„Wunder gibt es immer wieder?“, oder: „ungewöhnlicher Verfahrensablauf“ beim § 111a-Beschluss

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Schon etwas länger hängt der LG Berlin, Beschl. v. 09.03.2016 – 528 Qs 15/16 – in meinem Blogordner, den der Kollege Kroll aus Berlin mir übersandt hat. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber dann: Nun, ob die Überschrift: „Wunder gibt es immer wieder“ passt oder damit der Beschluss vielleicht doch etwas zu hoch gehängt wird, mag der Leser für sich selbst entscheiden. Aber jedenfalls scjon außergwöhnlich(er), was das LG Berlin da gemacht hat. Nämlich eine § 111a-Beschwerde nicht einfach nur durchgewunken, sondern den zugrunde liegenden § 111a-Beschluss des AG Tiergarten aufgehoben. Begründung: Keine „dringende“, sondern nur „hinreichende“ Gründe, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Und: Ich habe den Eindruck, dass dem LG der Verfahrensablauf nicht gepasst hat.

Und hier dann der Beschluss:

„Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, da die Voraussetzungen des § 111a StPO nicht erfüllt sind. Derzeit liegen keine dringenden, sondern nur hinreichende Gründe für die Annahme vor, dass pp. die Fahrerlaubnis entzogen werden wird.

Gegen den Beschwerdeführer besteht insbesondere durch die schriftlichen Angaben des Zeugen Dr. U. der hinreichende Tatverdacht einer am 14. März 2015 in Berlin begangen Gefährdung des Straßenverkehrs. Dieser entfällt auch nicht durch die Darstellungen des Sachverständigen Dr. W., denn danach besteht technisch lediglich die Möglichkeit, dass die bestreitende Einlassung des Angeklagten zutreffend ist. Gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung sprechen nach der im Beschwerdeverfahren nur möglichen summarischen Bewertung jedoch die Angaben der Zeugen W., K. und Dr. U. Keiner der Augenzeugen bestätigte, dass der Zeuge Kappel mit seinem PKW die Unfallursache gesetzt habe.

Aufgrund des ungewöhnlichen Verfahrensablaufs und der verbleibenden Unsicherheiten am Unfallhergang fehlt es derzeit jedoch an der für die Maßnahme erforderlichen dringenden Annahme des Fahrerlaubnisentzuges. Nachdem alle Verfahrensbeteiligten zunächst von einer Ordnungswidrigkeit ausgegangen waren, erlangte das Amtsgericht Tiergarten erst im November 2015 – nach der Terminsladung im Ordnungswidrigkeitenverfahren – Kenntnis von den schriftlichen Angaben des Zeugen Dr. U. Nach der Aussetzung der Hauptverhandlung am 13. Januar 2016 ging das Amtsgericht daraufhin in das Strafverfahren über und nahm — knapp zehn Monate nach der Tat — ohne weitere Prüfung den dringenden Tatverdacht i.S.d. § 69 Abs. 1 S. 1 StGB an. Die schriftlichen Erklärungen des Sachverständigen Dr. W. berücksichtigte das Gericht bislang nicht, wobei diese angesichts der fehlenden Zeugenbefragungen auch nur unvollständig sind. Die unter diesen Umständen für die Entscheidung erforderliche umfassende Würdigung der Beweismittel muss der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.“

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