Pflichti I: Schwierig ist das Verfahren, wenn es um ein Beweisverwertungsverbot geht

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Heute dann mal wieder ein Pflichtverteidigungstag, den ich mit dem LG Köln, Beschl. v. 19.07.2016 – 108 Qs 31/16 – eröffne. Ergangen ist er in einem Verfahren, in der der Angeklagten unerlaubter Besitz von BtM vorgeworfen worden ist. Hintergrund des Vorwurfs ist, dass die Betäubungsmittel, deren Besitz der Angeklagten vorgeworfen wird, im Rahmen einer Polizeikontrolle und einer anschließenden Durchsuchung der Angeklagten sichergestellt werden konnten. Die Verwertbarkeit der Ergebnisse der Durchsuchung der Angeklagten ist im Streit. Das AG hat die Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt. Das LG hat auf die Beschwerde dann beigeordnet:

Vorliegend liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 II StPO vor, da die Rechtslage sich im Hinblick auf die Frage der Verwertbarkeit der Durchsuchungsergebnisse als schwierig im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Maßgeblich ist insoweit nicht, ob tatsächlich von einem Verwertungsverbot auszugehen ist. Ausreichend ist vielmehr, dass fraglich ist, ob ein Beweisergebnis einem Beweisverwertungsverbot unterliegt (vergl. Meyer-Goßner/Schmitt Strafprozessordnung, 59. Aufl. 2016, § 140 StPO Rn 27a, m.w.Nachw.). Insoweit erscheint die Beiordnung eines Pflichtverteidigers jedenfalls dann geboten, wenn die Annahme eines Verwertungsverbotes ernsthaft in Betracht kommt. Zunächst  wird ein Angeklagter, der über keine juristische Vorbildung verfügt, die sich insoweit stellenden Rechtsfragen nicht beantworten können. Er bedarf daher insbesondere für die Frage, ob ein Berufen auf ein Beweisverwertungsverbot Aussicht auf Erfolg hat, die für die Wahl der Verteidigungsstrategie maßgeblich sein kann, der Verteidigung durch einen Rechtsanwalt. Hinzu kommt, dass die Frage, ob von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen ist, regelmäßig ohne vollständige Aktenkenntnis nicht zu beantworten ist. Gemessen daran, liegt vorliegend ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, weil die Annahme eines Beweisverwertungsverbots jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt.

Insoweit erscheint bereits die Annahme eines Anfangsverdachts nicht zwingend. Zwar vermag der Umstand, dass die Angeklagte auf die Polizeibeamten den Eindruck einer Drogenkonsumentin machte, den Verdacht begründen, dass diese in der Vergangenheit Betäubungsmittel konsumiert und – was die Strafbarkeit begründen würde – auch besessen hat. Ob sich allein hieraus und aus der nervösen Reaktion auf die Polizeibeamten – eine nähere Beschreibung dazu, weshalb die Polizeibeamten das Verhalten der Beschwerdeführerin als nervös bezeichneten, ist in den Akten nicht enthalten – bereits ein Anfangsverdacht darauf herleiten lässt, dass sich die Beschwerdeführerin im Moment der polizeilichen Kontrolle im Besitz von Betäubungsmitteln befand, die im Rahmen der Durchsuchung aufgefunden werden könnten, erscheint fraglich. Angehörige der sogenannten Drogenszene reagieren im Allgemeinen unabhängig davon, ob sie sich gerade im Besitz von Betäubungsmitteln befinden, auf Polizeibeamte eher zurückhaltend und nervös. Insoweit bleibt der Beweisaufnahme vorbehalten, welche konkreten Umstände die Polizeibeamten zu der Kontrolle veranlassten. Zwar würde die Verneinung eines Anfangsverdachts nicht zwingend zu der Annahme eines Verwertungsverbotes führen, die insoweit erforderliche Abwägung führt angesichts des eher geringfügigen Tatvorwurfs indes nicht zwingend zu einer Verwertbarkeit des Beweismittels.

Hinzu kommt, dass vorliegend die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Durchsuchungsmaßnahme unter Missachtung des Richtervorbehaltes erfolgte. Insoweit bleibt nämlich zunächst der Beweisaufnahme vorbehalten, ob die die Durchsuchung vornehmenden Polizeibeamten überhaupt erkannt haben, dass die vorliegende Maßnahme grundsätzlich nur durch das Gericht angeordnet werden darf und eine polizeiliche Anordnungskompetenz nur bei der Annahme von Gefahr im Verzug besteht. Diese Zweifel sind hier deshalb begründet, weil die Durchsuchung – um eine solche handelt es sich bei der „Inaugenscheinnahme“ des Inhalts der von der Beschwerdeführerin mitgeführten Tasche zweifelsfrei – in der Akte nicht als solche bezeichnet wird und es an jeglicher Dokumentation in der Akte fehlt, auf welcher Grundlage die Durchsuchung vorgenommen wurde. Auch die Annahme von Gefahr im Verzug ist vorliegend nicht eindeutig. Zwar ist das Amtsgericht in den angefochtenen Beschluss zu Recht davon ausgegangen, dass die Durchsuchungsmaßnahme nur dann Aussicht auf Erfolg haben konnte, wenn sie durchgeführt wurde, ohne dass die Beschwerdeführerin vorher Gelegenheit hatte etwaige Beweismittel verschwinden zu lassen. Die Polizeibeamten hätten aber jedenfalls die Möglichkeit gehabt, die Beschwerdeführerin zu fragen, ob sie bereit wäre, bis zur Einholung einer Entscheidung durch den zuständigen Ermittlungsrichter zu warten.

Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 140 II StPO kann vorliegend auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Beschwerdeführerin nach Aktenlage die Tat eingeräumt hat, nachdem sie mit den in ihrer Tasche aufgefundenen Betäubungsmitteln konfrontiert wurde. Denn insoweit steht in Rede, dass die Beschwerdeführerin sich nur deshalb zur Sache eingelassen hat, weil sie angenommen hat, dass die Beweismittel aus der Durchsuchung gegen sie verwendet werden könnten. Dann aber steht auch insoweit die Annahme eines Verwertungsverbotes in Rede.“

Dazu passt ganz gut der Hinweis auf den der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2016 – III-3 RVs 46/16 und dazu Die „planvolle“ Herbeiführung von „Gefahr im Verzug“, oder: Dafür gibt es ein Beweisverwertungsverbot und auf den AG Kehl, Beschl. v. 29.04.2016 – 2 Cs 303 Js 19062/15 und dazu: Beweisverwertungsverbot bei rechtswidriger Durchsuchung, oder: Schöne AG-Entscheidung. Nicht wegen der Pflichtverteidigung, sondern wegen des Beweisverwertungsverbotes.