Hausaufgaben nicht gemacht, oder: Falschbeurkundung im Amt, wenn der Wohnort falsch ist?

© Gina Sanders Fotolia.com

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Seine Hausaufgaben nicht gemacht, hat das OLG Dresden. Nun ja, gemacht schon, aber nicht sorgfältig und deshalb gab es dann eine Sache vom BGH zurück. Grundlage für den BGH, Beschl. v. war folgender Sachverhalt:

Das AG Chemnitz hatte einen Notar wegen Falschbeurkundung im Amt zu einer Geldstrafe verurteilt. Die gegen das Urteil gerichtete Berufung hat das LG Chemnitz verworfen. Nach den Feststellungen des LG hatte der Angeklagte den Verkauf eines Unternehmens und von Unternehmensanteilen sowie die Einsetzung eines neuen Geschäftsführers beglaubigt. Dabei hatte er für den durch einen tschechischen Reisepass ausgewiesenen und anwesenden Käufer einen Wohnort in Bautzen beurkundet. Tatsächlich war dieser aber niemals dort gemeldet. Das OLG Dresden will das Urteil aufheben und den Angeklagten freizusprechen. Es vertritt die Ansicht, dass der öffentliche Glaube einer Urkunde den Wahrheitsgehalt einer Wohnortangabe nicht erfasse. Deshalb handele es sich bei dieser nicht um eine rechtlich erhebliche Tatsache im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB. Dem steht aber – so meint das OLG – der BGH, Beschl. v. 21. 03. 2000 – 1 StR 600/99 entgegen. Das OLG versteht die Entscheidung in dem Sinn, dass der BGH den Wohnort einer natürlichen Person, der bei einem zu beurkundenden Rechtsgeschäft mitgeteilt wird, für eine Angabe hält, auf die sich der öffentliche Glaube der Urkunde stets erstreckt.

Das OLG Dresden hat die Sache daher nach § 121 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:

„Macht sich ein Notar gemäß § 348 Abs. 1 StGB strafbar, wenn er bei der Beurkundung eines Vertrages einen unzutreffenden Wohnort eines Vertragsbeteiligten beurkundet?”

Und die Antwort hat es dann jetzt aus Leipzig gegeben. Der zuständige 5. Strafsenat des BGH teilt im BGH, Beschl. v. 17.02.2016 – 5 StR 487/15– mit: Die Sache wird an das OLG zurückgegeben. Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG sind nicht gegeben.

„Der Generalbundesanwalt hat unter anderem ausgeführt:

„Die durch das Oberlandesgericht aufgeworfene Rechtsfrage ist auf der Grundlage des im Vorlegungsbeschluss mitgeteilten Sachverhalts nicht zur Entscheidung reif, weil offen bleibt, auf welche Weise es zu der Wohnortfeststellung des tschechischen Erwerbers in der Urkunde gekommen ist. Darauf kommt es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung indes maßgeblich an.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hatte in dem durch das Oberlandesgericht zitierten Beschluss darüber zu befinden, ob ein Notar Erklärungen beurkundet hatte, die tatsächlich nicht erfolgt waren. Der Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Notar hatte die Veräußerung konkursreifer Unternehmen an mittellose und geschäftlich unerfahrene Personen mit fiktiven Wohnorten in Kenntnis dieser Umstände beurkundet. Einige der Erwerber waren darüber hinaus der deutschen Sprache nicht mächtig. Da der Wortlaut der Urkunden nicht in ihre Muttersprache übersetzt wurde, war es offensichtlich, dass diesen das Verständnis der beurkundeten Vorgänge fehlte.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat den Umständen dieser Geschäftsabwicklung entnommen, dass die durch den Angeklagten beurkundeten Wohnortangaben von den Erwerbern tatsächlich nicht erklärt worden waren, der Angeklagte diese Angaben folglich der Wahrheit zuwider beurkundet hatte. Er hat entschieden, dass die Angaben zum Wohnort in einem Beurkundungsvorgang gegenüber dem Notar am öffentlichen Glauben der Urkunde teilhaben, weil diese Erklärungen zwin-gend abzugeben sind (§ 6 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG). Allerdings hat er klargestellt, dass sich die Beweiskraft mit der ‚vollen Beweiswirkung für und gegen jedermann‘ ausschließlich auf die Abgabe der beurkundeten Erklärung selbst bezieht, nicht jedoch auf deren inhaltliche Richtigkeit: Es komme nur darauf an, ‚ob eine Erklärung beurkundet wird, die tatsächlich nicht erfolgt ist‘ (BGH, aaO); ihr ‚Wahrheitsgehalt‘ ist nach Auffassung des Senats irrelevant.

Auf der Grundlage der durch den Bundesgerichtshof vorgenommenen Präzisierung der Reichweite des öffentlichen Glaubens einer Urkunde lässt sich nicht beurteilen, ob das Oberlandesgericht Dresden an der von ihm beabsichtigten Entscheidung durch die zitierte Entscheidung gehindert ist. Der abschließenden Beantwortung der (ohnehin zu weit gefassten) Vorlegungsfrage steht entgegen, dass der im Vorlegungsbeschluss mitgeteilte Sachverhalt keine hinreichende Grundlage für eine Entscheidungsfindung bietet: Es ist bereits unklar, ob der Unternehmenserwerber der deutschen Sprache mächtig ist, die (unrichtigen) Wohnsitzangaben daher von ihm selbst stammen und sie somit zutreffend beglaubigt wurden oder aber, ob sie nicht auf ihn als Urheber zurückgehen (können) und der Angeklagte sie deswegen der Wahrheit zuwider beurkundet hat.

Ergänzend ist anzumerken, dass eine entscheidungserhebliche Divergenz zwischen dem Beschluss des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofes und der beabsichtigten Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden dann nicht vorläge, wenn sich der Angeklagte durch Nachfrage im Gespräch versichert hätte, dass der Käufer der deutschen Sprache mächtig ist (wie dies der Beweiswürdigung des Urteils des Amtsgerichts Chemnitz noch zu entnehmen ist). Eine Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Amt käme dann nicht in Betracht.“

Wie gesagt: Wird man nicht gern lesen in Dresden – und auch nicht das „der (ohnehin zu weit gefassten) Vorlegungsfrage „….

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