Das kleine Einmaleins der Revisionsbegründung, oder: Stolperstein

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Ich habe ja bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass man als Verteidiger bei der Formulierung der Revisionsbegründung vor sichtig sein muss/sollte und alle Formulierungen vermeiden muss, aus denen das Revisionsgericht schließen könnte, dass die Revisionsbergündung nicht vom Verteidiger stammt bzw. der nicht die volle Verantwortung übrnimmt. Denn dann dort wegen eines Verstoßes gegen § 345 StPO die Verwerfung der Revision als unzulässig. Etwas Entspannung hat da zwar BVerfG, Beschl. v. 07.12. 2015 – 2 BvR 767/15 – vgl. dazu Unterzeichnung „i.V.“ und/oder mit „nach Diktat verreist“: Revisionsbegründung nicht unwirksam – aber er hat Probleme/Fragen an anderer Stelle nicht gelöst. Das zeigt der OLG Hamm, Beschl. v. 09.06.2016 – 4 RVs 60/16.

Die Angeklagte hatte selbst Revision eingelegt, die dann von ihrer Verteidigerin begründet worden ist. Das OLG verwirft die Revision als unzulässig. Begründung:

„Die Revision der Angeklagten war als unzulässig zu verwerfen. Sie hat gegen das angefochtene Urteil zwar selbst form- und fristgerecht Revision eingelegt. Die fristgerecht eingelegte Revisionsbegründung entspricht jedoch nicht der Formvorschrift des § 345 Abs. 2 StPO. Zwar ist die Revisionsbegründung von einer Rechtsanwältin unterzeichnet worden. Es bestehen aber durchgreifende Zweifel, dass diese die volle Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründungsschrift übernommen hat. Liegen solche Zweifel vor, so fehlt es an einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift i.S.v. § 345 Abs. 2 StPO (BGH NJW 2014, 2664; BGH Beschl. v. 26.07.2005 – 3 StR 36/05 = BeckRS 2005, 10136 m.w.N.; vgl. auch BVerfG NJW 1983, 2762, 2763 f.). Es ist jedenfalls dann mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf einen wirksamen Rechtsschutz vereinbar, Zweifel an der Übernahme der Verantwortung durch den Rechtsanwalt zu hegen, wenn sich diese aus dem Schriftsatz selbst ergeben (BVerfG NJW 2016, 1570, 1571). Das ist hier der Fall. Die Revisionsbegründung lautet: „hat mich Frau U gebeten, ihre selbst eingelegte Revision gegen das Urteil des LG Münster vom 22.12.2015 wie folgt zu begründen: Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.“ Die Formulierung macht deutlich, dass (gerade) die Erhebung der allgemeinen Sachrüge auf Bitten der Angeklagten geschah. Ob die Rechtsanwältin hierfür die volle Verantwortung übernahm, ist angesichts dessen zweifelhaft. Diese Formulierung erweckt den Eindruck, dass lediglich eine von der Angeklagten stammende Beanstandung vorgetragen wird (vgl. BGH NJW 2014, 2664; vgl. auch: OLG Rostock NStZ-RR 2009, 381, 382).

Da eine Heilung des Mangels außerhalb der inzwischen abgelaufenen Revisionsbegründungsfrist ausgeschlossen ist (vgl.: Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 345 Rdn. 16), bedurfte es weder eines vorherige Hinweises noch des Abwartens der Frist des § 349 Abs. 3 StPO hinsichtlich des von der Generalstaatsanwaltschaft nach § 349 Abs. 2 StPO gestellten Verwerfungsantrags (OLG Rostock NStZ-RR 2009, 381, 382).“

Nun ja, die Formulerung ist nun wirklich „unglücklich“. Mir erschließt sich auch nicht, warum ich als Verteidiger so „begründe“.

6 Gedanken zu „Das kleine Einmaleins der Revisionsbegründung, oder: Stolperstein

  1. Thorsten Hein

    „begründe ich die Revision wie folgt:“
    „wird die Revision wie folgt begründet:“
    (natürlich unter Nennung des Gerichts der Vorinstanz sowie des Datums und des Az. des Urteils)

    Wenn mich die Praxis eins gelehrt hat: halte es stets so einfach, wie es nur geht!

  2. G. Stuth

    Ich gehe davon aus, dass die Revisionsbegründung genau das zum Ausdruck bringen sollte, was das Revisionsgericht angenommen hat: Die Distanzierung von der als blödsinnig empfundenen Revision. Welcher Verteidiger kennt das Phänomen nicht? Aber was in Einlassungen unter „Formulierungskunst“ fällt, geht eben in der Revisionsbegründung nicht! Wenn ich mich nicht vor so einen Karren spannen lassen will, darf ich das Mandat nicht übernehmen.

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