(Sexueller) Missbrauch einer Staatsanwältin

© Dan Race Fotolia .com

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Es ist in den vergangenen Tagen an anderer Stelle schon über den BGH, Beschl. v. 29.06.2016 – 1 StR 24/16 – betreffend den Freispruch eines psychiatrischen Gutachters vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer Staatsanwältin unter Ausnutzung eines Beratungs- und Behandlungsverhältnisses (§ 174c StGB) berichtet. Ich schiebe den Beschluss dann nach, allerdings berugt  das Posting auf der PM des BGh zu der Entscheidung, da sich die doch recht lange Entscheidung sonst nur schwer darstellen lässt. Also:

Der BGH ist in etwa von folgenden landgerichtlichen Feststellungen ausgegangen:

Der Angeklagte wurde als Psychiater vom LG „häufiger mit der Erstellung von Gutachten in Strafverfahren beauftragt. Dabei lernte er auch die Nebenklägerin kennen, damals Richterin am LG, die mit einem guten Freund des Angeklagten – einem verheirateten Kollegen – ein Verhältnis begonnen hatte. Der Angeklagte entwickelte ein gesteigertes Interesse an der Nebenklägerin. Bei einem gemeinsamen Abendessen offenbarte die Nebenklägerin dem Angeklagten eine seit mehreren Jahren bestehende Alkoholabhängigkeit.

Etwa zwei Jahre später wurde die Nebenklägerin, die nunmehr als Staatsanwältin tätig war, nach einem zweiwöchigen Klinikaufenthalt zwecks Behandlung der genannten Abhängigkeit und weiterer Krankheitsbilder von ihrem Vorgesetzten mit einem erheblichen Nachlassen ihrer Arbeitsleistung konfrontiert. Aufgrund dieser Drucksituation erstrebte sie die Einnahme von angstlösenden Benzodiazepinen. Während des Klinikaufenthalts war es vor dem Hintergrund einer früher bestehenden Benzodiazepin-Abhängigkeit zu einer langsamen Reduzierung und schließlich einer Absetzung zuvor verabreichter Benzodiazepine gekommen. Die Nebenklägerin ging davon aus, ihr behandelnder Arzt werde ihr diese Medikamente nicht mehr verschreiben. In dieser Situation kam sie auf den Gedanken, sich an den Angeklagten zu wenden und sein Interesse an ihr auszunutzen, um ihn durch Aufnahme einer sexuellen Beziehung zur Verschreibung von Benzodiazepinen zu bewegen. Zugleich wollte sie damit ihren früheren Kollegen, mit dem sie ein Verhältnis gehabt hatte, ärgern.

Diesen Plan setzte sie in der Folgezeit um und erreichte, dass der Angeklagte ihr mehrfach die begehrten Medikamente verschrieb oder Blankorezepte überließ. Der Angeklagte besorgte sich in diesem Zusammenhang frühere Arztberichte und beriet die Nebenklägerin über eine Änderung der Medikation. Weitergehende Avancen des Angeklagten, der mit der Nebenklägerin eine Lebenspartnerschaft beginnen und ein gemeinsames Kind haben wollte, wies sie zurück. Im Rahmen dieses mehrere Monate dauernden Verhältnisses kam es mehrfach zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen des Angeklagten mit der Nebenklägerin.

Der Landgericht München II hat den Angeklagten wegen „sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs- oder Behandlungsverhältnisses in zwei Fällen“ (§ 174c StGB) verurteilt. Der BGH hat hingegen, anders als das LG, das Verhalten des Angeklagten als nicht strafbar angesehen und ihn deshalb  freigesprochen. Dazu aus der PM:

„Strafbar wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses (§ 174c Abs. 1 StGB) macht sich ein Täter dann, wenn er sexuelle Handlungen an einer Person vornimmt, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist. Dabei muss er zudem unter Missbrauch dieses Verhältnisses handeln. Zweck dieser Strafvorschrift ist der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung in Situationen, die typischer Weise besonders missbrauchsanfällig sind.

Der Bundesgerichtshof sieht vorliegend einen atypischen Fall, der davon gekennzeichnet ist, dass sich die Nebenklägerin bereits außerhalb eines Beratungs- und Behandlungsverhältnisses dazu entschlossen hat, den Angeklagten für ihre Ziele zu instrumentalisieren. Diese Entscheidung war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch nicht mit wesentlichen Willensmängeln behaftet. Weil die Nebenklägerin dem Angeklagten aufgrund ihrer beruflichen Stellung und Persönlichkeit zudem auf „Augenhöhe“ begegnete, stellte sich das Handeln der Nebenklägerin nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Ergebnis als Ausdruck ihrer sexuellen Selbstbestimmung und nicht als deren Missbrauch durch den Angeklagten dar.

In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass dem gesetzlichen Merkmal „Missbrauch“ eine eigenständige Bedeutung für die Beurteilung der Strafbarkeit solcher Fälle zukommt. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Missbrauch in diesem Sinne vorliegt, ist -die Art und Intensität des Behandlungsverhältnisses entscheidend.“

Die Entscheidung wird im Übrigen in BGHSt veröffentlicht, und zwar mit folgenden Leitsätzen:

1. Zur Eigenständigkeit des Merkmals „Missbrauch“ bei § 174c Abs. 1 StGB.
2. Für die Beurteilung, ob ein Missbrauch im Sinne von § 174c Abs. 1 StGB vorliegt, kommt es auf die konkrete Art und Intensität des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses an.

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