Auf dem Weg zum Großen Senat, oder: Wer säuft, ist selber schuld?.

© monticellllo - Fotolia.com

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„Auf dem Weg zum Großen Senat“? Ja, aber dieses Mal ist es nicht der 2. Strafsenat des BGH – ich will, nachdem ich neulich deswegen gerügt worden bin, nicht schon wieder „Rebellensenat“ schreiben – der das ggf. dort anhängige Verfahren los getreten hat. Nein, es war der 3. Strafsenat, der im BGH, Beschl. v. 15.10.2015 – 3 StR 63/15 eine Anfrage bei den anderen Strafsenaten gestartet hatte.

Der 3. Strafsenat muss über die Revision eines Angeklagten entscheiden, der wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden ist. Das LG hat dem Angeklagten eine Strafrahmenmilderung nach § 213 bzw. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt und dies auf den Um-stand gestützt, der Angeklagte habe die bei ihm festgestellte erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch verschuldete Trunkenheit selbstverantwortlich herbeigeführt. Feststellungen zu einer vorhersehbar signifikanten alkoholbedingten Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund persönlicher oder situativer Verhältnisse des Einzelfalls hat das LG nicht getroffen und solche Umstände bei seiner Strafrahmenwahl nicht berücksichtigt.

Der 3. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen und zu entscheiden:

„Der Tatrichter übt sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der  schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht.“

Er hat deshalb gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den anderen Senaten angefragt, ob deren Rechtsprechung dem entgegensteht und ob – sollte dies der Fall sein – daran festgehalten wird.

Und der 5. Strafsenat hat im BGH, Beschl. v. 01-03-.2016 – 5 ARs 50/15: geantwortet: Ja, und wir halten daran fest:

„2. Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats steht Rechtspre-chung des 5. Strafsenats entgegen (Urteile vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239; vom 11. Juni 2008 – 5 StR 612/07, NStZ 2008, 619; vom 29. Oktober 2008 – 5 StR 456/08, NStZ 2009, 202; vom 7. Mai 2009 – 5 StR 64/09, NStZ 2009, 496; sowie Beschlüsse vom 13. Januar 2010 – 5 StR 510/09, NStZ-RR 2010, 234; vom 10. März 2010 – 5 StR 62/10 und Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11).

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, wonach es im Falle selbst zu verantwortender Trunkenheit in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung spricht, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat.

Zur Begründung bezieht sich der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239 (240 bis 253).“

Na dann auf zum Großen Senat. Der hat ja auch nichts zu tun 🙂 ,

5 Gedanken zu „Auf dem Weg zum Großen Senat, oder: Wer säuft, ist selber schuld?.

  1. rajede

    Ich verstehe nicht, worin die beabsichtigte Abweichung bestehen soll. Beide Senate lehnen die Stafrahmenverschienung ab.

  2. WPR_bei_WBS

    Wenn ich das richtig verstehe, dann sagt der 3. Senat „wer willentlich säuft bekommt keine Strafmilderung, basta!“, der 5. Senat sagt „aber nicht, wenn er nicht damit rechnen konnte, dass was passiert.“

  3. Martin Seidler

    Der fünfte Senat scheint mir mehr auf den Einzelfall wert zu legen und zu schauen, ob der Täter auch tatsächlich hier damit rechnen konnte, (diese/solche) Straftaten zu begehen, wenn der säuft. Siehe zum Beispiel BGH, Beschluss des 5. Strafsenats vom 10.3.2010 – 5 StR 62/10 – Rn. 10 (Täter hatte war zwar schon wegen Gewalt unter Alkohol verurteilt, hatte aber vor dieser Tat 10 Jahre lang nicht mehr [besoffen] Gewalttaten verübt): „Das neue Tatgericht wird sich mit dem Umstand auseinanderzusetzen haben, dass der Angeklagte in den folgenden mehr als zehn Jahren nicht mehr in gleicher Weise straffällig geworden ist.“

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