Unterbringung und Gefährlichkeitsprognose, oder: Sind Angriffe auf Polizeibeamte ggf. weniger „gefährlich“?

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Unterbringungsfragen (§§ 63, 64 StGB) spielen in der Rechsprechung des BGH eine doch recht große Rolle.Das zeigen die vielen Entscheidungen der Strafsenate, die sich mit den damit zusammenhängenden Fragen befassen. Das gehört u.a. auch der BGH, Beschl. v. 14.02.2017 – 4 StR 565/16.

Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung freigesprochen. Zugleich hat es aber u.a. seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des LG hatte der Angeklagte am 28.08.2014 zuhause Bier getrunken. Gegen 22.00 Uhr fuhr er mit seinem Pkw zu einer Tankstelle, um weiteres Bier zu kaufen. Dabei war ihm bekannt, dass er aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses und des Konsums von Cannabis fahruntüchtig war. Schließlich fuhr er geradeaus über einen Kreisverkehr, wodurch sein Pkw beschädigt wurde und liegen blieb. Zu diesem Zeitpunkt wurde er bereits von einer Polizeistreife mit eingeschaltetem Blaulicht verfolgt. Nachdem er einer Aufforderung der Polizeibeamten zum Verlassen seines Fahrzeugs keine Folge geleistet hatte, wurde er aus dem Fahrzeug gezogen und zur Durchführung weiterer Durchsuchungsmaßnahmen an das Auto gelehnt. In der Folge wurde der Angeklagte zunehmend aggressiver und musste deshalb gefesselt werden. Danach unternahm er mehrere Kopfstöße in Richtung eines Polizeibeamten, der diesen jedoch ausweichen konnte. Dabei beleidigte er den Beamten unter anderem mit den Worten „Scheißbulle“ und „Hurensohn“. Nachdem er in den Streifenwagen verbracht worden war, versuchte er erneut, den neben ihm sitzenden Polizeibeamten mit Kopfstößen zu treffen; außerdem wiederholte er ständig die bereits angeführten Beleidigungen. Die Strafkammer hat aufgrund eines Sachverständigengutachten angenommen, dass der Angeklagte bei Tatbegehung aufgrund einer paranoiden Schizophrenie mit aku-ter psychotischer Symptomatik sowie einer Alkohol- und Cannabisintoxikation bei sekundärer Alkoholabhängigkeit und THC-Missbrauch schuldunfähig war.

Der BGH hat die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB aufgehoben, weil die Urteilsgründe des LG nach seiner Auffassung nicht belegen, dass zwischen der psychischen Erkrankung des Angeklagten und den Anlasstaten ein symptomatischer Zusammenhang besteht. So weit, so gut. Da muss das LG also nacharbeiten.

Und dafür gibt der BGH Folgendes mit auf den Weg:

„Sollte die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf der Grundlage des § 63 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 erneut in Betracht gezogen werden, wird hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen sein, dass Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, nicht ohne weiteres dem Bereich der erheblichen Straftaten zuzurechnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, 32). Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass von dem Beschuldigten in Zukunft (auch) Taten vergleichbar der Anlasstat zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten zu erwarten sind, wird er bei deren Gewichtung in den Blick zu nehmen haben, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicherweise weniger gefährlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16, Rn. 19).“

Hatte ich in dem BGH, Beschl. v. 19.01. 2017 – 4 StR 595/16 – überlesen.

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