Klassiker II: Mal wieder rechtlicher Hinweis nicht erteilt

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Der zweite Klassiker vom BGH ist heute der BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – 2 StR 84/16. In der Entscheidung geht es um einen „vergessenen“ rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO. Auch ein häufiger Fehler. Daher Klassiker und i.d.R. Selbstläufer in der Revision. Dazu der BGH – daraus erschließt sich der Sachverhalt:

„Die Rüge einer Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO ist begründet.

a) Die unverändert zugelassene Anklage legte dem Angeklagten zur Last, H. L. getötet zu haben, um die zuvor zu ihrem Nachteil begangene gefährliche Körperverletzung zu verdecken (§ 211 Abs. 2, 3. Gruppe, Var. 2 StGB). Im Eröffnungsbeschluss wurde der Angeklagte zwar darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen in Betracht komme, wenn „der Angeklagte seine Lebensgefährtin tötete, weil diese sich von ihm trennen und er dies nicht akzeptieren wollte“. Ein Hinweis darauf, dass die Annahme niedriger Beweggründe – wie in den Urteilsgründen geschehen – auch darauf gestützt werden konnte, dass der Angeklagte sie töte-te, um zu verhindern, dass sie gegenüber Freunden und der Familie offenbaren könnte, dass er „ein Angeber und Lügner sei“, er mit der Tat habe verhindern wollen, dass die von ihm errichtete „Scheinwelt“ zusammenbreche, ist dem Angeklagten nicht erteilt worden. Dies ist mit § 265 Abs. 1 StPO nicht zu vereinbaren.

aa) Ein rechtlicher Hinweis ist zu erteilen, wenn der Angeklagte wegen einer andersartigen Begehungsform des in der zugelassenen Anklageschrift aufgeführten Strafgesetzes verurteilt werden soll. Dies gilt insbesondere beim Übergang vom Vorwurf des Verdeckungsmordes zu dem des Mordes aus niedrigen Beweggründen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Februar 1974 – 2 StR 448/73, BGHSt 25, 287, 288 f.). Der rechtliche Hinweis dient dazu, den Angeklagten vor Überraschungen zu schützen und ihm Gelegenheit zu geben, sich gegenüber einem neuen Vorwurf sachgerecht zu verteidigen. Ob es sich um eine andersartige Begehungsform oder um eine gleichartige Erscheinungsform desselben Tatbestands handelt, ist nicht nach den äußeren Merkmalen, sondern nach dem Inhalt der Begehungsform zu entscheiden (Senat aaO).

bb) Der im Eröffnungsbeschluss erteilte und vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung ergänzend erläuterte Hinweis genügte – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zu Recht hingewiesen hat – nicht den insoweit geltenden inhaltlichen Anforderungen. Der rechtliche Hinweis muss so abgefasst sein, dass der Angeklagte erkennt, durch welche konkreten Tatsachen das Gericht das Mordmerkmal als erfüllt ansieht. Nur solchermaßen präzise abgefasst kann der Hinweis die ihm zugedachte Funktion erfüllen, den Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und ihm Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem Tatvorwurf sachgerecht zu verteidigen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. April 2004 – 2 StR 363/03, NStZ 2005, 111, 112; Be-schluss vom 23. März 2011 – 2 StR 584/10, NStZ 2011, 475).

cc) Das Gericht wäre bei der hier gegebenen Sachlage verpflichtet gewesen, neben dem Hinweis auf das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe auch diejenigen Tatsachen und Umstände konkret zu benennen, die dieses Mordmerkmal ausfüllen könnten. Der bloße Hinweis darauf, dass das Mordmerkmal erfüllt sein könne, wenn und soweit die Motivation zur Tat darin zu se-hen sein sollte, dass der Angeklagte „die Trennung nicht habe akzeptieren wollen“, genügte insoweit nicht. Insbesondere war diesem Hinweis nicht zu entnehmen, dass die Kammer in Erwägung ziehen könnte, anzunehmen, dass der Angeklagte seine Freundin getötet haben könne, um zu verhindern, dass sie Freunden gegenüber seine tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse aufdecke und die von ihm aufgebaute Scheinwelt einstürzen könne.“

Auf die Entscheidung komme ich noch mal zurück.

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