Die „ungewöhnlich hohe Freiheitsstrafe“ und die „gänzlich überflüssigen Erwägungen“…..

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Und dann zum Abschluss des heutigen Tages noch einmal Strafzumessung, und zwar den BGH, Beschl. v. 02.12.2015 – 2 StR 317/15. Verurteilt worden ist der Angeklagte vom LG wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Das ist dem BGH, wie seine Ausführungen zeigen – eindeutig zu hoch:.

„3. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Tatgericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Eine ungewöhnlich hohe Strafe bedarf dementsprechend einer besonderen Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 – 5 StR 264/12, StraFo 2012, 419, und vom 20. September 2010 – 4 StR 278/10, NStZ-RR 2011, 5 mwN). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. In Anbetracht der gravierenden mildernden Faktoren – der Angeklagte handelte spontan, alkoholisch enthemmt und affektiv erregt; die Verletzungen der geschädigten Zeugin G. , die zum Tatzeitpunkt mit ihm in einer langjährigen Beziehung gelebt hat, sind bis auf eine Narbe folgenlos ausgeheilt; der Angeklagte ist lediglich wegen Beleidigung unwesentlich vorbestraft und Erstverbüßer – hätte die Festsetzung der angesichts vergleichbarer Fälle ungewöhnlich hohen Freiheitsstrafe eingehender Begründung bedurft. Dies gilt auch eingedenk des erheblichen Unrechtsgehalts der Straftat.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zudem ausgeführt, dass „nach Auffassung der Kammer während des Verlaufs des Verfahrens zu unterschiedlichen Zeitpunkten seitens der Familie des Angeklagten wiederholt versucht worden ist, auf die Zeugin G. einzuwirken und diese in ihrem Aussageverhalten zu beeinflussen. Dieses Ausüben von Druck war jedoch nicht zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, da insoweit nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Angeklagte seinerseits […] Einfluss genommen hätte“ (UA S. 54).

Der Senat kann nicht nur nicht ausschließen, dass diese gänzlich überflüssigen Erwägungen, aus denen andererseits nicht ersichtlich wird, inwieweit die vielfältigen und ambivalenten Aussagen der Geschädigten (vgl. UA S. 15 f., 18 f., 21, 23 f.,32 f., 35), die wiederholt darauf gedrungen hat, dass der Angeklagte nicht bestraft wird, ausreichend berücksichtigt worden sind, und sich somit für den Angeklagten letztlich doch nachteilig bei der Bemessung der Freiheitsstrafe ausgewirkt haben. Sofern das mangelnde Bestrafungsinteresse der Geschädigten (auch) selbstmotiviert gewesen sein sollte, dürfte dieses zudem als weiterer mildernder Faktor in die Strafzumessung einzustellen sein.“

Also noch einmal. Und zwar die allgemeine Strafkammer und nicht das Schwurgericht….

2 Gedanken zu „Die „ungewöhnlich hohe Freiheitsstrafe“ und die „gänzlich überflüssigen Erwägungen“…..

  1. schneidermeister

    Erstaunlich. Das liest sich eher nach ergebnisorientierter Urteilaufhebung (wegen der ungewöhnlichen Höhe). Selbst wenn eine Strafkammer ausdrücklich schreibt, dass sie etwas nicht zum Nachteil verwendet hat, kann der Senat also das Gegenteil nicht ausschließen. Das eröffnet völlig neue Perspektiven für Revisionen, die zum 2. Senat gehen. Demnächst sucht der Senat ggf. aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe Umstände, die zwar nicht bei der Strafzumessung abgehandelt wurden, aber nicht ausschließbar dort unbewusst nachteilig eingeflossen sein könnten?

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