Täteridentifizierung und kein Ende, oder: Das KG zeigt, worauf es ankommt

© fotoknips – Fotolia.com

Die Täteridentifizierung im Bußgeldverfahren anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes war erst gestern Gegenstand eines Postings hier im Blog. Da ging es um den OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17 -, der die Rechtsprechung des OLG Bamberg aus der letzten Zeit (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 14. 11. 2016 – 3 Ss OWi 1164/16 und dazu: Täteridentifizierung, oder: Mainstream vom OLG Bamberg)  „fortsetzt“ (vgl. zum Beschl. v. 06.02.2017 Nochmals: Täteridentifizierung, oder: Wie muss die Lichtbildbezugnahme aussehen?). Im Anschluss/als Reaktion auf das Posting hat mit der Kollege Fricke vom AG Tiergarten den KG, Beschl. v. 13.02.2017 – 3 Ws (B) 23/17 – 122 Ss 9/17 – übersandt. Denn stelle ich dann heute hier gleich vor. Er behandelt zwar nicht die Frage der ordnungsgemäßen Bezugnahme i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, stellt aber noch einmal sehr schön vor/zusammen, worauf es ankommt:

„a) Der bloße Hinweis auf die „Inaugenscheinnahme der Tatfotos“ war vorliegend – weder für sich genommen noch in der Gesamtschau – ausreichend, um die gericht­liche Überzeugungsbildung zu begründen. Im Fall der Identifizierung eines Betroffe­nen als Täter müssen die Urteilsgründe so abgefasst sein, dass dem Rechtsbe­schwerdegericht die Prüfung möglich ist, ob ein im Rahmen einer Geschwindigkeits­messung gefertigtes Lichtbild überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Ausreichend ist es hierfür, dass in den Urteilsgründen auf das sich in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen wird, wodurch das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe wird und vom Rechtsbeschwerdegericht dann zur Prüfung der Frage, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist, selbst in Augenschein genommen werden kann. Macht der Tatrichter von dieser Möglichkeit Gebrauch und ist das Foto zur Identifizie­rung uneingeschränkt geeignet, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich (vgl. BGHSt 41, 376, juris Rn. 21 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Juli 2013 – IV-3 RBs 67/13 –, juris Rn. 3 und VRS 112, 43; OLG Hamm, Beschlüsse vom 21. August 2007 – 3 Ss­OWi 464/07 – und 26. November 2007 – 2 Ss OWi 757/07 –, juris Rn. 5). Die Bezug­nahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO muss deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein. Alleine der Hinweis, das Lichtbild sei in Augenschein genommen und mit dem Betroffenen verglichen worden, genügt den Anforderungen nicht (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Köln NJW 2004, 3274; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 238). Dadurch wird lediglich der Beweiserhebungsvorgang beschrieben, nicht aber der Wil­le zum Ausdruck gebracht, das Foto zum Bestandteil der Urteilsurkunde zu machen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Juli 2013 a.a.O.). Sieht der Tatrichter von der erleichternden Verweisung auf das in Augenschein genommene Foto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG ab, so müssen die Urteilsgründe durch Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) und durch eine Be­schreibung der abgebildeten Person oder mehrerer charakteristischer Identifizie­rungsmerkmale dem Rechtsmittelgericht in gleicher Weise wie durch das Betrachten des Belegfotos die Prüfung eröffnen, ob das Lichtbild zur Identifizierung des Fahrers geeignet ist (vgl. BGH a.a.O., juris Rn. 26; Senat, VRS 111, 145, VRS 114, 38 und Beschluss vom 13. September 2012 – 3 Ws (B) 512/12 –; OLG Bamberg NZV 2008, 211). Das Erfordernis, die Bildqualität darzulegen, ist aber kein Selbstzweck. Es soll dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung ermöglichen, ob das (seiner Be­trachtung entzogene) Foto zur Identifizierung generell geeignet ist. Diesen Anforde­rungen ist Rechnung getragen, wenn das Urteil darlegt, dass ein hinzugezogener anthropologischer Sachverständiger das Tatfoto für aussagekräftig gehalten hat und das Urteil alle vom Sachverständigen für relevant gehaltenen Besonderheiten dar­stellt, so dass das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehen kann, dass das Amtsge­richt das Lichtbild als geeignete Grundlage dafür gesehen hat, den Fahrer zu identifi­zieren (Senat, Beschluss vom 25. November 2016 – 3 Ws (B) 587/16 –).

Vorliegend erfolgt weder eine Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG in den Urteilsgründen noch die dann erforderliche ausführli­che Beschreibung der Qualität der Lichtbilder und der abgebildeten Person oder mehrerer ihrer charakteristischen Identifizierungsmerkmale. Ob und inwieweit das vom Amtsgericht zum Vergleich herangezogene Lichtbild bzw. die herangezogenen Lichtbilder zur Identifizierung geeignet sind, kann somit anhand der Urteilsfeststel­lungen durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht geprüft werden.

Soweit das Gericht darauf abstellt, es habe seine Überzeugung von der Fahrerei­genschaft des Betroffenen auf einen visuellen Vergleich des Tatfotos mit dem Be­troffenen in der Hauptverhandlung gestützt, so stellen die diesbezüglichen Ausfüh­rungen, weder für sich genommen noch in der Gesamtschau, eine ausreichende Be­gründung dar. Weil das Gericht in den Urteilsgründen von einer erleichternden Ver­weisung auf das Beweisfoto abgesehen hat, hätte die Beschreibung des Fotos und des Vergleichs der Abbildung mit dem Betroffenen im oben genannten Sinne ent­sprechend ausführlich erfolgen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Das Ge­richt führt aus, dass insbesondere für eine Übereinstimmung des Fahrers auf dem Tatfoto mit dem Betroffenen spreche, „dass sowohl das linke Ohr des Fahrers als auch das linke Ohr des Betroffenen oben nicht oval verlaufen, sondern jeweils eine deutliche, gleich verlaufende Einkerbung“ aufzeigten. Sowohl der Betroffene als auch der Fahrer auf dem Tatfoto, würden darüber hinaus eine „ähnlich hohe Stirn und ei­nen übereinstimmenden Haaransatz“ aufweisen. Auch sei „der Verlauf der oberen Augenbrauenform beim Betroffenen und beim Fahrer auf dem Fahrerfoto aus Sicht des Gerichts identisch“. Einzig mit der geschilderten Einkerbung am linken Ohr hat das Gericht eine charakteristische Eigenart entsprechend dem oben genannten Maßstab beschrieben. Die ferner vom Gericht erkannten Übereinstimmungen im Be­reich der Stirnpartie, des Haaransatzes und des Verlaufs der Augenbrauen sind zu allgemein ausgeführt, um die visuell erkannte Ähnlichkeit für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar erscheinen zu lassen.“

Auch das, was das KG dann zum anthropologischen Sachverständigengutachten ausführt ist lesenswert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert