Unfallmanipulation, oder: Wenn die Versicherung den Spieß umdreht

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Urheber Opihuck

Eine Unfallmanipulation der etwas anderen Art hat die zweite samstägliche Entscheidung zum Gegenstand (zur ersten Entscheidung aus diesem Reservoir den BGH, Beschl. v. 26.01.2017 – 1 StR 636/16 und dazu Unfallmanipulation, oder: Wann ist der Rechtsanwalt (strafbarer) Gehilfe?). Es handelt sich um das OLG Hamm, Urt. v. 22.11.2016 – 9 U 1/16. Der dortige Kläger war Halter und Eigentümer eines Volvo XC 60. Er hat nach einem „Verkehrsunfall“ vom Haftpflichtversicherer des „Unfallgegners“ rund 11.200 € Schadensersatz verlangt. Bei dem Unfall soll sein auf einem Parkstreifen geparktes Fahrzeug durch einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten Mercedes Sprinter beschädigt worden sein. Nach der Behauptung des Klägers streifte und beschädigte der Sprinter bei der Vorbeifahrt drei vor seinem Fahrzeug abgestellte Pkw und sodann auch seinen Pkw. Bei dem Sprinter handelte es sich um ein Leihfahrzeug einer Autovermietung. Der Mieter war vom Kläger zunächst mitverklagt worden.

Die Haftpflichtversicherung des Spinters hat „Unfallmanipulation“ eingewandt. Der Kläger habe in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt, so dass ihm keine Schadensersatzansprüche zustünden. Vielmehr habe der Kläger der Beklagten die für den beschädigten Sprinter aufgewandten Reparaturkosten von ca. 13.000 € und die für die Aufklärung der Unfallmanipulation angefallenen Sachverständigenkosten von ca. 7.000 € zu erstatten. Und die Beklagte hat den „Spieß umgedreht und hat diese Beträge mit einer Widerklage vom Kläger verlangt.

Das LG hat Klage und Widerklage abgewiesen. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er sein Fahrzeug unbeschädigt am späteren Unfallort abgestellt habe. Die Beklagte habe ein manipuliertes Unfallgeschehen nicht nachgewiesen, bei dem der Kläger in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt habe. Dagegen die Berufung der Beklagten, die beim OLG Erfolg hatte. Das OLG sagt: Verabredet der Eigentümer die Beschädigung seines Fahrzeugs durch ein manipuliertes, mit einem Mietwagen ausgeführtes Unfallgeschehen, erhält er keinen Ersatz für den an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden. Vielmehr schuldet er dann noch die Reparaturkosten für den beschädigten Mietwagen. Der Kläger hat die Entscheidung des Landgerichts hingenommen und erhält deswegen keinen Ersatz für den an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden. Demgegenüber hat die Beklagte gegen die Abweisung der Widerklage Berufung eingelegt.

Das OLG geht nach der durchgeführten Beweisaufnahme – nahc Auswertung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens – von einem manipulierten Unfall aus: Das unfallanalytische Sachverständigengutachten habe nämlich ergeben, dass das Fahrzeug des Klägers nicht – wie von ihm behauptet – in einer Vorwärtsfahrt in Fahrtrichtung des Sprinters, sondern während eines Zurücksetzens desselben beschädigt worden sei. Dabei spielte auch eine Rolle, dass der Eigentümer eines anderen am vermeintlichen Unfallgeschehen beteiligten Fahrzeugs in Bezug auf von ihm geltend gemachte Schadensersatzansprüche des versuchten Betruges überführt worden sei. Außerdem habe der Fahrer/Mieter des Sprinter das Unfallgeschehen nachweislich falsch dargestellt, um den geschädigten Fahrzeugeigentümern Schadensersatzansprüche zu verschaffen:

„Allein diese Tatsachen rechtfertigen mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit die tatsächliche Feststellung, dass auch der Kläger in die Beschädigung des von ihm gehaltenen Volvo XC 60 eingewilligt hat.

Ergeben die im Rahmen der persönlichen Anhörung zum Unfallhergang gemachten Angaben des Schädigers, hier des Beklagten zu 1), dass diesen keinen Glauben geschenkt werden kann, gereicht dies nicht stets im Sinne eines Automatismus dem Anspruchsteller zum Nachteil. Denn dieser kann, insbesondere, wenn er wie vorliegend, das Unfallgeschehen nicht selbst wahrgenommen hat, sich zur Schilderung des Unfallereignisses nur auf die Angaben des Schädigers, eventuell vorhandener Zeugen und die vorgefundene Spurenlage stützen. Erscheinen die Angaben des Schädigers unplausibel, besagt dies zunächst einmal nur etwas über die Werthaltigkeit der Angaben des Schädigers und nichts über eine dahinter stehende kollusive Schädigungsabsicht. Sind die Angaben des Schädigers allerdings so konstruiert und/oder in gesteigertem Maße mit objektiven Anhaltspunkten nicht in Einklang zu bringen, dass das Gericht mit der erforderlichen Gewissheit zu der Überzeugung gelangt, dass diese als unwahr nachgewiesenen Angaben nur den einen Zweck, das Herbeiführen eines allein den Interessen des Geschädigten dienenden manipulierten Unfalls, verfolgen, ist es gerechtfertigt, auch das Verhalten des Schädigers bei der vorzunehmenden Abwägung aller Indizien des Einzelfalls mit einzustellen (OLG Hamm, Beschluss vom 24. Juni 2016 – I-9 U 70/16 –, Rn. 12, juris). So liegt der Fall aus den dargelegten Gründen auch hier.“

Und das war es dann: Der Kläger bleibt auf seinem „Schaden“ (?) sitzen und muss außerdem der Versicherung die Reparaturkosten für den beschädigten Mietwagen und die Sachverständigenkosten zahlen.  Ganz schön „teurer Spaß“ 🙂 . Vielleicht dient so etwas ja als Abschreckung, denn letztlich zahlen ja die anderen Versicherungsnehmer ggf. solche „Schadensleistungen“ über ihre Beiträge mit.

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