Abgehörte Verteidigergespräche; oder: Das muss „unverzüglich“ gelöscht werden

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Schon etwas älter ist der AG Dresden, Beschl. v. 30.06.2016 – 271 Gs 2457/16, ich habe ihn aber erst gestern erhalten habe. Der Beschluss ist für Verteidiger m.E. ganz interessant, da er sich mit der Frage der unverzüglichen Löschung von Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung befasst, bei der auch Gespräche des Beschuldigten mit seinem Verteidiger und/oder dessen Kanzleimitarbeitern abgehört worden sind.

So war es in Dresden. Angeordnet worden war eine TÜ in einem Verfahren wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Die Anordnung erging mit Beschluss vom 11.08.2014. Während der daraufhin rfolgenden Überwachung werden am 12.08.2014 auch Telefongespräche zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger und dessen Kanzlei protokolliert, verschriftet und zur Akte genommen. Darüber wird der Verteidiger nicht informiert. Am 07.07.2015 werden die Gespräche dann – nachdem der Verteidiger einen entsprechenden Antrag gestellt hatte – gelöscht. Der Verteidiger hat seine Anträge dann umgestellt, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit, dass die beiden Gespräche nicht spätestens mit Ablauf des 12.08.2014 gelöscht worden sind. Ferner bemängelt er, dass eine Benachrichtigung seiner Person als Beteiligter im Sinne des § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO bislang unterblieben ist.

Und das AG gibt ihm Recht:

„Nach § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO sind die Beteiligten der überwachten Telekommunikation grundsätzlich zu benachrichtigen. Da Ausnahmen nach § 101 Abs. 4 Satz 3 bis 5 StPO nicht vorliegen und eine Gefährdung des Untersuchungszwecks (§ 101 Abs. 5 Satz 1 StPO) jedenfalls nach der Inhaftierung des Beschuldigten im August 2014 nicht mehr vorlag, wäre der Verteidiger als Beteiligter der Telekommunikation und Inhaber des von der Überwachung zufällig betroffenen Telefonanschlusses seiner Kanzlei zu benachrichtigen gewesen.

Die Erkenntnisse aus der Überwachung der beiden Telefongespräche dürfen gem. § 160a Abs. 1 Satz 2 und Satz 5, Abs. 3 StPO nicht verwendet werden, da sowohl Rechtsanwalt Pp. als Verteidiger des Beschuldigten gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO als auch seine Kanzleimitarbeiterin gem. §§ 53a Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO das Zeugnis verweigern dürften. Da beide Telefonate in unmittelbarer Verbindung zur Position von Rechtsanwalt Pp. als Strafverteidiger des Beschuldigten stehen, unterliegt der gesamte Inhalt beider Gespräche dem Schutz der §§ 53, 53a StPO. Gem. § 160a Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 StPO sind diese Aufzeichnungen unverzüglich zu löschen, was vorliegend nicht geschehen ist. Diese Regelung geht der Regelung in § 101 Abs. 7 StPO vor (BGH, Beschluss vom 18.02.2014, Az. StB 8/13).

Der Schutzzweck des Löschungsgebots erfordert eine enge Interpretation des Unverzüglichkeitsmerkmals. Starre Fristen folgen daraus allerdings nicht. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei ist etwa zu berücksichtigen, dass den Ermittlungspersonen die Möglichkeit einer Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft eingeräumt werden muss. Wenn aber wie vorliegend die Gespräche ohne Auswertung und Bewertung verschriftet werden und überhaupt keine Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft gehalten wird und diese deshalb erst Monate später durch eine Rüge des Verteidigers von der Aufzeichnung und Verschriftung erfährt, liegt kein sachlicher Grund vor, der eine weitere Verzögerung der Löschung rechtfertigen könnte. Eine Auswertung scheint diesbezüglich nicht stattgefunden zu haben. Den Ermittlungspersonen war es ausweislich des E-Mail-Verkehrs mit der Staatsanwaltschaft vom 26.06.2015 und 01.07.2015 überhaupt nicht bewusst, dass die Gespräche verschriftet wurden. Auch andere Verzögerungsgründe wurden nicht vorgetragen. Die Löschungspflicht trifft aber schon die Ermittlungsperson, die mit der Auswertung der Aufzeichnung betraut ist und nicht erst die Staatsanwaltschaft (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 100a Rn. 27, § 160a Rn. 5). Deshalb hätten jedenfalls vorliegend die Gespräche spätestens mit Ablauf des 12.08.2014 mangels Vorliegen sachlicher Verzögerungsgründe gelöscht werden müssen.“

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