine hohe Quote an Geschwindigkeitsverstößen provoziere, nicht als grobe Zuwiderhandlung, sondern als augenblickliches kurzzeitiges Fehlverhalten zu werten.“

Das OLG meint: Das reicht so nicht:

„Eine grobe Pflichtverletzung kann beispielsweise dann auszuschließen sein, wenn die Ordnungswidrigkeit darauf beruht, dass der Betroffene infolge einfacher Fahrlässigkeit ein die Geschwindigkeit begrenzendes Zeichen übersehen hat und keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer sich die Geschwindigkeitsbeschränkung aufdrängen musste (BGH NJW 1997, 3252; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13. April 1999 – 2b Ss OWi 85/99, zit. nach Juris; Senat, Beschl. v. 10. November 2004 – 2 Ss-OWi 106 B/04). Eine solche Fallkonstellation liegt nicht vor, denn dem Betroffenen war nach den getroffenen Feststellungen zunächst bewusst, dass er sich innerorts befand. Wenn er sich dann nach Verlassen des Ortskerns aufgrund dünner werdender Besiedelung und weitgehend fehlender Bebauung zu der Annahme verleiten lässt, er sei bereits außerhalb der Ortslage, vermag dies einen Ausnahmefall, der ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, regelmäßig nicht zu begründen (vgl. BayObLG NZV 1997, 89, 90; OLG Hamm DAR 2001, 322, 323). Dies gilt umso mehr, als der Betroffene nach seiner Einlassung lediglich „vermutete“, sich „längst außerorts“ zu befinden. Auf eine solche Vermutung darf sich ein sorgfältiger und pflichtbewusster Verkehrsteilnehmer ungeachtet des Eindrucks, den die Örtlichkeit der Messstelle vermittelt, nicht verlassen. Eine grobe Pflichtverletzung ist insoweit nicht ausgeräumt, sondern liegt auf der Hand.“

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