„Ich will alles wissen“, oder: Inhalt der Mitteilung über eine Verständigung

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Im BGH, Beschl. v. 12.10.2016 – 2 StR 367/16 – spielt mal wieder eine Mitteilung über eine Verständigung (§ 257c StPO) eine Rolle. Der Vorsitzende hatte in der Hauptverhandlung nur gem. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO mitgeteilt, dass „Gespräche nach § 257 c StPO stattgefunden haben“, nicht aber, wer mit wem worüber gesprochen hat. Das reicht dem 2. Strafsenat so nicht:

2. Die Information über das während unterbrochener Hauptverhandlung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung geführte Verständigungsgespräch genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Denn mitzuteilen ist bei einem solchen auf eine Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung abzielenden Gespräch, wer an diesem beteiligt war, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BVR 2628/10, 2 BvR 2883/10 und 2 BvR 2155/11, BVerfGE 133, 168 Rn. 85; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 – 1 StR 136/16, StRR 2016, Nr. 11, 8-9 mwN).
Dem entspricht die im vorliegenden Fall erfolgte Mitteilung über die mit dem Ziel einer Verständigung geführte 45-minütige Unterredung nicht, weil der Vorsitzende lediglich das Ergebnis, nicht aber Verlauf und Inhalte des Ge-sprächs mitgeteilt hat.

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Fehlen der nach § 257c Abs. 5 StPO erforderlichen Rechtsmittelbelehrung und auf der unzulänglichen Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO beruht. Bei solchen erheblichen Rechtsverstößen ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Ver-ständigungsurteil darauf beruht (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, NStZ 2015, 170, 171 ff.). Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die besondere Bedeutung der verletzten Vorschriften für die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung (BVerfG, aaO; Senat, Urteil vom 23. März 2016 – 2 StR 121/15, NStZ 2016, 688). Ein Fall, in dem ausnahmsweise das Beruhen ausge-schlossen werden kann, liegt nicht vor. Zwar ist das bemakelte Geständnis nach den Ausführungen der Urteilsgründe nicht in das Urteil eingeflossen. Die Strafkammer hat der Einlassung des Angeklagten ausweislich der Urteilsgründe nicht einmal indizielle Bedeutung beigemessen, sondern sie ganz außer Acht gelassen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte bei ordnungsgemäßer Information über den Inhalt der Verständigungsgespräche etwa noch weitergehende Beweisanträge – z. B. die zeugenschaftliche Vernehmung seiner beiden bei der körperlichen Auseinandersetzung zugegen gewesenen Begleiter – gestellt hätte, die dazu hätten führen können, dass das Gericht die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB verneint hätte.
Darauf, dass der Angeklagte – wie die Revision selbst vorträgt – von sei-nem Verteidiger über den Inhalt des Verständigungsgesprächs unterrichtet wurde, kommt es nicht an, weil eine solche von Verständnis und Wahrnehmung des Verteidigers beeinflusste Information die Unterrichtung durch das Gericht grundsätzlich nicht ersetzen kann (Senatsurteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314; vom 5. Juni 2014 – 2 StR 381/13, BGHSt 59, 252, 259).“

Und mit dem Inhalt der Verständigung hatte der BGH auch Schwierigkeiten:

4. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es unzulässig ist, Absprachen über den Schuldspruch, etwa durch die Zusage des Einstellens wesentlicher Tatteile nach § 154a StPO, zum Gegenstand einer Verständigung zu machen.“

Ein Gedanke zu „„Ich will alles wissen“, oder: Inhalt der Mitteilung über eine Verständigung

  1. schneidermeister

    Das mit der Zulässigkeit einer Verständigung über Beschränkungen nach § 154a scheint das BVerfG in seiner Entscheidung 2 BvR 1422/15 aber etwas differenzierter zu sehen als der 2. Strafsenat mit seiner recht pauschalen Behauptung:

    „Eine solche gesetzeswidrige Disposition über den Schuldspruch und die tatsächlichen Feststellungen ergibt sich zwar nicht schon aus der Anwendung der in § 154a Abs. 2 StPO eingeräumten gesetzlichen Möglichkeit einer Verfahrensbeschränkung, die kraft ihrer Natur Einfluss auf den Schuldspruch hat. Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn zusätzliche Umstände darauf hindeuten, dass die Verfahrensbeschränkung einer Umgehung des in § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO normierten Verbots dienen soll; dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das Gericht den ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraum überschreitet oder das Vorgehen sonst nicht vom Gesetz gedeckt war.“

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