Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, oder: Wenn der Beifahrer einen Radfahrer „vom Rad holt“

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Meist ist es ja der BGH, der zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) „Stellugn nimmt“. Hier haben wir aber mal wieder eine OLG-Entscheidung, nämlich den OLG Hamm, Beschl. v. 31.01.2017 – 4 RVs 159/16, und zwar zu einer etwas atypischen Verkehrssituation:

Am 07.07.2015 gegen 22:15 Uhr befuhr der Zeuge T mit seinem Fahrrad die N-straße in Q aus Richtung L kommend. In dem verkehrs-beruhigten Bereich (Spielstraße)der Kreuzung N-straße/I-straße überholte erden dort stehenden bzw. gerade wieder anfahrenden Pkw vom Typ N1,amtliches Kennzeichen ## ## ###, welcher von dem vormaligen Mitangeklagten Y gesteuert wurde und in welchem sich der Angeklagte E als Beifahrer befand, mit hoher Geschwindigkeit rechts und bog sodann knapp vor dem N1 nach rechts in die I-straße in Richtung H-straße ein. Der Zeuge Y, welcher ebenfalls gerade nach rechts abbiegen wollte, war hierdurch gezwungen, wieder zu bremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Aufgrund des riskanten Fahrmanövers entschlossen sich nun der Zeuge Y und der Angeklagte, den Zeugen T für dessen Verhalten zur Rede zu stellen. Der Zeuge Y beschleunigte daher den Pkw stark, hupte, überholte den Zeugen T. dessen Fahrrad und lenkte den Pkw sodann schräg nach rechts, um diesem den Weg abzuschneiden. Gleichzeitig – noch während des Abdrängens – öffnete der Angeklagte E, den Plan des Zeugen Y unterstützend, ein Stück weit die Beifahrertür. Durch das Querstellen des Fahrzeuges sowie das gleichzeitige Öffnen der Beifahrertür sah der Zeuge T seinen Fahrweg versperrt und sich zu einer Notbremsung und einem Ausweichmanöver gezwungen. Dabei prallte er gegen die Rückseite des am rechten Straßenrand geparkten PKW P der Zeugin T und stürzte vom Fahrrad. Der Zeuge Y hielt den M1 nur kurz an. Nachdem er und der Angeklagte den Sturz des Radfahrers registriert hatten, fuhren sie sodann unter starker Beschleunigung davon, ohne sich bei diesem über sein Wohlergehen zu erkundigen.“

Das LG verurteilt wegen „eines gemeinschaftlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach den §§ 223 Abs. 1,224 Abs. 1 Nr. 5, 315 b Abs. 1 Nr. 3, 25 Abs. 2, 52 StGB. Und das „hält“ beim OLG Hamm:

„a) Der Angeklagte ist – wie das Landgericht Paderborn zutreffend angenommen hat – Mittäter i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB. Unschädlich ist, dass er als Beifahrer das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat. Bei § 315 b Abs. 1 StGB handelt es sich nicht um ein eigenhändiges Delikt. Täter i.S.v. § 315 b Abs. 1 StGB kann jeder – auch der Beifahrer – sein, der das tatbestandsmäßige Geschehen im Sinne der Nummern 1 bis 3 beherrscht. Dies gilt auch im Fall des hier vorliegenden sog. verkehrsfremden Inneneingriffs. Anknüpfungspunkt ist insoweit gerade nicht das Führen des Fahrzeugs. Es kommt vielmehr darauf an, dass das Fahrzeug nicht mehr als Mittel der Fortbewegung genutzt, sondern zur Verletzung oder Nötigung eingesetzt wird (Wolters in: SK-StGB, 9. Aufl., § 315 b Rn. 26; König in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 315 b Rn. 92; Pegel in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 315 b Rn. 60). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Angeklagte hat nach den Feststellungen des Landgerichts die Beifahrertür des von dem Zeugen Y gelenkten Fahrzeugs bewusst geöffnet, um den geschädigten Zeugen T abzudrängen und „vom Rad zu holen“. Damit hat er das Fahrzeug im vorbeschriebenen Sinne zweckentfremdet.

b) Es bedarf entgegen den Ausführungen des Landgerichts keines Rückgriffs auf die Generalklausel des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Wer im fließenden Verkehr mit seinem Kraftfahrzeug einem anderen Verkehrsteil-nehmer den Weg abschneidet, ohne durch die Verkehrslage irgendwie dazu veranlasst zu sein und um dem anderen die Weiterfahrt unmöglich zu machen, bereitet ein Hindernis im Sinne von § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB (BGH, Beschluss vom 01.09.1967 – 4 StR 340/67; Beschluss vom 15.12.1967 – 4 StR 441/67; Sternberg-Lieben/Hecker in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 315 b Rn. 8).

So ist es hier. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte bereits vorsätzlich ein Hindernis im Sinne von § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB bereitet, indem der frühere Mitangeklagte Y entsprechend eines zuvor gemeinsam gefassten Tatplans das von ihm gelenkten Fahrzeug schräg nach rechts lenkte, während der Angeklagte die Beifahrertür öffnete, um dem Geschädigten T so den Weg abzuschneiden.“

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