„Richtervorbehaltsgötterdämmerung“, oder: Finger weg vom Richtervorbehalt bei der Blutentnahme!!!!

© Klaus Eppele - Fotolia.com

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Bei Beck-aktuell stoße ich gerade auf eine Nachricht, der offenbar eine PM o.Ä. aus dem BMJV zugrunde liegt. Es geht um die Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO), vor einiger Zeit der verfahrensrechtliche Dauerbrenner im Verkehrs(straf)recht. Dazu gibt es ja auch seit einiger Zeit schon Bestrebungen, diesen Richtervorbehalt abzuschaffen. Es gibt/gab eine Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen aus dem Jahr 2010, die seitdem vor sich hindümpelt („Richtervorbehaltsdämmerung“ aus Niedersachsen; dazu die BR-Drucksache 615/10). Es hat dann  auch die Expertenkommission zur „Effektivierung des Strafverfahrens“ für eine Abschaffung plädiert (Kommt jetzt eine große StPO-Reform zur „Effektivierung unseres Strafverfahrens?); wenn ein Gesetz schon so heißt, kann es nichts Gutes geben. Und auch der 54. VGT hat sich jetzt gerade ja erst für eine Änderung ausgesprochen (54. VGT – die Ergebnisse, oder: Zumindest die Richtung stimmt (teilweise)) .

Nun scheint es schnell zu gehen, wenn man der Meldung trauen kann. Da heißt es:

„Wenn Autofahrer von der Polizei zur Blutprobe gebeten werden, muss dafür voraussichtlich von 2017 an kein Richter mehr eingeschaltet werden. Das Bundesjustizministerium will erreichen, dass für diese Maßnahme künftig eine Anordnung der Staatsanwaltschaft genügt. Das Vorhaben könne im günstigen Fall zum Jahresende oder Anfang 2017 Gesetz werden, sagte die Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, Stefanie Hubig, am 04.02.2016 bei einer Fachtagung in Speyer.
Auch Betroffene könnten profitieren

Der Plan gehört zu den im Herbst 2015 präsentierten Reformvorschlägen einer Expertenkommission, die vom Ministerium eingesetzt worden war. Das Ziel: Strafverfahren effektiver gestalten. Derzeit muss die Polizei laut Gesetz wegen einer Blutprobe bei der Staatsanwaltschaft anrufen, die sich dann an den Richter wendet, wie Hubig erläuterte. Der wolle dann mitunter die schriftlichen Unterlagen zu dem Fall sehen. Künftig soll die Anordnung der Staatsanwaltschaft ausreichen. Für den Betroffenen sei das eine gewisse Erleichterung, weil das Verfahren schneller ablaufe, sagte der rheinland-pfälzische Justizminister Gerhard Robbers (SPD). Nachts einen Richter zu erreichen könne unter Umständen schon 30 Minuten dauern. „Das ist für den Betroffenen ja auch Wartezeit.““

Wenn man das liest, kann man nur den Kopf schütteln. Da soll offenbar kurz vor Ende der Legislaturperiode schnell noch eine Gesetzesänderung durchgepeischt werden, die schon seit mehr als fünf Jahren herumliegt, wahrscheinlich in einem „Omnisbusgesetz“, damit man es als Bürger/Betroffener nicht merkt. Und man pickt sich offenbar aus den Vorschlägen der Expertenkommission mal erst das ein oder andere heraus – aus Bayern wird Zuspruch kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Änderungen, die Kommission vorgeschlagen hat, jetzt in einem „Hau-Ruck-Verfahren“ mal eben durchgeführt werden sollen.

Die Begründung: In meinen Augen mehr als abenteurlich, um nicht zu sagen: „leicht bescheuert“. Ich habe zweimal hingeschaut: „Auch Betroffene könnten profitieren“ – und mich gefragt: Wie denn das? Und dann kommt als Begründung, dass es für den Betroffenen ggf. weniger Wartezeit bedeutet. Auf die Idee/Begründung kann man m.E. nur kommen, wenn man in einem Ministerium sitzt bzw. dem vorsteht. Das ist in meinen Augen genauso blöd, wie die Begründung aus Niedersachsen, dass man durch die Abschaffung des Richtervorbehalts in § 81a Abs. 2 StPo den Richtervorbehalt stärke. Man soll doch ehrlich sein und sagen, worum es geht. Nämlich um die Nachtruhe der Justiz und Kostenersparnis, indem man Eildienste möglichst spart.

In der Sache ist mir nicht ganz klar, was man eigentlich will. Der 54. VGT spricht in seinen Empfehlungen von den „Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“, die o.a. Meldung – wie auch die Expertenkommission – von der „Anordnung der Staatsanwaltschaft„. Das könnte etwas ganz anderes sein. Nämlich einmal würde die Anordnung auch von Polizeibeamten reichen, im anderen Fall müsste es dann ein Staatsanwalt sein. Wo da die Ersparnis/der Nutzen liegt, weiß ich nicht. Aber vielleicht kennen ja auch Minister und Staatssekretärinnen nur den Unterschied nicht so genau.

Im Übrigen meine ich: Wehret den Anfängen. Es ist immer schlecht, wenn man mit solchen Änderungen anfängt, denn schnell fummelt man dann auch an anderen Stellen rum. Und: Will man den Richtervorbehalt ganz abschaffen oder nur im Verkehrsstrafrecht, wie es Niedersachsen vorgeschlagen hatte? Also auch in Kapitalsachen? Dann viel Spaß, wenn es um die Verwertung von Blutennahmen in Verfahren geht, die als Verkehrsstrafsache angefangen haben und ggf. als Kapitalsache enden. Aber vielleicht hofft man da ja auch BGH und BVerfG, die es über Abwägungslehre und hypothetischen Kausalverlauf schon richten werden.

Fazit: Finger weg!!!!

11 Gedanken zu „„Richtervorbehaltsgötterdämmerung“, oder: Finger weg vom Richtervorbehalt bei der Blutentnahme!!!!

  1. Maste

    Danke Herr Kollege Burhoff für die offenen und m.E. absolut zutreffenden Worte. In der Praxis läuft es doch bereits jetzt so, dass den Betroffenen vor Ort von den Beamten gesagt wird ohne Einwilligung in die Blutprobe wäre der richterliche Beschluss ohnehin nur Formsache. Daraufhin kommt dann meistens die Einwilligung-wie gewünscht/beasichtigt- zustande. „Es bringt ja doch nix“ ist das Motto der Betroffenen.

  2. RA JM

    … aber immerhin kann man dann auf die schriftlichen Einwilligungserklärungen mehr oder weniger sturzbetrunkener Delinquenten verzichten. 😉

  3. RA Ullrich

    Solange die Änderung auf die simple Blutentnahme (egal zur Verfolgung welches Delikts) beschränkt wird und nicht auch die wesentlich selteneren weitreichenderen körperlichen Eingriffe umfasst, wie z.B. die heute allerdings kaum noch praxisrelevante Rückenmarkspunktion zur Liquorentnahme, kann ich nur sagen: Ja, höchste Zeit, schafft den Richtervorbehalt ab!!! Es hat ihn jahrzehntelang de facto nicht gegeben, weil ihn die Polizei in 100 % der Fälle ignoriert hat wegen angeblicher Gefahr im Verzug und es hat keinen großartig gestört bis zu jener denkwürdigen (und de lege lata auch sicherlich richtigen) Entscheidung, dass man auch einen nur einfachgesetzlich vorgesehenen Richtervorbehalt, solange er im Gesetz steht, schon ernst nehmen müsste. Die Folge wahren spannende Diskussionen um die Voraussetzungen des Verwertungsverbots, Mehrarbeit für die Bereitschaftsrichter und die Diskussion, ob man denn jetzt auch in ländlichen Bezirken, wo man bisher für Durchsuchungen, Haft etc. aufgrund der Seltenheit der Fälle ohne 24h-Bereitschaftsdienst auskam, jetzt allein wegen der häufigen nächtlichen Blutproben noch einen einführen muss, damit die nicht etwa wegen Organisationsverschulden der Justiz rechtswidrig werden.
    Das gab zugegeben manchmal ein paar nette Verteidigungsansätze für ansonsten hoffnungslose Fälle, wenn der Richtervorbehalt verletzt wurde, aber für den eigentlichen Sinn eines Richtervorbehalts, nämlich den Betroffenen effektiv vor ungerechtfertigten Belastungen durch körperliche Eingriffe zu Ermittlungszwecken zu schützen, hat doch der Richtervorbehalt im Fall der Blutprobe genau gar nichts gebracht. Oder kennen Sie auch nur einen einzigen richterlichen Beschluss, der mal einen solchen Antrag abgelehnt hätte? Die gesetzlichen Anforderungen für die Anordnung einer Blutprobe sind ja nun auch nicht gerade hoch.

  4. Anonymous

    Wie siehts denn da mit Rechtschutzmöglichkeiten aus? Ist eine „präventive“ Verfassungsbeschwerde zulässig falls eine solche Gesetzesänderunge kommen sollte? Auch wenn man nie betrunken Auto fährt und noch nicht in das „Vergnügen“ einer Blutentnahme gekommen ist?

  5. Patenter_Anwalt

    @RA Ullrich:
    Also ich hab „in eigener Sache“ schon mehrfach erlebt, daß die angebliche „Formsache“ vom Richter, manchmal auch schon vom StA, abgebügelt wurde. Wenn man nicht ins Röhrchen blasen will kommen die standardmäßig mit der Blutentnahme. Wenn man dann fragt, welche konkreten Anhaltspunkte vorliegen, wird gelogen, daß sich die Balken biegen. Die Polizei macht sowas gerne, ich behaupte mal, um einfach Recht zu haben. Als ich mich mit meinem Anwaltsausweis ausgewiesen habe, kamen auch schon so Sprüche wie „jetzt zeigen wir’s dem Juristen mal“…

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