Gut aufgepasst, oder: Die vorgehaltene Urkunde ist nicht in Augenschein genommen

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Gut aufgepasst hat der Verteidiger im Verfahren, das dem BGH, Beschl  v.  22.09.2016 – 1 StR 316/16 – zugrunde gelegen hat. Denn er hatte mit seiner Verfahrensrüge beim BGH aufgrund einer m.E. eher „versteckten“ Verfahrensfehlers – teilweise – Erfolg. Geltend gemacht hat der Verteidiger mit seiner Rüge eine Verletzung des § 261 StPO – also Inbegriff der Hauptverhandlung. Und zwar hatte er folgendes Verfahrensgeschehen beanstandet: Das LG hat in dem Verfahren wegen Betruges (§ 263 StGB) die Bestätigung einer türkischen A. AG, die dem Geschädigten vorgelegt worden war, als Fälschung angesehen. Den Inhalt der Urkunde hat es – so die spätere dienstliche Erklärung der beteiligten Berufsrichter – durch Vorhalt im Rahmen der Vernehmung des Geschädigten, wie auch durch förmliche Verlesung eingeführt. Im Rahmen der Beweiswürdigung im Urteil gewinnt das LG dann aufgrund einer „Inaugenscheinnahme“ der Urkunde die Überzeugung, dass es sich um eine Fälschung handele. Gestützt werde dies zudem durch den Vergleich mit einer einem anderen Zeugen vorgelegten „Bankbestätigung“, die sich im weiteren Verlauf ebenso als Fälschung herausgestellt habe.

Der BGH sagt: Verfahrensfehler, weil ein Augenschein der Urkunde nicht stattgefunden hat. Damit habe das LG den § 261 StPO verletzt:

„a) Für die richterliche Überzeugung des Landgerichts waren das äußere Erscheinungsbild und die Beschaffenheit der vorgenannten Urkunden maßgeblich. Insoweit handelte es sich bei den Urkunden aber um Gegenstände des Augenscheins (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. April 1999 – 1 StR 107/99, NStZ 1999, 424; vom 30. August 2011 – 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733 und vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 267/13, NStZ 2014, 606 [607]; MünchKommStPO/Miebach, 1. Aufl., § 261 StPO, Rn. 47), die prozessordnungsgemäß durch Inaugenscheinnahme in die Hauptverhandlung hätten eingeführt werden müssen. Eine solche ist nicht erfolgt. Die Verlesung der Urkunde oder ihr Vorhalt im Rahmen der Zeugeneinvernahmen betreffen allein ihren Inhalt, nicht aber ihr äußeres Erscheinungsbild. Dies gilt im besonderen Maße für den äußerlichen Vergleich von verschiedenen Personen vorgelegten Urkunden.

b) Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil zu Ziff. II. 2. der Gründe (Betrug zum Nachteil des Geschädigten L. ). Das Landgericht hat die Überführung des Angeklagten jedenfalls auch auf die aus dem äußeren Erscheinungsbild gezogenen Schlussfolgerungen gestützt.“

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