Sturz beim Anschieben – haftet der „gelbe Engel“?

entnommen wikimedia.org Author Photograph: Frank C. Müller, Baden-Baden

entnommen wikimedia.org
Author Photograph: Frank C. Müller, Baden-Baden

Wer kennt die Situation nicht: Man ist mit dem Pkw unterwegs, stellt ihn ab und er springt dann, wenn man weiter fahren will, nicht wieder an. So ist es einer Klägerin passiert, die ihre Schwester besucht hat. Die Klägerin hat dann schnell Hilfe gefunden, nachdem sie telefonisch die ADAC-Pannenhilfe benachrichtigt hatte. Der später beklagte Pannenhelfer hat den Pkw der Klägering untersucht und festgestellt, dass der Anlasser defekt war. Um den Motor zu starten, schob er das Fahrzeug zunächst gemeinsam mit der Klägerin an. Der Versuch misslang. Danach kam die Schwester hinzu, der die Klägerin einen Besuch abgestattet hatte. Außerdem fanden sich eine weitere Schwester der Klägerin und ein Postzusteller bei dem Pkw ein. Nunmehr schoben die Klägerin, ihre Schwestern und der Postzusteller den Sharan an. Der Beklagte half an der geöffneten Fahrertür mit. Als der Pkw genug Fahrt aufgenommen hatte, setzte der Beklagte sich auf den Fahrersitz. Die Zündung war zu diesem Zeitpunkt bereits eingeschaltet. Der Beklagte betätigte die Kupplung und legte den Gang ein. Daraufhin sprang der Motor an. Während dieses Vorgangs kamen die Personen, welche den Wagen angeschoben hatten, zu Fall. Die Klägerin zog sich dabei eine Nasenbeinfraktur, Monokelhämatome beidseits, Schürfwunden im Gesicht und Hämatome an der linken Hand zu. Und deswegen nimmt sie nun den Helfer in Anspruch. Sie behauptet, sie sei deshalb gestürzt, weil ihr Pkw nach dem Zünden des Motors einen „riesigen Satz“ gemacht habe. Veranlasst worden sei das Anschieben durch den Beklagten. Diesem sei bewusst gewesen, dass ein VW Sharan mit dem vorhandenen Antrieb „springe“, wenn man den Motor – wie hier – in kaltem Zustand zünde. Über die daraus resultierende Gefahr, so die Klägerin, hätte der Beklagte sie und die übrigen Helfer vor dem Anschieben informieren müssen.

Das LG hat die Klage  abgewiesen. Begründet hat es seine Entscheidung mit der Haftungsbeschränkung gemäß §§ 106 Abs. 3, 105 SGB VII. Und auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG Oldenburg, hat sie im OLG Oldenburg, Urt. v. 14.10.2015 – 5 U 46/15 – zurückgewiesen. Begründung:

„Eine Haftung des Beklagten nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG scheitert bereits an dem Ausnahmetatbestand des § 8 Nr. 2 StVG, der nicht nur zugunsten des Halters, sondern auch des Fahrers eines Kraftfahrzeugs eingreift (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 18, Rn. 7).

Gemäß § 8 Nr. 2 StVG gelten die §§ 7 und 18 StVG nicht, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. Die Vorschrift zielt auf Personen ab, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zu dem Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, selbst wenn sie nur aus Gefälligkeit bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind (vgl. BGH, NJW 2011, S. 292, 295, Tz. 23 m. w. N.). Damit sind grundsätzlich auch Personen erfasst, die – wie hier die Klägerin – beim Anschieben eines Kraftfahrzeugs Hilfe leisten (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 8, Rn. 10).

……..

Ob aus der vom Sachverständigen beschriebenen Sturzgefahr eine Hinweispflicht des professionellen Pannenhelfers resultiert, deren Missachtung Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann, bedarf in der vorliegenden Konstellation keiner abschließenden Würdigung. Wäre dies der Fall, käme dem Beklagten der Haftungsausschluss gemäß §§ 105 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 3, 3. Var. SGB VII zugute.

a) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Parteien Versicherte, die im Zeitpunkt des besagten Vorfalls für verschiedene Unternehmen tätig gewesen sind. Der Beklagte ist als Beschäftigter des A. e. V. gemäß 2 Nr. 1 SGB VII versichert, während die Klägerin, als sie den Sharan mit anschob, wie eine Versicherte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII für ihren Ehemann tätig geworden ist. Der Ehemann der Klägerin ist als Eigentümer und Halter des seinerzeit defekten Sharans ein Unternehmer im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII…..“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert