Ein Blick in die Akte hilft, oder: Amtsrichter mit Erinnerungsproblemen

© Cyril Comtat - Fotolia.com

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Ein kleines Schmankler vom OLG Hamm eröffnet den heutigen Tag, nämlich der OLG Hamm, Beschl. v.17.06.2016 – 1 RBs 92/16. Es geht mal wieder um eine Verwerfungsentscheidungnach § 74 Abs. 2 OWiG. Das AG hat den Einspruch des Betroffenen verworfen, weil er (unentschuldigt) nicht in der Hauptverhandlung erschienen war, dabei aber übersehen, dass der Betroffene vom AG selbst gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in Hauptverhandlung entbunden worden war. Tja, und das war es dann. Denn:

„Die Rechtsbeschwerde hat mit der vorgenannten, ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Dortmund. Denn der Betroffene war – was anscheinend bei Erlass der angefochtenen Entscheidung übersehen worden ist – durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 04.02.2016 gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der bereits zu diesem Zeitpunkt auf den 01.03.2016 bestimmten Hauptverhandlung entbunden worden, so dass die Voraussetzungen für eine Verwerfung seines Einspruchs gemäß § 74 Abs. 2 OWiG nicht gegeben waren. Für eine Verwerfung des Einspruchs, weil (auch) der Verteidiger der Hauptverhandlung ferngeblieben ist, gibt § 74 Abs. 2 OWiG ohnehin keine Rechtsgrundlage (vgl. OLG Köln, NZV 2004, 655, juris).“

Als ich eine Überschrift für das Posting gesucht habe, fielen mir: „Was schert micht mein Geschwätz von gestern“, oder: „Denn ich weiß nicht mehr, was ich getan habe“, aber auch: „Vielleicht mal einen Blick in die Akte werfen, das hilft, Fehler zu vermeiden.“ Jedenfalls scheint der Amtsrichter Erinnerungsprobleme zu haben

 

6 Gedanken zu „Ein Blick in die Akte hilft, oder: Amtsrichter mit Erinnerungsproblemen

  1. Peter Klein

    Nun ja. Ich habe da angerufen, um das zu klären. Es gab offenbar zwischenzeitlich einen Dezernatswechsel. Von daher passt die Überschrift eigentlich nicht wirklich.

  2. Detlef Burhoff

    Die passt schon. Denn der Amtsrichter wird doch sicherlich vor dem Termin in die Akte geschaut haben und wird den Entbindungsbeschluss/die Verfügung gelesen haben. Wenn nicht, noch schlimmer….

  3. WPR_bei_WBS

    Wie wäre es mit „Ein Blick in die Akte erleichtert (richtige) die Entscheidungsfindung“? 🙂

  4. Frik

    Ich meine auch, dass man aus einem Vorfall definitiv auf generelle Erinnerungsprobleme schließen kann. Im Matheunterricht damals haben wir in ähnlicher Weise argumentiert (aus einem Einzelfall auf das Ganze).

  5. Th. Koch

    Ein ganz alltägliches Beispiel:

    Letzter Satz einer Klageschrift: „Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus den AGB der Klägerin, die durch … in das Vertragsverhältnis einbezogen wurden“.

    Verfügung des Gerichts: „Die Klägerin möge darlegen, woraus sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt, zuständig ist (AG am Sitz der Beklagten)“.

    Das ist Alltag. Akten lesen wird überbewertet.

  6. Peter Klein

    Wieso man im letzten Satz was zur Zuständigkeit schreibt weiß ich aber auch nicht. Besser nach vorne.

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