Der Verteidier darf grds. alles kopieren; oder: Stimmt!!!!

AktenstapelHeute ist zwar in einigen Bundesländern Feiertag, Aber in den übrigen wird durchgearbeitet. Daher also auch heute Blogbeiträge. Und ich eröffne mit:

In der Praxis gibt es häufig Streit um die Erstattung der vom Verteidiger aus der Akten gefertigten Kopien (§ 46 RVG, Nr. 7000 VV RVG). Häufig sind da die AG doch großzügiger als die LG und OLG. Ein schönes Beispiel ist dafür der AG Iserlohn, Beschl. v. 16.09.2016 – 5 Ls 614 Js 153/15 – 103/15, der zwar die eigene „Spruchpraxis“ zugrunde legt, aber auch noch einmal allgemein zur der Problematik Stellung nimmt:

„Daher ist ein vollständiges Kopieren des gesamten Akteninhaltes als gerechtfertigt anzuerkennen und im Rahmen einer ordnungsgemäßen Strafverteidigung auch geboten, vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, 7000 VV Rn. 60 m.w.N.

Es ist einem Strafverteidiger auch nicht zuzumuten, die Akte bereits bei Erhalt durchzuarbeiten, nur um entscheiden zu können, welche Schriftstücke möglicherweise noch relevant für das weitere Verfahren sein könnten, zumal sich diese Frage in einem frühen Verfahrensstadium, in dem oftmals auch noch keine Besprechung mit dem Mandanten stattgefunden hat, nicht ohne Weiteres beurteilen lässt. Die im bisherigen Verfahrensgang vertretene Rechtsauffassung führt für den Anwalt zu einer nicht vertretbaren Mehrarbeit, die vollkommen ineffektiv ist und die dem im Strafverfahren gebotenen Beschleunigungsgrundsatz zuwiderläuft. Dem Verteidiger wird bei Akteneinsicht regelmäßig aufgegeben, die Akte binnen 3 Tagen zurückzusenden. Dies lässt — wenn überhaupt — nur eine grobe Sichtung der Akte zu. Viele Strafverteidiger haben jedoch aufgrund ständiger (Auswärts-)Termine überhaupt nicht die Möglichkeit, die Akten bei Eingang durchzusehen. Sie — und damit auch das Gericht — sind für eine zügige Rücksendung darauf angewiesen, dass die Akten vom Kanzleipersonal eigenständig kopiert werden. Die Prüfung im Einzelfall, welche Seiten tatsächlich benötigt werden, lässt sich aber nicht vorab vom Verteidiger auf seine Mitarbeiter übertragen. Zumal eine solche Prüfung im Regelfall dem Verteidiger nicht abschließend möglich sein wird. Häufig offenbart erst der Termin zur mündlichen Hauptverhandlung, welche Akteninhalte für den Verfahrensfortgang von entscheidender Wichtigkeit sein dürften.“

Eine Ausnahme macht das AG allerdings für umfangreiche Fallakten, Fremdakten, Beiakten oder Sonderbände vorliegen, die den vertretenen Angeklagten nicht sofort klar erkennbar betreffen, Abgrenzungen zu anderen Angeklagten vorzunehmen sind oder augenscheinlich ohne Relevanz sind. Diese bedürfen – so das AG – der vorläufigen groben Sichtung durch den (Pflicht)Verteidiger mit der Bestimmung dessen, was zu kopieren ist.