„Bewährungsversager“?, oder: Keine Verlängerung der Bewährungszeit zum Nachteil des Verurteilten

© Stefan Rajewski Fotolia .com

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Interessante Ausführungen zum Ablauf der Bewährungszeit und zur Frage der Anwendbarkeit des § 43 StPO in dem Zusammenhang enthält der KG, Beschl. v. 03. 11. 2015 – (2) 161 Ss 233/15 (66/15). Zugrunde liegt der KG-Entscheidung ein landgerichtliches Urteil, in dem das LG im Rahmen der Strafzumessung u.a. darauf abgestellt hatte, dass der Angeklagte bei Begehung der vom LG festgestellten Tat noch unter Bewährung gestanden hat. Ausgangspunkt für die landgerichtlichen Überlegungen war die nach seinen Fesstellungen am o2.10.2014 begangene Tat. Verurteilt war der Angeklagte zuvor bereits durch am 02.10.2012 rechtskräftig gewordenes Urteil, das eine Freiheitsstrafe mit zweijähriger Bewährungszeit festgesetzt hatte. Bei den zeitlichen Vorgaben ist nach Auffassung des KG die Annahme des LG: „Bewährungsversager“ falsch:

„Die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der Bewährungszeit trifft nicht zu. Allerdings fehlt für die Berechnung von Bewährungsfristen eine spezielle gesetzliche Regelung im StGB. Fest steht immerhin, dass die Bewährungszeit „mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung“ beginnt (§ 56a Abs. 2 StGB). Da die Rechtskraft hier nach den Feststellungen des Landgerichts am Tag der Urteilsverkündung – also am 2. Oktober 2012 – eingetreten ist, begann die Bewährungszeit an diesem Tage. In Ermangelung einer abweichenden gesetzlichen Regelung bestimmt sich der Ablauf kalendarisch. Das heißt, das Jahr, das am 1. Januar beginnt, endet am 31. Dezember desselben Jahres – und nicht erst am 1. Januar des Folgejahres. Danach endete die Bewährungszeit hier mit Ablauf des 1. Oktober 2014.

Eine analoge Anwendung von § 43 StPO für die Berechnung der Bewährungszeit hält der Senat weder für geboten noch für zulässig (a.A. Mosbacher in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB 2. Aufl., § 56a Rdn. 8).

Gemäß § 43 StPO, den das Landgericht unter Umständen bei seiner Entscheidung im Blick hatte, endet eine prozessuale Wochen- oder Monatsfrist tatsächlich erst „mit Ablauf des Tages“, (…) „der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat“ (§ 43 Abs. 1 Halbsatz 1 StPO). Das wäre hier – hielte man diese Berechnungsmethode auch auf die Frist aus § 56a StGB für anwendbar – der 2. Oktober 2014 gewesen. Zu bedenken ist jedoch einerseits, dass jede Analogie eine ausfüllungsbedürftige (unbeabsichtigte) Regelungslücke voraussetzt, die der Senat hier nicht erkennt, und dass andererseits die Regelung des § 43 StPO – wie auch ihr systematischer Zusammenhang mit den Vorschriften über die Wiedereinsetzung zeigt – dazu dienen soll, die Rechtsmittelfristen tendenziell (rechtsmittelfreundlich) zu verlängern. § 43 StPO regelt zu diesem Zweck eine Abweichung von der ansonsten anzuwendenden kalendarischen Berechnung (der Monat, der am 1. Januar beginnt, endet mit Ablauf des 31. Januar – nicht erst am 1. Februar). Besonders deutlich wird das in § 43 Abs. 2 StPO. In der Praxis wirkt sich die durch § 43 StPO statuierte Berechnungsmethode zumeist zugunsten des Beschuldigten aus, weil dieser in der Mehrzahl der Fälle Rechtsmittelführer ist. Hier würde sich die (analoge) Anwendung des § 43 StPO auf die Jahresfristen des § 56a StGB jedoch immer zum Nachteil des Verurteilten auswirken, weil die Bewährungszeit dadurch (wenn auch nur um einen Tag) verlängert würde, was – wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt – erhebliche Folgen haben kann (nicht nur für die Strafzumessung bei Rückfalltaten, sondern vor allem beim Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung mehrjähriger Strafen oder Strafreste gemäß §§ 56f, 57, 57a StGB). Derart nachteilige Konsequenzen dürfen nicht durch eine richterliche Analogie herbeigeführt werden, sie bedürften aus Sicht des Senats zu ihrer Legitimierung einer gesetzgeberischen Entscheidung (dies übersieht Mosbacher in seiner Kommentierung in Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB 2. Aufl., § 56a Rdn. 8, wenn er zwar aus genau diesem Grunde § 43 Abs. 2 StPO nicht analog auf die Berechnung der Bewährungszeit anwenden will, im Übrigen aber meint, die Bewährungszeit ende mit Ablauf des Tages dessen Benennung dem Tag des Eintritts der Rechtskraft entspreche; im Ergebnis demgegenüber so wie hier z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 15. März 2011 – 2 Ws 29/11 – [juris]; Senat, Beschluss vom 11. April 2007 – 2 Ws 266/07 –).“

Also: Keine „stillschweigende“ Verlängerung der Bewährungszeit…..

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