Richterbestechung, oder: Wenn der eine Schöffe mit dem anderen Schöffen mauscheln will…

© Smileus - Fotolia.com

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Filmreif? Nun ja, nicht ganz, aber zumindest doch mal nichts Alltägliches, was das BGH, Urt. v. 23.11.2015 – 5 StR 352/15 behandelt. Sondern es steht mal die Vorschrift des § 332 Abs. 2 StGB im Focus. Der ein oder andere wird vielleicht erst nachschauen müssen (?). Ja, geregelt ist in § 332 StGB die Bestechlichkeit und in Abs. 2 die „Richterbestechlichkeit“. Und um die geht es. Und das Ganze bei einem Sachverhalt, den man sich so schnell nicht ausdenken kann, sondern den das Leben schreibt bzw. geschrieben hat. Dazu aus dem BGH-Urt.:

„Der Angeklagte wurde als Schöffe zur Teilnahme an einer Hauptverhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer unter anderem gegen den dortigen Angeklagten Br. berufen. Weiterer Schöffe war der Zeuge H. . Vor Beginn des 2. Hauptverhandlungstages kam der Angeklagte mit Br. ins Gespräch. Er gab vor, Br. für unschuldig zu halten, und berichtete ihm vom Inhalt der Beratungen der Strafkammer, was sich wiederholte. Vor dem 3. oder 4. Verhandlungstag behauptete er wahrheitswidrig, der Vorsitzende habe den Schöffen verboten, in der Hauptverhandlung Fragen zu stellen. Dies nutzte der durch Br. unterrichtete Verteidiger, Rechtsanwalt He. , zu einem Befangenheitsantrag namentlich gegen den Vorsitzenden. Dass die Information vom Angeklagten stammte, teilte er nicht mit. Der Vorsitzende stellte das Frageverbot in einer dienstlichen Stellungnahme in Abrede. In einem Gespräch nach Bescheidung des Befangenheitsantrags befragte er die beiden Schöffen, ob sie etwa das Beratungsgeheimnis gebrochen hätten, was diese verneinten.

Bestärkt durch das Verhalten Br. s und seines Verteidigers fasste der Angeklagte spätestens jetzt den Entschluss, für eine Unterstützung Br. s Geld zu verlangen. In der „vorläufigen Schlussberatung“ der Strafkammer am 16. Juni 2014 benannten die Berufsrichter ihre Strafvorstellungen. Der Angeklagte erhob keine Einwände. Er erkundigte sich aber beim Vorsitzenden über die Details der Sperrminorität der Schöffen in Bezug auf den Schuldspruch, von deren Existenz er durch das Plädoyer einer Verteidigerin erfahren hatte. Der Vorsitzende erläuterte ihm den Begriff. Der Angeklagte sah nun eine echte Chance, einen Freispruch Br. s herbeiführen zu können. Er hoffte nämlich, den Schöffen H. wegen dessen schlechter finanzieller Situation dazu bringen zu können, für einen Freispruch zu stimmen. Überraschend behauptete er nun erstmals, dass er Br. für unschuldig halte.

Am Abend desselben Tages begab sich der Angeklagte zu Br. s Wohnung. Auf sein Klingeln kam dieser nach unten. Der Angeklagte teilte ihm mit, dass er in der Beratung vergeblich versucht habe, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Auf die Frage Br. s, was der Schöffe H. denke, teilte der Angeklagte mit, dass H. von „Hartz IV“ lebe. Dies verstand Br. wie vom Angeklagten beabsichtigt. Er fragte, ob H. Geld benötige. Der Angeklagte bejahte und fragte, welche Summe sich Br. vorstellen könne. Br. bot je 20.000 € für den Angeklagten und H. an. Ob er nur zum Schein auf das Angebot einging, konnte nicht festgestellt werden.

Der Angeklagte erklärte sich einverstanden. Er brachte zum Ausdruck, dass er den Schöffen H. mit 20.000 € dazu bewegen könne, für einen Freispruch zu stimmen. Dabei behauptete er wahrheitswidrig, dass für den 18. Juni 2014 die Schlussberatung geplant sei und er bis dahin zumindest das Geld für H. benötige. Auf seinen eigenen Anteil könne er noch ein wenig warten. Er überreichte Br. seine Visitenkarte und forderte ihn auf, den Kontakt nur über Dritte herzustellen. Darüber hinaus solle Br. die Anschrift des H. ermitteln, damit er diesen vor der Schlussberatung in den Plan einweihen könne.

Br. unterrichtete seinen Verteidiger von dem Vorgefallenen. Am 19. Juni 2014 übermittelte der Verteidiger dem Gericht einen Befangenheitsantrag gegen den Angeklagten, in dem die Vorfälle vom 16. Juni 2014 aufgeführt waren. Auch die gleichfalls unterrichtete Verteidigerin eines Mitangeklagten stellte Befangenheitsanträge. Der Vorsitzende leitete die Anträge an die Staatsanwaltschaft weiter.

Ein für den 20. Juni 2014 durch die Polizei inszenierter Termin für eine vorgebliche Geldübergabe an den Angeklagten am Hamburger Hauptbahnhof verlief ergebnislos, weil der Angeklagte misstrauisch geworden war. Am 23. Juni 2014 wurden die Befangenheitsanträge gegen den Angeklagten für begründet erachtet und die Hauptverhandlung ausgesetzt.“

Das LG hat in der Zahlungsvereinbarung des Angeklagten mit Br. über eine Zuwendung von 20.000 € als Gegenleistung für ein Stimmen des Angeklagten für einen Freispruch eine Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB gesehen. Demgegenüber bestehe keine Konnexität zwischen dem Vorteil in gleicher Höhe für den Schöffen H. und einer eigenen richterlichen Handlung des Angeklagten, weswegen § 332 Abs. 2 Satz 1 StGB insoweit nicht eingreife. Eine Straftat nach § 353b StGB hat das Landgericht mangels Verfolgungsermächtigung nicht ahnden können. Die Strafe hat das Landgericht dem Strafrahmen des § 332 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommen. Ein besonders schwerer Fall nach § 335 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB liege u.a. im Blick auf eine angesichts der hohen Strafdrohung gebotene restriktive Interpretation der Vorschrift nicht vor. Andererseits sei auch ein minder schwerer Fall gemäß § 332 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht gegeben.

Der BGH hebt auf und sagt – so meine Leitsätze:

Erbietet sich ein Schöffe, den zweiten Schöffen zu bestechen, damit dieser für einen Freispruch des Angeklagten stimmt, liegt hierin – neben der eigenen Bestechlichkeit – zwar keine versuchte Beteiligung (§ 30 Abs. 2 StGB) an einer „Richterbestechlichkeit“ (§ 332 Abs. 2 Satz 1 StGB) des zweiten Schöffen, wohl aber wegen der erklärten Bereitschaft, den zweiten Schöffen zu einer Rechtsbeugung anzustiften, eine Strafbarkeit des Schöffen nach § 30 Abs. 2, § 339 StGB.

Ein besonders schwerer Fall i.S. des § 335 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StGB liegt bei einem gezahlten Bestechungsgeld in Höhe von 50.000 € vor.

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